Geschlossene Räume

„Cthulhu“ ist nicht immer nur die Jagd nach den Großen Alten. Mit „Cthulhu“ lassen sich alle möglichen Formen des Horrors genießen. Ebensolche eher ungewöhnlichen Abenteuer werden in dem Band „Geschlossene Räume“ präsentiert. Mal sehen, wie es abseits ausgetretener Pfade so aussieht.

von Jens Krohnen

„Geschlossene Räume“ enthält zwei Abenteuer, bei denen der Titel Programm sein sollte. Es handelt sich um Kammerspiele, welche die Investigatoren in ihrer Bewegungsfreiheit stark einschränken und sie mit Problemen auf engstem Raum konfrontieren. Szenarien wie „Girnwood Manor“, „Abwärts“ oder „Tod an Bord“, Klassiker in der cthuloiden Historie, kommen mir in den Sinn. Mal sehen, ob „Geschlossene Räume“ diese hohen Erwartungen erfüllen kann.

Die kommenden Zeilen werden Spoiler enthalten und sind nicht für Spieleraugen geeignet.

Eröffnet wird der Band mit „Le Tre Madri“. Dieses Szenario führt eine Gruppe Künstler an ihre Grenzen. Diese werden zu einer besonderen Ausstellung eingeladen, im Keller der Ausstellung weggesperrt und dann auf einen ganz besonderen Leidensweg geführt. Sie sind Auserwählte der „drei Mütter der Schmerzen“ und sollen durch den Weg, den sie in der Ausstellung zurücklegen, zu Ebenbildern dieser Mütter geformt werden. Dazu werden ihnen Sinne geraubt, es gibt mit Glasscherben ausgelegte Gänge und einige gar schreckliche Begegnungen in den Ausstellungsräumen. Schließlich steht die Gruppe den drei Müttern gegenüber und hat die Wahl zwischen einem kurzen, einem qualvollen oder einem nie enden wollenden Tod. Ich habe Rezensionen über das Szenario gelesen, die es ob der Breite historischer Anspielungen und den vielen Zitaten aus Literatur und Film gelobt haben. Ich finde es hingegen schlecht aufbereitet (der Autor liefert ausschließlich „hätte-wenn-und-könnte“, keine echten Anregungen), wirr komponiert und zudem im Verlauf extrem langweilig. Wer sich allerdings einmal wirklich schlecht nach einem Szenario fühlen möchte – denn ein Happy End ist nahezu unmöglich – dem sei es herzlichst empfohlen.

Das zweite Szenario ist „Zwanzig Räume“. Hier treten die Investigatoren unfreiwillig in die Traumwelt eines im Koma liegenden Kindes ein. Dieses Kind ist von einer Hexe mit einer Traumdroge vergiftet worden und liegt seither im Koma. Der Vater des Kindes wiederum vergiftet verzweifelt immer mehr Menschen mit der gleichen Traumdroge, um seinem Sohn Hilfe zu senden. In der Traumwelt müssen die Investigatoren gleich zwanzig Räume in einem Sanatorium durchqueren, die alle unterschiedliche Herausforderungen bereithalten: Wettschwimmen mit Haien, ein Flugzeugabsturz, ein Marsch durch die Wüste … am Ende wartet der Sohn, der nun endlich in Frieden sterben kann. Das Szenario gefiel mir minimal besser als „Le Tre Madri“, hat allerdings einen stark gelenkten – man könnte sagen, auf Schienen verlegten – Einstieg und einen hohen Abnutzungsfaktor. Spätestens nach dem fünften Raum wäre mir als Spieler die Lust vergangen, jetzt die nächste sportliche Übung hinzulegen. Dazu muss ich gestehen, dass mir die Motivation des Vaters wenigstens unglaubwürdig vorkommt.

Beiden Szenarien ist gemein, dass sie sehr spezielle Voraussetzungen an ihre Charaktere stellen, aber keine vorgefertigten Investigatoren mitliefern. Das ist schade, denn die Investigatoren werden nach diesen Szenarien aller Voraussicht nach nicht mehr spielbar sein – zu hoch sind wenigstens die Stabilitätsverluste, die zu erwarten sind. So ist jeder Spieler auch noch gezwungen, einen Wegwerf-Investigator für diese Szenarien zu erstellen. Naja, aber die Charaktererschaffung bei „Cthulhu“ geht ja recht schnell. Ebenfalls ist beiden Szenarien eine hohe Kreativität der Autoren anzumerken – es gibt reichlich Optionen für die Spielleitung zur Auswahl, dazu optionale Regeln und Zufallstabellen. Das weiß zu gefallen und führt dazu, dass ich gnädiger auf den Band zurückblicke, als es die reinen Abenteuerhandlungen ermöglicht hätten.

Das Layout entspricht dem üblichen Standard für cthuloide Softcoverbände, das Lektorat ist einwandfrei. Wiederum gibt es einige sehr schöne Handouts, wie immer ein Prunkstück in cthuloiden Abenteuerbänden. Technisch kann ich damit wieder nur eine gute Note vergeben.

Fazit: „Geschlossene Räume“ bietet sehr spezielle Szenarien, die definitiv abseits der ausgetretenen Pfade wandeln. Mir haben aber weder Aufbereitung noch Handlung sonderlich zugesagt. Ebenso muss ich das Fehlen vorgefertigter Investigatoren bemängeln, die hier wirklich sinnvoll gewesen wären. Alles in allem konnte mich der Band nicht überzeugen.

Geschlossene Räume
Abenteuerband
Heiner Jörhs, Benjamin Ramisch
Pegasus Press 2021
ISBN: 978-3-96928-020-1
72 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 9,95

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