HARP (High Adventure Roleplaying) Revised Edition

Dragonslayers Wanted. No Previous Experience Required. On the Job Training Provided. Flexible Hours, Travel Opportunities. Profit Sharing. Health Plan. You Kill it, you Loot it. So wirbt Iron Crown Enterprises (ICE) auf dem Backcover ihres High Adventure Role Playing Game. Aber was erwartet den Leser im Inneren des 192-seitigen Buches?

von Shawn Neal

 

ICE, für das Tabellenregelwerk „Rolemaster“ bekannt und geliebt oder verhasst, hat mit HARP vor ein paar Jahren neue Wege beschritten. Auf 192 Seiten erwartet den Leser ein komplettes Fantasy-Regelwerk. Dieses kommt zwar ohne Hintergrundwelt, ist aber dafür wirklich komplett. Von Charaktererschaffung, über Kampf, bis hin zur Magie und einem (recht eingeschränkten) Monsterkompendium ist wirklich alles enthalten, was außer Würfeln zum Spielen benötigt wird.

Die 192 Seiten des Buches sind in 15 Kapitel gegliedert. Zudem gibt es den obligatorischen Charakterbogen und einen 8-seitigen Index.

„HARP“ versteht sich als flexibles, schnelles Fantasy-Universalregelwerk. Auf den ersten Blick wirkt „HARP“ etwas wie eine abgespeckte „Rolemaster“-Variante: Die Grundlage des Regelsystems bildet ein W100-Wurf, und im Kampf werden Tabellen konsultiert. Allerdings wurde „HARP“ im Hinblick auf Spieler, die von D20-Systemen kommen, entworfen und ist weniger komplex und besser durchdacht als „Rolemaster“.

Nach der Einleitung in Kapitel 1 geht es in Kapitel 2 bis 5 um die Charaktererschaffung. Die Charaktererschaffung ist sehr flexibel. Zwar arbeitet „HARP“ auch mit Rassen, Klassen (bei „HARP“ Professions genannt), Feats (Talente bei „HARP“) und Stufen, aber das Ganze ist flexibler und weniger statisch als D20. So gibt es zum Beispiel keine Halbrassen wie Halbelfen, sondern man kann sich seine Halbrassen über Blutstalente selbst zusammenstellen. So kann der Spieler festlegen, dass die Mutter eine Elfe und der Vater ein Zwerg (so unwahrscheinlich es sein mag) ist und entsprechend von jeder Elternteilrasse bestimmte Fähigkeiten übernehmen.

Die Stufen dienen primär zur Begrenzung des maximalen Fertigkeitswertes und geben die Anzahl der Development Points (zur Steigerung von Fertigkeiten etc.) vor. Die Professions von „HARP“ orientieren sich an den aus D20 bekannten Klassen: Cleric, Fighter, Harper, Mage, Monk, Ranger, Rogue, Thief und Warrior Mage. Auch die Rassen sind größtenteils alte Bekannte: Menschen, Elfen, Zwerge, Gnome, Halblinge und Gryx (das „HARP“-Äquivalent zu Halborks).

Der Spieler entscheidet sich bei der Charaktererschaffung also für eine Rasse und eine Profession. Die Rasse bestimmt die Kultur, in der der Charakter aufgewachsen ist, und damit die Startfertigkeiten. Diese werden dann durch die Profession erweitert. Dabei hat jede Profession verschiedene Fertigkeitskategorien, die bevorzugt werden und in denen es billiger ist, mit den Development Points Fertigkeitspunkte zu kaufen.

Kapitel 6 behandelt die verschiedenen Fertigkeiten, welche das komplette Spektrum abdecken. Erwähnenswert hierbei ist, dass „HARP“ jeden Zauberspruch als einzelne Fertigkeit ansieht. Kapitel 7 behandelt danach die Talents, das „HARP“-Äquivalent zu D20-Feats. Diese können mit Development Points gekauft werden. Kapitel 8 stellt die Ausrüstung für den Abenteurer bereit, enthält aber nichts besonders Aufregendes.

In Kapitel 9 endlich wird dann das Regelsystem vorgestellt. Im Spiel selbst präsentiert sich „HARP“ flexibel und einfach. Der Grundwurf ist ein nach oben offener W100-Wurf, das heißt alle Würfe, die eine 96-00 auf dem Würfel ergeben, werden noch einmal gewürfelt und das Ergebnis zu dem ersten Wurf addiert. Alle Aktionen werden auf einer Manövertabelle abgehandelt. Prinzipiell bedeutet ein Ergebnis von 101+ immer, dass die Aktion geschafft wurde, wobei höhere Werte bessere Ergebnisse der Aktion bedeuten. Das ist das ganze Grundgerüst. Der Rest des Kapitels beschäftigt sich mit dem Einsatz der Manövertabelle in verschiedensten Situationen, mit verschiedenen Modifikatoren, wie Sichtverhältnissen, usw., also Dingen, die schon aus anderen Rollenspielen bekannt sind.

Richtig interessant wird es dann in Kapitel 10. Hier geht es um die Kampfregeln und die Frage, ob die „Rolemaster“-typischen Tabellen enthalten sind. Die aus „Rolemaster“ bekannten Tabellen sind in einer extrem reduzierten Form vorhanden, und es muss nicht wie bei „Rolemaster“ ständig geblättert werden. Ein Angriff selbst wird in einem W100-Wurf abgehandelt. Zu dem W100 werden der Bonus des Angreifers und eventuelle Modifikatoren hinzugezählt. Davon wird dann der entsprechende Wert des Verteidigers abgezogen. Das Ergebnis (sofern es höher als 1 ist) kann direkt auf der Tabelle für die entsprechende Waffengattung abgelesen werden (insgesamt gibt es 14 Tabellen, wobei schon Tabellen für Hitze, Kälte, Elektrizität, Große Gegner etc. enthalten sind). Jede Tabelle nimmt höchstens eine halbe Seite Platz ein, und prinzipiell kann sich jeder Spieler einfach die ein oder zwei Tabellen, die er braucht, ausdrucken (gibt es gratis auf www.harphq.com). Die Ergebnisse der Tabellen selbst sind teilweise recht tödlich und extrem schwarzhumorig. Ein Beispiel aus der Tabelle für Stichwaffen; das übelste Ergebnis hat folgenden Eintrag: Try using the pointed end next time, das bestmögliche Ergebnis hat den Eintrag: You skewered him right between the eyes. He’s dead Jim.

Nach dem Kampf folgt das Kapitel 11: Magie. Das ist der Punkt, der bei „HARP“ am meisten heraussticht. Zauber werden, wie schon oben geschrieben, jeweils als einzelne Fertigkeit behandelt. Jeder Zauber kostet eine bestimmte Anzahl PowerPoints (PP), wenn er gesprochen werden soll. Diese Anzahl ist aber nicht fix, da die Zauber skaliert werden können. Wenn ein Spieler mehr PP für einen Zauber ausgibt, macht er zwar einerseits das Sprechen des Zaubers schwerer (er bekommt einen Malus auf seinen Fertigkeitswurf), aber andererseits kann er den Zauber stärker machen.

Als Beispiel soll hier der Zauber „Arcane Bolt“ herhalten. Dieser Zauber kostet in der Grundform 2 PP, hat eine Reichweite von 50 Metern und trifft ein Ziel mit 1W10 Schaden. Durch eine Erhöhung der PP kann der Zauber bis zu einem Schaden von 5W10 (+8 PP), einer Reichweite von beispielsweise 150 Metern (+2 PP) und auf 3 Ziele (+8 PP) gesprochen werden. Bloß dann kostet er nicht mehr 2 PP, sondern 20 PP. Dies macht das Magiesystem von „HARP“ extrem flexibel.

Weiterhin sind die Zauber in Sphären unterteilt. Es gibt eine Universelle Sphäre, die jeder Charakter lernen kann, und dann die Professions-Sphären, die nur von einem Charakter mit der entsprechenden Profession gelernt werden können. Insgesamt sind ca. 120 Zauber im Buch enthalten, die aber durch die Möglichkeit der Skalierung nützlicher sind als die doppelte oder dreifache Anzahl von Zaubern in manch einem anderen Rollenspiel.

Kapitel 12 behandelt kurz Gifte und Kräuter (inklusive Darreichungsform, Aussehen und Fundort).

Kapitel 13 ist das Monsterkapitel von „HARP“. Es behandelt grundlegende Monster und Tiere und wo man diese antreffen kann sowie einige Erklärungen zum Aufbau von Begegnungen. Insgesamt werden um die 40 Monster kurz vorgestellt (natürlich inklusive der „Üblichen Verdächtigen“ wie Orks, Trolle, Drachen etc.).

Kapitel 14 widmet sich dann ganz dem Lohn der Abenteuer: Treasure. Hier werden diverse magische und nichtmagische Gegenstände vorgestellt und Tabellen zum Ermitteln der gefundenen Gegenstände gegeben. Darunter sind auch einige Gegenstände, die man wohl nicht so ganz ernst nehmen sollte. Zum Beispiel liest sich die Beschreibung von „Saltar’s Bomb“ genau wie die einer Handgranate (inklusive Ring zum abziehen und dann wegwerfen).

Das letzte Kapitel des Buches widmet sich dem Gamemaster und gibt Tipps, wie „HARP“ an die verwendete Welt angepasst werden kann und wie im allgemeinen das Leiten einer „HARP“-Runde für den Spielleiter einfacher wird (in der Art Do’s and Dont’s).

Fazit: Mir gefällt „HARP“ extrem gut. Es ist ICE wirklich gelungen, ein Rollenspiel zu bauen, das nur mit dem Grundbuch spielbar ist und keinerlei Erweiterungen benötigt. Lediglich eine Welt, auf der gespielt wird, muss man sich ausdenken oder besorgen (etwa Cyradon für „HARP“). Der Preis von 25 $ ist für ein komplettes Rollenspiel entsprechend günstig. Die Verarbeitung des Buches ist gut und das Artwork stimmig.

Von der Charaktererschaffung bis hin zum Magiesystem wirkt alles gut durchdacht und funktioniert wirklich gut. Dazu kommt dann dass es unter www.harphq.com jede Menge Zusatzmaterial (Charakterbögen, Monster, Professions, Skill Packages etc.) gibt. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass der Charaktergenerator, mit dem auf der Rückseite des „HARP“-Buches geworben wird, nicht existiert und wohl auch nicht nachgereicht wird, aber dafür gibt es ja einen automatisierten Excel- und OpenOffice-Bogen.


High Adventure Roleplaying (HARP) Revised
Grundregelwerk
Tim Dugger, Heike A. Kubasch
Iron Crown Enterprises (ICE) 2003
ISBN: 1-55806-602-0
192 S., Softcover, englisch
Preis: $ 25,00

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