Gruselkabinett 61: Der Ring des Thot

Viele Leute haben die unheimlich anmutende ägyptische Sammlung des Louvre bei Tag gesehen. Aber nur wenige Leute verbringen eine Nacht zwischen den Jahrtausende alten Ausstellungsstücken. In einem entlegenen Arbeitsraum inmitten der ägyptischen Sammlung erwacht der berühmte Archäologe John Vansittart Smith um Mitternacht aus einem unfreiwilligen Nachmittagsschläfchen. Auf der Suche nach einem Ausgang stößt er unvermittelt auf einen anderen Mann ... der ein langes Messer in der Hand hält.

von Uwe Weingärtner

 

Das von Titania Medien produzierte Hörspiel „Der Ring des Thot“ ist nach „Die Mumie“ die zweite Kurzgeschichte Arthur Conan Doyles, die das Thema Ägypten aufgreift und in der Reihe „Gruselkabinett“ veröffentlicht wird. Die CD erscheint in der für die Serie typischen Ausstattung mit einem kleinen Booklet, das neben einem stimmungsvollen Titelbild die Auflistung der Sprecher beziehungsweise Verantwortlichen und eine Übersicht der bereits erschienenen Titel enthält.

Die Geschichte des jungen Ägyptologen John Vansittart Smith spielt im Louvre, wo der Wissenschaftler einige neu eingetroffene Papyri für seine Arbeit sichten will. Nahe seines Arbeitsraums inmitten der Ausstellungsstücke trifft er auf einen interessant aussehenden Museumswärter, dessen faszinierende Ausstrahlung ihn lange von seiner eigentlichen Arbeit abhält. So geschieht es dann auch, dass er, wieder über den Papyri brütend, einschläft und die Schließung des Museums versäumt. Still und einsam ist es in der Ausstellung, als er um Mitternacht wieder erwacht. Auf der Suche nach einem Ausgang findet er einen erleuchteten Raum, in dem er den Museumswärter wieder trifft. Doch dieses Mal ist der Mann mit einem Messer bewaffnet und in ein Ritual vertieft. So kommt es, dass John Vansittart Smith die wundersame Lebensgeschichte eines alten Mannes erfährt, der den Tod sucht und ihn nicht finden kann.

Das rund eine Stunde lange Hörspiel beginnt mit einer achtminütigen, von Tommi Piper sehr stimmungsvoll vorgetragenen Einführung des John Vansittart Smith. Es wird der Eindruck erweckt, dass er die Hauptrolle in der Geschichte spielt. Nach der Begegnung mit dem Ägypter Sosra wird er jedoch zum zuhörenden Statisten degradiert und erst jetzt, nach etwa 18 Minuten des Hörspiels wird das eigentliche Thema der Geschichte offenbar. Sosras Erzählung von seiner ewigen Jugend und dem damit verbundenen Verlust von Freundschaft und Liebe zeigen die Schattenseiten auf, die mit dem Wunsch nach Unsterblichkeit verbunden sind.

Das Hörspiel besticht, wie viele aus der Reihe „Gruselkabinett“, durch die hervorragenden Sprecher und Sprecherinnen, die man auch von anderen Hörspielen der Reihe her kennt. Die Geschichte wurde von Marc Gruppe sprachlich modernisiert und so auch für ein jüngeres Publikum ansprechend gemacht, die Texte um 1900 nicht gewohnt sind und mit manch einer veralteten Redewendung nicht mehr viel anfangen können. Daneben wurde für eine passende musikalische Untermalung gesorgt, die vor allem in den ersten 20 Minuten die sich aufbauende Spannung gut unterstützt. „Der Ring des Thot“ ist aber keine Gruselgeschichte, wie es „Die Mumie“ ist, und so verblasst die Spannung zunehmend mit der Erzählung Sosras und offenbart sich als eine interessante, aber wenig erschreckende Geschichte.

Fazit: „Der Ring des Thot“ ist wie die anderen Hörspiele der Reihe „Gruselkabinett“ technisch sehr gut umgesetzt. Hat man die Geschichte das erste Mal angehört, stellt sich jedoch die Frage, weshalb sie in die Reihe aufgenommen wurde. Der ein oder andere Hörer wird bestimmt enttäuscht sein, hier keine richtig spannende Geschichte gehört zu haben, aber man darf nicht vergessen, dass sich zur Entstehungszeit der Geschichte die Leute vor anderen Dingen gruselten, als vor fünfzig Jahren oder heute. Daher kann man die Aufnahme in das „Gruselkabinett“, in dem „Meisterwerke der Schauer-Romantik“ präsentiert werden, durchaus nachvollziehen. Auch wenn die Geschichte um John Vansittart Smith und Sosra ein interessantes und zum Nachdenken anregendes Thema behandelt, würde ich als „älterer Hörer“ bei einer Wahl doch zu einem anderen Hörspiel des „Gruselkabinett“ greifen. Jugendlichen, die sich mit dem Thema Jugend und Tod bestimmt noch nicht auseinandergesetzt haben, würde ich die Vertonung durchaus als Anregung empfehlen.


Gruselkabinett 61: Der Ring des Thot
Hörspiel nach einer Erzählung von Arthur Conan Doyle
Marc Gruppe
Titania Medien 2012
ISBN: 978-3-7857-4638-7
1 CD, ca. 63 Minuten, deutsch
Preis: EUR 8,99

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