Head Lopper 1: Die Insel … oder eine Bestienplage

Derjenige, der sich mit einem abgetrennten blauen Hexenkopf unterhaltend auf Wanderschaft befindet, der furchtlos durch Moore watet, und sich beim nächtlichen Campieren auf einem Friedhof gegen Geister und Riesen zu verteidigen weiß sowie ein wahrer Meister des Schlages mit dem Langschwert ist, trägt in Andrew MacLeans Comic „Head Lopper“ den Namen Norgal. Sechs Jahre nach der Erstveröffentlichung hat sich Cross Cult diesem Werk angenommen. Ob das eine Bereicherung für den deutschen Comic-Markt ist?

von Daniel Pabst

„Head Lopper“, zu Deutsch etwa „Kopf-Abknipser“, stammt von Andrew MacLean (Text und Zeichnungen). Die Kolorierung dieses Comics übernahm Mike Spicer, wobei ein Kapitel Andrew MacLean selbst gestaltete. Bis zur Originalausgabe war es für MacLean kein einfacher Weg. Als er 2013 mit „Head Lopper“ begann, suchte er nach den ersten gezeichneten Seiten Unterstützung auf Kickstarter; fand dort aber nur rund 500 Personen, die ihn unterstützen. Dann aber wurde Image Comics auf seine Kunst aufmerksam und eins führte zum anderen. 2016 erschien so die Originalausgabe bei Image Comics. Der erste Band lautet in voller Länge „Head Lopper 1: Die Insel … oder eine Bestienplage“ und umfasst 280 Seiten. Am Ende des Bandes befindet sich eine Reihe von Skizzen, die Artwork-Galerie mit 15 Bildern und eine Cover-Galerie mit acht Bildern.

Schon der Titel „Head Lopper“ demonstriert die unverblümte und brachiale Vorgehensweise des Protagonisten. Dazu blickt man auf das kraftvolle Titelbild des roten, sehr wertigen Hardcover-Bandes. Der nicht wirklich subtil versteckte Schädel hierauf könnte für die lauernde Gefahr für den Titelhelden stehen oder einen Hinweis auf seine Tätigkeit geben. Verbirgt sich hinter diesem Comic also eine Erzählung über einen großen Monsterjäger?

Der „Head Lopper“, oder „Sir Kopf Ab“ wie ihn so manch einer nennt, heißt mit richtigem Namen Norgal. Seine ungleiche Begleiterin ist die Hexe Agatha. Wobei man da etwas genauer sein sollte, denn außer ihrem Kopf ist nichts mehr von ihr zu sehen. Wer ihren Kopf wohl einmal abtrennte? Norgal ist breit gebaut und von hünenhafter Gestalt, hat langes weißes Haar und einen geflochtenen Bart. Da denkt man vielleicht sofort an die Wikinger. Dieser Eindruck wird beim Lesen verstärkt, da er einen gehörnten Helm hat, ein großes Schwert schwingt und einen geschuppten Lendenschurz trägt.

Die Leserinnen und Leser begleiten das Paar auf ihrer Reise durch das Inselreich Barra. Dieses könnte sehr gut irgendwo im Norden liegen, da auch die Landschaft, Tierwelt und das Aussehen der dortigen Bewohner und Bewohnerinnen dem Comic einen nordischen Touch geben. Die Wanderschaft geht durch abgelegene Dörfer, Wälder, Wiesen, Berge, Moore und Seen. Zu der Wortkargheit Norgals paart sich Agatha, die unbeständig mit ihrem faulen Mundwerk vor sich hinplappert. Ob Norgal Recht behält mit seinem Credo „Stahl ist stärker als Magie“ oder Agathas mit „Magie ist stärker als Stahl“, muss sich noch zeigen ...

Norgals Gabe des schnellen und „sauberen“ Kopfabhackens wird auf Barra dringender denn je benötigt. Denn das Gebiet der Königin Abigail wird seit einiger Zeit von grausamen Bestien geplagt. Zeit, dass sich ein Profi diesem Spuk annimmt. Dabei stolpert Norgal in die ein oder andere Überraschung. Und Agatha sucht das ein oder andere Mal mit dem Mund nach Essbarem, bis sie Norgal erinnert, dass sie keinen Magen mehr hat. Dass Agatha nur noch ein sprechender Kopf ist, mag vielleicht jetzt nicht besonders amüsant wirken, aber dieses Duo beim Lesen zu begleiten, ist heiter bis genial. Immer wieder fragt man sich, wie MacLean auf diese ganz unterschiedlichen Erzählstränge gekommen ist und freut sich, dass „Head Lopper“ auf Deutsch erschienen ist.

Mit seinem Aufbau in sechs Kapitel samt Epilog (Farben von Lin Visel und Joseph Bergin III.) ähnelt „Head Lopper“ einer Cartoon-Serie. Zu Beginn eines neuen Kapitels zeigt eine rote Linie auf einer Landkarte den Reiseweg des Duos. Anschließend wird je eine neue Gegend, wie „der stumme Wald“ oder „die Klüfte“ erkundet. Rätsel und Bedrohungen offenbaren sich rasch. Und selbst wenn diese kleineren Aufgaben zu bewältigen sind, lauern stets weitere Gefahren. Im Hintergrund schmieden dunkle Wesen teuflische Pläne, welche nicht nur die Zukunft der Insel Barra bedrohen.

Bei „Head Lopper“ stimmt einfach alles. Angefangen vom Hardcover, dem Aufbau der Geschichte und der Erzählweise, dem Bonus-Inhalt (so hat etwa Mike Mignola mit Dave Stewart ein Artwork beigesteuert) sowie des auf der Rückseite als Gruppenbild abgedruckten Großteil des „Casts“ von „Head Lopper“ Bitte lächeln trifft es da sehr gut! Nie hat man den Eindruck, dass Andrew MacLean die Ideen ausgegangen sind. Die Kombination aus Schwerthieben, Fantasy-Setting und unerwarteten, neuartigen Dialogen könnte glatt vom besten Freund Norgals, dem Schmied auf Barra, zusammengeschmiedet worden sein. Sehr gerne darf eine Fortsetzung von „Head Lopper“ schon sehr bald erscheinen.

Abschließend noch ein paar Worte zum Zeichenstil von MacLean. Schließlich haben wir es mit einem Comic zu tun! Durch seinen markanten, minimalistischen Stil wird unsere Aufmerksamkeit auf das Wesentliche gelenkt. Bei den Schwerthieben zum Beispiel gelingt das dadurch, dass wir weißen Linien folgen, die die Hiebrichtung wiedergeben sollen. Wenn dann ein Kopf oder eine andere Gliedmaße durch Norgal abgetrennt wird, so wird dies nicht durch Effekthascherei übertrieben dargestellt. Vielmehr sehen wir einen gleichbleibenden Rotton. Und bei schnellen Bewegungen lässt MacLeans Details weg, oder ersetzt sie durch einen Strich. Manchmal geht es von Panel zu Panel so schnell, dass wir nur Bewegungslinien sehen und sogleich ein Ungetüm geschlagen am Boden liegt, oder aber MacLean fügt Panels hinzu, die das Tempo reduzieren und so erneut den Fokus auf bestimmte Details legen. Auch wenn Norgal seinen Helm trägt, sehen wir keine Augen, sondern nur Schwarz.

Bei „Head Lopper“ zeigt sich, was eine Erzählung in der Gestalt eines Comics so besonders machen kann. MacLean hat eine Heldengeschichte geschaffen, die so nur im Comic existieren kann. Die Anordnung von Zeichnung und Text sind dermaßen gut orchestriert, dass die Leserinnen und Leser gar nicht anders können, als ihre volle Aufmerksamkeit „Head Lopper“ zu schenken und mit den Augen über die Seiten zu wandern.

Leseprobe

Fazit: Dieser Comic hat seinen eigenen Stil und ein großartiges Erzähltempo. Köpfe werden in Sekundenbruchteilen abgeschlagen, und ein sprechender Hexenkopf ist voller Witz und versprüht pure Lebensfreude. Man fragt sich, wieso „Head Lopper“ erst jetzt auf Deutsch erschienen ist. Absolut lesenswert und eine Comic-Entdeckung!

Head Lopper
Comic
Andrew MacLean
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-719-8
280 S., Hardcover, Deutsch
Preis: EUR 25,00

bei amazon.de bestellen