Genesis 1: Eis

Dass so eine Kreuzfahrt ziemlich langweilig werden kann, glaubt man Ben sofort. Statt sich mit seinen Eltern an Deck oder bei den – zugegebenermaßen – stark eingeschränkten Aktivitäten an Bord der Princess of the Dawn die Zeit zu vertreiben, verbringt der Junge seinen Urlaub meist alleine, vor dem DVD-Player in seiner Passagierkabine. Eben gelangweilt. Wenn da nicht die Albträume wären, Vorboten eines drohenden Unheils aus der Tiefe der Zeit.

von Christian Humberg

 

 

Robert Cravens Erben

„Kinder an die Macht“, schrie Herbert Grönemeyer einmal; bei „Eis“, dem ersten Band einer neuen Großen-Alten-Trilogie aus der Fantasyschmiede Hohlbein, scheint es fast, als habe sich Hohlbeins beliebtester Serienheld Robert Craven dieser Forderung angeschlossen. Bereits vor Jahrzehnten widmete sich Wolfgang Hohlbein sehr erfolgreich dem Horror-Universum H. P. Lovecrafts. In Form der Bastei-Heftromanserien „Gespenster-Krimi“ und später „Der Hexer“ schilderte er die Abenteuer Robert Cravens, der unfreiwillig zum Kampf gegen Lovecrafts Große Alten gezwungen wurde, finstere Gottheiten aus der Frühgeschichte der Erde, die zu alter Macht aufsteigen wollten. Mit „Eis“ greift das Autorenpaar Heike und Wolfgang Hohlbein diese Thematik wieder auf, verlegt sie aber in die Neuzeit – und überlässt es zwei Jugendlichen, die Welt vor der drohenden Rückkehr der Lovecraftschen Monster zu bewahren.

Shogotten aus Eis

Protagonist dieser auf drei Bände angelegten Erzählung ist der junge Ben Berger. An Bord des Kreuzfahrtschiffes Princess of the Dawn hat es ihn in arktische Gewässer verschlagen, wo Crew und Passagiere einige böse Entdeckungen machen müssen. Denn es ist längst nicht alles in Ordnung auf Kapitän Schulz’ Luxuskahn.

Was ist zum Beispiel mit Harry, diesem zwielichtig-unfreundlichen… Söldner? Soldaten? Piraten?... und seiner nicht minder fragwürdigen Truppe? Tief im Schiffsinneren haben sie Ausrüstung gelagert, von deren wahrem Charakter nicht einmal der Kapitän weiß. Es scheint, als solle Harrys Mannschaft die Princess beschützen – doch welche Gefahren drohen schon auf einer Kreuzfahrt?

Ben hat da konkrete Vorstellungen: Immer wieder träumt er davon, im ewigen Eis der Arktis gegen Krieger anzutreten, die aus Eis zu bestehen scheinen. In seinem Traum haben diese gesichtslosen Wesen bereits den Großteil der Passagiere und Besatzung getötet und auch er scheint ihnen nicht mehr zu entkommen. Unnötig zu erwähnen, dass sich Teile des Traumes nach und nach als real herausstellen – zum Beispiel Sasha, ein autistisches Mädchen, das ebenfalls an Bord der Princess ist und auf Ben eine ganz eigenartige Faszination ausübt. Ben spürt, dass das Schiff auf eine Konfrontation mit dem Unbekannten zusteuert. Und dass es diese verliert.

Tatsächlich dauert die Urlaubsruhe nicht lange an. Nach der Begegnung mit etwas, das wohl nur als Geisterschiff durchgehen kann, manövriert sich die Princess im Eiswasser fest. Da auch sämtliche Funkverbindungen ausfallen, kann nur der Fußmarsch zu einer nicht allzu entfernt gelegenen Wetterstation noch helfen – dort bestünde die Möglichkeit, Hilfe zu rufen. Doch der Weg wird für viele zum letzten Gang, denn die Männer und Frauen der Princess werden im Eis bereits erwartet – von den gesichtslosen Wesen aus Bens Traum…

Start mit Längen

Dem Gesetz der Serie folgend, dürfte die Rückkehr der Großen Alten mit eindeutig benamsten Schiffen in Verbindung stehen: Robert Craven machte seinerzeit an Bord der Lady of the Mist Erstkontakt mit diesen finsteren Gesellen, für Ben Berger hält die Princess of the Dawn nun ähnliche Erfahrungen bereit. Vielleicht sollte man Kreuzfahrtschiffen nicht länger diese Frau-plus-Natur-Namen geben, da kommt nichts Gutes bei rum…

Nichts Geringeres als die jugendbuchgerecht aufgearbeitete Rückkehr der Großen Alten präsentieren uns die Hohlbeins in ihrer „Genesis“-Trilogie, und der Anfang versteht schon mal zu unterhalten. Die Hohlbeinsche Figurenzeichnung ist so treffend und sympathisch wie eh und je: Der bewusst schnoddrig-oppositionelle Grundtenor der Hohlbeinhelden macht auch aus Ben Berger einen sehr plastischen und zugänglichen Charakter, mit dem sich die jungen Leser sicher leicht identifizieren können.

Der Plot von „Genesis 1: Eis“ bewegt sich sicher und spannend auf die Konfrontation mit den Eiswesen und den wirklich beachtlichen Cliffhanger zu, bedient sich dabei aber auch einiger Abwege, um die gut 350 Seiten zu füllen. Es ist natürlich nicht möglich, eine Trilogie schon nach dem ersten Band zu beurteilen, aber manche Stellen aus „Eis“ erwecken zumindest bei diesem Rezensenten die Vermutung, schlicht retardierende Elemente zu sein und die Haupthandlung in die gewünschte Länge zu ziehen. Dabei sind aber auch diese Passagen gewohnt flüssig und spannend geschildert, die Hohlbeins verstehen ihr Handwerk und kennen ihre Leser eben.

Fazit: Hohlbeins „Eis“ ist der erste Band einer Trilogie, die den siebzehnjährigen Ben Berger und seine Schiffskameradin Sasha in Konfrontation mit den Großen Alten bringt, finsteren Gottheiten aus der Vergangenheit, die ihre Rückkehr vorbereiten. Es liegt an den jugendlichen Helden, diese zu verhindern. „Eis“ bereitet dabei den Weg für spätere Kämpfe und Entwicklungen. Das Autorenpaar Hohlbein schreibt in gewohnter Qualität und dürfte mit diesem Buch besonders seine jungen Fans wieder ansprechen. Dem Roman selbst muss man zwar attestieren, dass er sich zu Beginn durchaus Zeit lässt, doch verstehen es die Autoren gleichzeitig, Andeutungen spannend zu verpacken.


Genesis 1: Eis
Wolfgang & Heike Hohlbein
Horror/Mystery-Roman
Ueberreuter 2006
ISBN: 3800052571
350 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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