Gewölbeforscher & Drachentöter

Die „Pathfinder-Handbücher“ liefern Optionen und Informationen für Spieler und deren Charaktere, in dem vorliegenden Doppelband zu den Themen Gewölbe und Drachen. Beide Themen sind historisch betrachtet die Wurzeln des Rollenspiels, weshalb die Erwartungen an den Band entsprechend hoch sind. Die Rezension soll klären, ob das Handbuch ihnen gerecht wird.

von Tobias Dworschak

 

Es gibt zwei Dinge, die bei dem Heft besonders auffallen: das Cover und der Preis. Dadurch, dass der Band zwei amerikanische Vorlagen ins Deutsche überträgt, ist der Umfang im Vergleich zu den Einzelheften verdoppelt, der Preis aber nicht. Für 19,95 Euro (Printausgabe) bedeutet dies ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Allerdings leidet unter der Doppelausgabe der Gesamteindruck. Zwar ist das Heft deutlich dicker als die übrigen Handbücher, das Cover irritiert aber. Es zeigt jeweils hälftig die beiden Cover der Vorlagen, die an sich schon sehr bunt und unruhig wirken, zusammen aber eher abschrecken. Aber das ist eine Kleinigkeit.

Der Rezension liegt die PDF-Aufgabe des Handbuchs zugrunde. Diese umfasst 68 vollfarbige Seiten, die dem gewohnt hohen Standard der Ulisses-Publikationen entsprechen. Hier gibt es nichts auszusetzen. Ein paar Abstriche erhält das Layout deshalb, weil hier und da ein Satzteil fehlt. Die Übersetzung ist in Ordnung, wobei der Text schon im Original eher knapp ist und die Übersetzung hier nicht viel an sprachlicher Eleganz herausholen kann. Mit anderen Worten: Es klingt alles in bisschen sehr kurz und nach Wiederholungen (wobei tatsächliche Wiederholungen nur selten vorkommen).

Die Illustrationen überzeugen. Besonders hervorzuheben ist im Gewölbe-Teil die Zeichnung, die sich über die Fußzeile einiger Seiten erstreckt und die ikonischen Charaktere aus dem Grundregelwerk nacheinander bei der Erforschung eines Dungeons zeigt. Ein sehr stimmungsvoll umgesetztes Bild.

Werfen einen Blick auf den Inhalt von Gewölbeforscher.

„Vorbereitungen für eine Expedition“ ist ein Text, der stimmungsvoll auf die Überlegungen eingeht, die ein Charakter oder Spieler vor dem Aufbruch in einen Dungeon anstellen sollte. Ich fürchte, dieser Text wendet sich in erster Linie an unerfahrene Spieler, denn ich habe hieraus keinen Nutzen ziehen können.

„Fallen, Monster und Schätze“ beschreiben genau das: Wie gehe ich mit Fallen oder Monstern um? Welche Schätze kann ich finden und wie bekomme ich diese aus dem Dungeon heraus? Die drei Abschnitte handeln von neuen Talenten, die thematisch zu den Überschriften passen.

„Gewölbeführer“ gibt dem Spieler eine Reihe von Büchern (und damit verbunden einen Regelmechanismus) an die Hand, die sich mit bekannten Gewölben beschäftigen.

Das zweiseitige Kapitel „Aufzeichnungen der Gefallenen“ (in der gedruckten Form des Einzelheftes die Mitte) zeigt Zeichnungen unterschiedlicher Gewölbe, die aus bekannten Abenteuern stammen, garniert mit Kommentaren der wagemutigen Erkunder. Und das ist wirklich gelungen. Ich kann mir gut vorstellen, eine Karte hiervon als Handout für meine Spieler zu verwenden, wenn diese kurz davor stehen, eines der Gewölbe zu betreten.

„Berühmte Gewölbe Golarions“ ist eine Liste bekannter Dungeons, die natürlich für den Spieler geschrieben ist. Sprich: Sie bietet allenfalls eine grobe Idee, kaum Hintergrund und keine Inspiration – sieht man vom Namen ab. Ich habe nicht nachvollziehen können, was diese Liste einem normalen Spieler bieten soll.

Aus dem „Ausrüstungskompendium“ sind „Mietlinge“ bekannte, die im gleichnamigen Kapitel weiteren Zuwachs bekommen. Das Kapitel beschäftigt sich in erster Linie mit dem Fackelträger, einem Mietling, der, nun ja, eine Fackel trägt. Und der im Laufe seiner Karriere Talente wählen kann, mit denen er, nun ja, noch besser die Fackel trägt. Ich habe lange vor diesem Kapitel gesessen und mich gefragt, ob das jetzt ernst gemeint ist. Wahrscheinlich schon und möglicherweise gibt es sogar einen Platz für diesen Mietling (oder Mietlinge allgemein). Ich sehe diesen aber weder in meiner Runde noch in meiner Spielwelt.

„Archetypen“ und „Ausrüstung für Gewölbeforscher“ enthalten genau das, was die Überschriften vermuten lassen. Ergänzt wird dies um „Alchemistische Ausrüstung“ und „Magische Gegenstände“. Wenig überraschend erwarten uns bei „Rotschwinges Zauber“ neue Zauber.

Bevor ich einen Blick auf „Drachentöter“ werfe, vielleicht eine Vorüberlegung. Beim Lesen hatte ich den Eindruck, dass das Heft davon ausgeht, die Charaktere würden jeden Tag Drachen jagen. Dies mag ein Ansatz für den Aufbau einer Gruppe oder Kampagne sein, widerspricht aber meiner Vorstellung von Drachen, die ich eher als Strippenzieher im Hintergrund sehe und sehr dosiert einsetze. Das mag meinen Blick auf das Heft insgesamt färben.

„Der Weg des Drachentöters“ und „Vorbereitungen zum Töten eines Drachen“ sollen dem angehenden Drachentöter bei seiner Aufgabe unterstützen, ergehen sich aber zu sehr in Allgemeinplätzen und Selbstverständlichkeiten, weshalb ich vermute, dass hier wieder der unerfahrene Spieler im Blick steht. Immerhin werden typische Charakteristika der Drachen im Überblick vorgestellt.

„Drachenhöhlen,- nester und andere Unterschlüpfe“ beschreibt, wie der Titel vermuten lässt, die Unterschlüpfe von Drachen. Dabei bleibt es sehr allgemein, wirft aber auch einen Blick auf die unmittelbare Umgebung eines Hortes: Welche zusätzlichen Gefahren lauern bei einem Nest um Sumpf oder einem Unterschlupf im Wald?

„Vom Umgang mit Drachen“ ist insofern ein interessantes Kapitel, als dass es die Möglichkeiten bespricht, mit Drachen, die ja intelligente Wesen sind, zu verhandeln und dabei Tipps zur Etikette gibt. Abgerundet wird es mit neuen Meisterstücken für Barden, die alle etwas mit Drachen zu tun haben und in ihrer Flexibilität eher eingeschränkt sind.

„Von Drachen gezeichnet“ ist eigentlich eine Sammlung neuer Wesenszüge. Diese sind aber in einer ansprechenden Form dargereicht, denn vor jedem Wesenszug wird ein berühmter oder berüchtigter Drache vorgestellt. Jeder würde eine ausführlichere Darstellung verdienen, aber die kurzen Texte reichen vielfach aus, um sich ein erstes Bild zu machen. Damit ist dieses Kapitel auch für Spielleiter inspirierend. Die Wesenszüge sind entgegen meiner Befürchtung nicht zu spezifisch auf einen bestimmten Drachen ausgerichtet.

„Niedere Drachen“ fasst drachenähnliche Wesen zusammen (Lindwürmer, Wyvern und dergleichen). Die Übersicht ist gelungen. Es werden Hinweise für Spieler gegeben, welche Unterschiede zu echten Drachen bestehen, was in einem Kampf oder auch abseits davon von diesen Kreaturen zu erwarten ist – und wie man niedere Drachen zähmen kann. Insgesamt gelungen.

„Drachenanatomie“ ist die Mitte-Doppelseite des gedruckten Einzelheftes. Sie zeigt die schematische Zeichnung eines Drachen mit Hinweisen zu anatomischen Besonderheiten. Und ich mag es.

„Was man aus Drachen herstellen kann“ ist ein Kapitel über ein neues Talent (Drachenverarbeitung) und die Gegenstände, die man über Rüstungen oder Waffen hinaus aus Drachen herstellen kann. Unter den Archteypen gibt es zwei, die dieses Talent aufgreifen. Wirklich nützlich erscheint es für die Spieler nicht. Wie viele Drachen erlegt denn der durchschnittliche Charakter? Die Gegenstände sind nur nett, rechtfertigen aber kaum ein eigenes Talent mit Tabelle, welche Körperflüssigkeiten man extrahieren kann.

Das Kapitel „Drachentöterbündnisse“ habe ich nicht verstanden. Am Ende gibt es ein paar Teamwork-Talente. Vorher werden Gruppen, die Drachen jagen, mit einem Namen versehen und in wenigen Sätzen beschrieben. Obwohl „Pathfinder“ ein Subsystem für Organisationen kennt, spielt dies hier keine Rolle. Auch die Überlegungen, wie die Spieler ein eigenes Drachentöterbündnis gründen können, haben keine weiteren Auswirkungen und erscheinen mir als reiner Hintergrund ein bisschen zu dünn.

„Drachentöter-Archetypen“ und „Wie man Drachen bekämpft“ enthalten wie erwartet Archetypen (für Hexenmeister mit Drachenblut, für Drachen jagende Waldläufer und Schützen mit schweren Geschützen) und neue Kampftalente, daneben den ein oder anderen Tipp, worauf man als Charakter im Kampf gegen einen Drachen achten sollte (Drachen können fliegen und haben eine Odem-Waffe).

„Ausrüstung und Belagerungswaffen“, „Drachentöterzauber“ und „Magische Gegenstände“ sammeln wieder neue Gegenstände und Zauber.

Insgesamt bekomme ich also die doppelte Portion Talente, Archetypen, Wesenszüge, Zauber und Gegenstände. Viele Optionen mit zweifelhaftem Nutzen, denn diese beziehen sich immer auf das Thema des Heftes. Das mag vielleicht Sinn machen, wenn ich weiß, dass ich eine Kampagne spiele, die ausschließlich in Gewölben stattfindet. Sobald – was ich von einer guten Kampagne erwarte – eine Mischung auftritt, sind viele der Optionen verschwendet beziehungsweise verlieren gegen vielseitigere Alternativen.

Ob der durchschnittliche Spieler immer noch mehr Auswahl braucht, muss jeder für sich selbst beantworten. Im Grunde führt das vielfach nur dazu, dass das Wesentliche der Charaktererschaffung in den Hintergrund tritt – nämlich einen spannenden Charakter zu erschaffen.

Wenn ich nur ein einzelnes Abenteuer spiele und die Charaktere genau dafür baue, helfen die neuen Optionen insgesamt, etwas abseits der üblichen Talente, Archetypen, Zauber und Wesenszüge zu gehen und etwas Neues auszuprobieren. Übermächtig ist auf den ersten Blick und im Vergleich zum Bekannten nichts; eher im Gegenteil. Bis auf den Fallensprenger (Alchemisten-Archetypen) gab es beim Lesen nichts, was ich gerne ausprobieren würde.

Noch eine Anmerkung: Die englischen Originalausgaben sind flankierend zu dem Abenteuerpfad „Der Zerbrochene Stern“ („Shattered Star“) beziehungsweise „The Dragon’s Demand“ erschienen. Wer meine Rezis zum „Zerbrochenen Stern“ hier beim Ringboten kennt, weiß, dass der Abenteuerpfad unter der Prämisse steht, dungeonlastig zu sein. „The Dragon’s Demand“ ist als Abenteuermodul auf die Konfrontation mit einem Drachen ausgerichtet. Vor diesem Hintergrund machen die Veröffentlichungen der beiden Hefte mehr Sinn.

Betrachte ich die beiden Teile des Heftes getrennt voneinander, ist „Drachentöter“ aus meiner Sicht die stärkere Hälfte. Das mag daran liegen, dass ich Drachen mehr mag als Gewölbe, aber auch daran, dass hier mehr stimmungsvolle Anteile enthalten sind. Gut gelungen sind die – leider zu seltenen – Fluff-Anteile.

Beim Lesen unangenehm aufgefallen ist mir, dass zu viel auf andere Regelwerke oder Publikationen verwiesen wird. Gut, „Pathfinder“ ist ein sehr, sehr umfangreiches System. Aber können nicht wenigstens die einzelnen Hefte in sich abgeschlossen sein? Muss ich alles kaufen, um einzelne Aspekte aus „Gewölbeforscher & Drachentöter“ nutzen zu können? Obendrein verstehe ich immer noch nicht den Sinn hinter dem Regelindex (gerade bei dem geringen Umfang der Hefte) oder der Übersicht „Für Deinen Charakter“, der noch einmal die Inhalte zusammenfasst. Das ist in dem Fall vergeudeter Platz.

Fazit: Ich bin kein großer Fan der „Pathfinder-Handbücher“. Ich mag die Idee, einzelne Themen aus der Sicht der Charaktere näher zu beleuchten. Häufig enttäuscht mich aber die Umsetzung, die in vielen Fällen durch eine furchtbare Platzverschwendung und nutzlose Texthappen gekennzeichnet ist. Es gibt hierbei Ausnahmen. Häufig erlebe ich aber in den Handbüchern ungenutztes Potenzial. Zudem sind die neuen Optionen derart begrenzt, dass es kaum Sinn macht, sie für vielseitige Charaktere zu verwenden.

Nicht anders verhält es sich mit „Gewölbeforscher & Drachentöter“. Ich begrüße, dass Ulisses hier eine Doppelausgabe vorlegt (die zudem nicht das Doppelte kostet). Ob ich als Spieler das Buch brauche, hängt stark davon ab, ob ich meinen Charakteren ganz speziell auf eine bestimmte Umgebung (Gewölbe) oder einen bestimmten Gegner (Drachen) ausrichten möchte – und selbst dann sind die Optionen lediglich nett und tragen vielleicht zu einem stimmigeren Charakter bei.


Gewölbeforscher & Drachentöter
Quellenbuch
F. Wesley Schneider
Ulisses Spiele 2014
ISBN: 978-3-86889-381-6
64 S., Softcover, Deutsch
Preis: EUR 19,95

bei amazon.de bestellen