Heaven & Ale

Während der Teufel den Schnaps gemacht hat, um uns zu verderben, ist man bei „Heaven & Ale“ mit der Leitung eines Klosters betraut, um das beste Bier auf Gottes Erden zu brauen.

von Lars Jeske

Wenn Kleriker, Ritter und Magier nach der einen oder anderen Heldentat Feierabend haben, steht nicht selten ein kühles Bier bereit. Aber macht man sich jemals darüber Gedanken, wo dieses köstliche Getränk herkommt und mit wie viel Hingabe und Aufwand es produziert wird? – Mit dem vorliegenden „Heaven & Ale“ erhält man einen ersten Eindruck davon, dass auch hierbei Heldentaten vollbracht werden. Die Spieler sind jeweils Vorsteher eines Klostergartens, in welchem es gilt, sich um die richtigen Pflanzen (Holz, Hopfen, Gerste, Hefe und Wasser) und deren Betreuung (Mönche) zu sorgen. Ziel ist es, durch geschicktes Sichern und Anlegen der erworbenen Rohstoff- und Mönchsplättchen sowie taktische persönliche Wertungen seinen Garten sinnvoll ergänzen zu können. Dieses tolle Kennerspiel wurde von Michael Kiesling (u. a. bekannt für „Tikal“, „Verflixxt“ oder „Abluxxen“) und Andreas Schmidt erdacht und ausgearbeitet. Es vereint praktisches Spielmaterial, einfache Regeln, einen tollen Spielfluss und knifflige Entscheidungen, die dem Wiederspielreiz enorm förderlich sind. 2 bis 4 (Viel)Spieler ab 12 Jahren sind für gute zwei Stunden bestens unterhalten mit diesem Strategiehit.

praktisches Spielmaterial

Zuallererst muss man klotzen, sind es doch über 200 Einzelteile aus Pappe, die dieses Spiel mitbringt. Diese Teile lassen sich dabei sehr gut und sauber aus den Stanzbögen lösen und sind korrekt bedruckt. Besonders das Geld, hier Dukaten, wartet mit schönen Details auf. Hinzu kommen ein paar kleine Privileg-Karten und Marker aus Holz unter anderem für die Rohstoffe und Wertungen. Ein thematischer Hingucker ist dabei die hölzerne Braumeister-Figur. Der dickere Spielplan ist ein Rundlauf und übersichtlich gestaltet. Für jeden Spieler liegt noch ein identischer, persönlicher Spielplan bei. Auf diesem befinden sich regelmäßig angeordnete 6ecke, welche aufgedruckte Scheuen oder freie Flächen für die Bewirtschaftung des Klostergartens symbolisieren. Auffällig ist zudem, dass es eine Sonnenseite und eine Schattenseite gibt, was vor allem wertungsrelevant ist. Am Rand des eigenen Spielplans sind die Positionsmarker für die Zutaten sowie ein Marker für den Braumeister zu platzieren. Dieser komplex aussehende Spielplan für jeden der 2 bis 4 Spieler wirkt nur anfänglich überladen, enthält er doch alle spielrelevanten Informationen. Etwas dicker hätten diese Pappen zwar sein können, aber dies ist bereits der einzige Kritikpunkt und Jammern auf hohem Niveau.

einfache Regeln

Es gibt nur 8 Regelseiten, diese lassen jedoch schon einmal durchscheinen, dass es kein Spiel für Zwischendurch ist. Die Regeln sind dabei sehr schön strukturiert und mit Beispielen unterfüttert nüchtern zusammengestellt. Nach dieser halben Stunde intensiver Lektüre kann man anschließend sofort unbesorgt losspielen, wenngleich man öfter noch einmal nachschlagen wird, ob die Regeln wirklich so einfach sind. Denn ist man an der Reihe, muss man schlicht entscheiden, um wie viele Felder man auf dem gemeinsamen Rundlauf vorrücken will und dann die entsprechende Aktion auslösen. Die Aktionen im Rundlauf sind dabei lediglich 4 verschiede und damit sehr übersichtlich. Kauf von Rohstoffen oder Mönchen, eine Wertung ausführen oder ein Sonderziel erreichen, welches vorrangig im zweiten Spielabschnitt interessant wird, und Extrasiegpunkte einbringt. Ziel des Spieles ist es, die Marker an der Spielplanseite (Rohstoffe & Braubruder) weiter nach oben zu befördern, um die Qualität des Bieres zu steigern. Sprich, eine bessere Ausgangssituation für die finale Siegpunktberechnung zu haben. Diese sollte man sicherhalber allen Spielern vorab einmal exemplarisch vorrechnen, damit dieser für Spiele generell selten benutzte Wertungsschlüssel jedem eindeutig klar ist. Das Highlight der Endabrechnung ist nämlich, dass der letzte Rohstoffmarker zählt, während die Braumeister-Figur als Multiplikator fungiert.



toller Spielfluss

Gespielt werden abhängig von der Spieleranzahl lediglich 3 bis 6 Runden, wobei dieses durchaus wörtlich zu verstehen ist. Es gibt den gemeinschaftlichen Spielplan, welcher wirklich einen Rundlauf widerspiegelt. Der Clou des Spieles ist es, dass jeder Spieler reihum auf diesem Spielplan einfach soweit vorrücken darf wie er will, um die dortige Aktion auszuführen. Es gilt allein die Regel, dass man am Ende warten muss, bis alle wieder in der gleichen Runde starten. Somit kann man jedes Mal aufs Neue entscheiden, wenige Schritte zu gehen, um mehr Aktionen zu haben, oder vorwegzurennen, um die besten Möglichkeiten dieser Runde selber zu nutzen. Denn es ist quasi ein Solospiel mit einem gemeinsamen Ressourcenpool und chronischem Geldmangel. Vornämlich wird man neue Zutaten kaufen oder sich einen Mönch organisieren und diesen Chip auf dem Plan positionieren. Diese Position ist spätestens bei ausstehenden Wertungen wichtig. Denn man erhöht entweder die Qualität der Braukunst (Rohstoffertrag, Plättchen der Sonnenseite), um damit tendenziell mehr Siegpunkte am Spielende zu haben. Oder man kann sich neues Kapital besorgen, um den Garten weiter auszubauen (Schattenseite).

knifflige Entscheidungen & Langzeitmotivation

Dieses Spiel ist nichts für Entscheidungsschwache und ein Leckerbissen für Langzeitplaner und Optimierer. Bereits bei jedem Kauf muss man sich entscheiden, wie viel Geld man für das Plättchen ausgeben möchte. Denn die Positionierung auf der Sonnenseite kostet das Doppelte der aufgedruckten Summe. Um dieses zudem nicht wahllos zu tun, sind auch Scheunen aufgedruckt, die unterschiedliche Boni sichern – je nachdem, welche Zahlen als Summe die angelegten Zutaten aufgedruckt haben. Ebenso muss man die Mitspieler einschätzen können, damit einem nicht die Plättchen die einem selber am besten passen vor der Nase weggeschnappt werden.

Wertungsfelder haben ihren ganz eigenen Charme. Als schöner Kniff gilt nämlich diese Wertung nur für diesen Spieler und er kann sich sogar aussuchen, was gewertet werden soll. Somit kann man zum Beispiel alle Mönche einer Art aktivieren, jedes Hopfenfeld werten lassen oder alle Rohstoffplättchen mit der gleichen, selbst bestimmbaren, aufgedruckten Zahl. Jedoch sollte man sich den Zeitpunkt der Wertung sehr gut überlegen, schließlich darf man zwar alles werten, jedoch immer nur einmal pro Partie. Hinzu kommt der Erwerb von Privilegkarten, welchen man mit ins Kalkül ziehen sollte. Es gibt Paare von Wertungen, die, so erfüllt, einen ein beliebiges Privileg nutzen lassen. Ähnlich wie bei „First Class“ der 6. Wagen, kann man auch hier bei „Heaven & Ale“ entscheiden, welcher Bonus gerade den größten Nutzen bringt. In einer Partie ist es ein Geldsegen, in anderen ein Extraboost für einen der Marker der Seitenleiste oder Zusatzpunkte am Spielende. Manchmal ist auch nur die Reihenfolge interessant.

Man merkt rasch, dass man hier ein echt hartes Strategie- und Optimierungsspiel mit sehr vielen Stellschrauben vor sich hat. Es gibt viele Optionen und Möglichkeiten, ohne jedoch zu überfordern. Wer es mehrmals spielt beziehungsweise gespielt hat, der hat einen kleinen Vorteil gegenüber Newbies. Grobe taktische Fehler werden einem selten verziehen, dennoch gibt es keinen Königsweg, um das Spiel immer zu gewinnen. Allein schon die zufällig platzierten Ressourcen sorgen hierbei für genügend Abwechslung. Ebenso ist die Spieleranzahl immer wieder eine neue Herausforderung, da dadurch die Rundenanzahl variiert wird. Dennoch ist das Spiel in guten zwei Stunden zu schaffen, es sei denn, die ganz großen Grübler ziehen es in die Länge.



Fazit: Das sehr gut durchdachte, thematisch toll aufbereitete Spiel „Heaven & Ale“ ist ein echtes Highlight für Vielspieler und Experten. Für mich das Kennerspiel 2017 und ein echter (Geheim)Tipp. Jede Partie ist eine neue Herausforderung bei diesem anspruchsvollen Spiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren. Während Gelegenheitsspieler wohl eher von der Komplexität abgeschreckt werden, sollte dieses Spiel in keiner Sammlung gehobener Spiele fehlen. Die kleinen Details machen das Spiel besonders, während die genutzten Mechanismen dabei so wohlverzahnt und an sich sehr simpel sind, das sie in schönen Rundendurchgängen münden. Der Spieler ist sehr frei in seinen Entscheidungen, sowohl bei den Aktionen, als auch den Momenten für die eigenen, einmaligen Zwischenwertungen. Darin verstecken sind viele Synergieeffekte, wodurch das Spiel anspruchsvoll wird. Überraschenderweise benötigt man erst zur Sicherheit für die Endabrechnung die Regeln erneut, die Spieltiefe war unterdessen unerwartet hoch. Auch die grundsätzliche Kaufentscheidung ab jetzt für dieses Gut nur Geld oder Fortschritt zu erhalten ist unverbraucht und allein durch den Spieler beeinflussbar. Kurzum: Während das gewollte Namengleichklang mit „Heaven & Hell“ oder die Tagline „Ein Heidenspaß in Gottes himmlischem Biergarten!“ Schlimmes vermuten lassen, ist das Spiel überaus gelungen.

Heaven & Ale
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Michael Kiesling & Andreas Schmidt
Pegasus Spiele 2017
EAN: 4250231712623
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,95

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