von Daniel Pabst
Der Comic „Hairball“ stammt vom bekannten Comic-Autor Matt Kindt, welcher das Skript verfasst hat und auch das Logo- und Coverdesign zu verantworten hat. Die Coverillustration ist von Ella Kindt und die Zeichnungen kommen von Tyler Jenkins (Farben von Hilary Jenkins). Ursprünglich erschien der Comic bereits 2023 bei Dark Horse Books und wurde nun bei Cross Cult in deutscher Fassung als Softcover veröffentlicht. Am Ende des Comics gibt es acht Seiten mit ganzseitigen Covervariationen und ein elfseitiges Skizzenheft von Tyler Jenkins, was schon mal ein netter Bonusinhalt ist.
Die Geschichte beginnt mit lauter Fragen, die sich für die Leserin oder den Leser auftun. Bereits das Cover lässt auf ein dunkles Geheimnis schließen, da die Katze nicht viel von sich preisgibt. Die Dunkelheit zieht sich wie ein roter Faden durch „Hairball“ (alternative Schreibweise: „hairball“). Erst kurz vor Ende erleben wir, wie der schwarze Hintergrund durch einen weißen Hintergrund ersetzt wird, doch bis dahin tappen wir mit dem Therapeuten der Protagonistin im Dunkeln … Passenderweise steht da als erste Sprechblase auch eine Frage, die da lautet: „Hätte ich irgendwas anders gemacht?“. Die Frage stellt die Protagonistin, die von einem kinderlosen Ehepaar adoptiert wird. Mit ihr zieht eine Katze in die neue Wohnung ein, die sie als Streunerin begleitet hat und derer sie ihre Ängste und Sorgen freigiebig erzählt.
Diese Katze ist jedoch mehr als ein lebendiger „Sorgenfresser“. Sie hört ebenfalls genau hin, wenn sich die Adoptiveltern des nachts streiten und hinterlässt im Haus Haarbüschel, die insbesondere den alkoholsüchtigen Adoptivvater wütend machen. In einer Nacht dann beißt die Katze der jungen Protagonistin in den Arm, aus dem zwei sonderbare Würmer herauswandern (spätestens an dieser Stelle wird klar, dass es sich hier um einen Horrorcomic handeln soll). Diese Würmer dienen scheinbar als „Sprachrohr“ der Katze, die so mit der Protagonistin Kontakt aufnehmen kann. Etwas verrückt, oder?
„Verrückt, Anna. Das Wort benutzen wir nie“, so lesen wir aber später. Diese Worte stammen vom Therapeuten, dessen Stimme aus dem Off kommt. Die Leserinnen und Leser begleiten Anna in „Hairball“ nämlich auf einer zweiten Ebene immer wieder bei ihrer Gesprächstherapie, die sie aufgrund einer Angst- und damit verbundenen Sprachstörung aufsucht. Diese Erzählebene wird bis zum Ende des Comics durchgehalten und gibt der Geschichte eine sinnvolle Struktur. Gleichzeitig dienen die Therapiestunden den Lesenden als Zusammenfassung des Gesehenen, geben Hintergrundinformationen preis und lassen in das Innenleben der älter werdenden Protagonistin reinschauen.
Kommen wir nun aber zur eigentlichen Protagonistin von „Hairball“ – der Katze namens „Bestie“: Diese führt ein sonderbares Eigenleben in der Wohnung der Adoptiveltern und Anna. Schon sehr früh wird deutlich, dass sie kein reines Haustier ist. Dass Katzen herumstreunen, ist nicht neu, doch dass sie dabei zum Beispiel Haarbüschel in einer Kaffeetasse hinterlassen, oder Radios vom Fenster werfen, ist dann doch außergewöhnlich. Die Motivation von „Bestie“ ist nicht so leicht durchschaubar. Als dann die Wohnung plötzlich Feuer fängt, kann Anna nur knapp dem Tod entrinnen. Wollte sich da jemand etwa an den Adoptiveltern rächen? Wohin zieht Anna mit „Bestie“ danach?
Was – auf der Rückseite dieses Comics – großspurig als „übernatürlicher Albtraum, in dem Junji Ito auf Hayao Miyazaki trifft“ angekündigt wurde, erweist sich als übertriebene Marketingstrategie. Denn der so großartige, auf leisen Sohlen daherkommende Horror von Junji Ito ist weit hergeholt. Mit dem Meister des japanischen Horrors lässt sich der Comic nicht vergleichen, da der Horror von Anfang an in Form der Katze und deren Augen präsentiert wird. Mit Hayao Miyazaki lässt sich das Werk ebenfalls nicht vergleichen. Auch wenn die Katze keine übliche Hauskatze ist, so nimmt sie wenig phantastische Züge an und bleibt zu böse, als dass man sie gernhaben würde, wie die ikonischen Fabelwesen bei Miyazaki.
Der Zeichner Tyler Jenkins schafft es gut, die Stimmung des Werks durch seine kantigen Zeichenart zu treffen. Die Figuren und deren Umgebung strahlen keine Wärme aus. Die warmen Farben sind den lodernden Flammen vorbehalten. Immer wenn Anna ihre therapeutischen Sitzungen hat, ist der Hintergrund völlig schwarz, wodurch sie abgehoben wird und zugleich ihre innere Schwärze zum Vorschein tritt. Zu keiner Zeit kann man sich bei diesem Comic entspannt zurücklehnen. Man merkt sofort, dass hier etwas nicht stimmt und die Disharmonie schier unauflösbar wirkt. Wie soll das nur enden?
Fazit: Matt Kindt liefert mit „Hairball“ eine Kombination aus Comic-of-Age und einer „Horror“-Geschichte. Anna wächst mit der Zeit und wird zunehmend selbstbewusster. Die „Bestie“ weicht nicht von ihrer Seite, was zu unterschiedlichen Interpretationen führen mag. Katzenliebhaberinnen und -liebhaber werden sich bei dem kleinen „Teufel“ möglicherweise an eigene Erfahrungen erinnern können. Der Comic bringt insgesamt eine solide Geschichte rüber, auch wenn der Fokus nicht nur auf dem Horror liegt, sondern eher auf der persönlichen Entwicklung und dem Erwachsenenwerden der Protagonistin. Die düstere Stimmung macht definitiv melancholisch. Da dieser Fokus etwas überraschend kommt und auch das Ende die ein oder andere Frage offenlässt, kann dieser mittelmäßige Comic nur unter Einschränkungen empfohlen werden.
Hairball
Comic
Matt Kindt, Tyler Jenkins, Hilary Jenkins
Cross Cult 2025
ISBN: 978-3-98666-678-1
152 S., Softcover, deutsch
Preis: 25,00 EUR
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