von Reinhard Kotz
Die Peripherie
Die Helden werden von einem kunchomer Handelshaus angeheuert, um einen Draijsch (eine religiöse Schriftrolle) in das kleine, maraskanische Dorf Guladasbid zu bringen, um damit die Handelsbeziehungen zu verbessern. Nach einer durchaus ereignisreichen Schifffahrt – mal wieder droht das Schiff unterzugehen – kommen die Helden in Guladasbid an und werden dort von den ortsansässigen Priestern empfangen. Diese sind auf der Suche nach einem uralten Artefakt und mittels des Draijsch, den die Helden hoffentlich noch haben, glauben sie nun den Aufenthaltsort des Artefakts lokalisieren zu können. Da dieser Ort Mitten im undurchdringlichsten Dschungel liegt, werden tapfere Abenteurer benötigt, die das Artefakt holen sollen. Wie gut, dass gerade welche da sind. Sogleich wird eine Expedition ausgerüstet, die so manche Schwierigkeiten überwinden muss, ehe sie das begehrte Artefakt endlich in Händen halten kann. Doch damit ist das Abenteuer noch lange nicht vorbei. Denn in der Zwischenzeit sind im Dorf einige Leute spurlos verschwunden und natürlich nehmen sich die Helden auch dieser Aufgabe an, ehe endlich wieder Ruhe im Dschungel einkehrt...
Der engere Kreis
Das vorliegende Abenteuer besteht, grob gesagt, aus 3 Teilen.
Der erste Teil – die Schiffsreise von Kunchom nach Maraskan – ist der kürzeste Teil und besteht im Wesentlichen aus Zufallsbegegnungen auf See und Charakterspiel mit der Besatzung. Obwohl sich hier die Ereignisse im Rahmen des Altbekannten bewegen, ist dieser Teil doch ein guter Einstieg für die Spieler, da das Abenteuer ruhig angegangen wird, ohne gleich langweilig zu werden.
Im zweiten Teil geht es schon deutlich mehr zur Sache. Die Expedition durch den Dschungel kann mit der ein oder anderen Überraschung aufwarten und das Finale verlangt auch Einiges von den Helden ab. Hier werden sämtliche Register eines Wildnisabenteuers gezogen.
Im abschließenden dritten Teil müssen die Spieler ihr detektivisches Geschick beweisen, denn die Ursache hinter dem Verschwinden der Leute ist gar nicht so einfach, zumal auch einige falsche Spuren die Helden auf den Holzweg führen können.
Der Kern
Das vorliegende Abenteuer weiß durch seine Abwechslung zu gefallen, wobei vor allem die Darstellung der maraskanischen Kultur besonders gut gelungen ist. Liebevoll werden die Eigenheiten von Land und Leuten geschildert und mittels kleinerer Szenen am Rande in das Geschehen eingeführt. Allgemeine Beschreibungen geben zudem dem Spielleiter genügend Anregungen, um eigene Ideen zu entwickeln und dem Abenteuer auch seine eigene Note zu verleihen. Im Laufe des Abenteuers werden die Helden nicht nur einen guten Einblick in das Wesen der Maraskaner erhalten, sondern sie dürfen/müssen sich auch mit deren Religion, Mystik und Philosophie intensiv auseinandersetzen. Ein Highlight ist dabei der Draijsch (der übrigens als Handout vorliegt), denn in ihm steckt ein raffiniertes Rätsel.
Gut gefallen hat mir auch, dass in dem Abenteuer Personen vorkommen, die die Helden bereits aus anderen Abenteuern kennen könnten, weil dadurch das Gefühl der Spieler, in Aventurien heimisch zu sein, verstärkt wird. Schade fand ich hingegen, dass im Laufe des Abenteuers der ursprüngliche Grund der Helden, nach Maraskan zu reisen, gänzlich in den Hintergrund gedrängt wird und abschließend nur vage angedeutet wird, welche Auswirkungen ihr Handeln auf die Handelsbeziehungen hat. Die Frage, was denn ein so kleines Nest wie Guladasbid für ein so großes Handelshaus ernsthaft zu bieten hat, will ich mal dahingestellt lassen.
Obwohl ich mich bisher selber nie sonderlich für Maraskan begeistern konnte (vermutlich, weil mich die Frage, ob ich mit der Volksfront von Maraskan oder der maraskanischen Volksfront sympathisieren soll, völlig überfordert hat), hat mich das vorliegende Abenteuer doch voll überzeugt. Denn trotz kleiner Kritikpunkte weiß das Abenteuer durch seine Handlung, seine Einbettung in die maraskanische Kultur und durch seinen gut durchdachten Hintergrund zu gefallen, so dass es einige Abende Spielspaß bieten dürfte.
Die Aufmachung
Die Aufmachung von „Goldene Flügel“ lässt keine Wünsche offen. Das Buch hat ein ordentliches Layout, der Text ist gut gegliedert, die Bilder passen gut zum Inhalt und auch die Karten sind schön gezeichnet. Neben dem Abenteuer wird auch das Dorf und sein Kloster ausführlich beschrieben, sowie allgemein die Stellung der Priester beim einfachen Volk erörtert, sodass auch reichlich allgemeines Material geboten wird, welches für spätere, eigene Abenteuer verwendet werden kann.
Fazit: „Goldene Flügel“ ist ein rundum gelungener Abenteuerband. Wer also schon immer ein Herz für Maraskan hatte oder diese Insel zumindest einmal näher kennen lernen wollte, kann sich das Buch beruhigt zulegen.
Goldene Flügel (DSA-Abenteuer Nr. 152)
Abenteuerband
Michael Masberg
Ulisses Spiele 2007
ISBN: 978-3-89064-446-6
52 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 10,00
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