Und faszinierend sind das Land und seine Geschichte durchaus. Ein wahrer Schmelztiegel ist Marokko in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts. Römer, Griechen und Phönizier haben ihre Spuren hinterlassen. Das antike Reich der Karthager hatte dort sein Zentrum, Berber und Araber bestimmten über Jahrhunderte die Geschicke, während in den letzten Jahren Spanier und Franzosen das Land am Maghreb in ihren zweifelhaften Schutz genommen haben.

Dies schafft einerseits Raum für spannende politische und gesellschaftliche Szenarien, denn jedes Volk hat natürlich auch „Gäste“ ins Land gebracht. Doch im vorliegenden Band geht es nicht nur um das Mythos-Geschehen in Marokko. Fast die Hälfte des 80 Seiten schlanken Softcovers widmet sich Geschichte, Gesellschaft, Sitten und Gebräuchen des Landes. Ein zügiger Umriss beschreibt die Währung, landesspezifische Speisen und Kleidung. Einzelne Kapitel widmen sich den Metropolen Rabat und Casablanca. Dabei werden wichtige Gebäude und Personen beschrieben, während kurze Exkurse historische oder politische Hintergründe für die Örtlichkeit geben.

Im folgenden Kapitel über die Gebirge und Wüsten, allen voran natürlich die Sahara, erhält der Leser eine kurze Beschreibung der landestypischen Topographie, gespickt mit Informationen über das Reisen in der Wüste, Beduinen und Oasen. Leider bleibt bei der Kürze der Publikation wenig Raum für ausführliche Beschreibungen oder Schilderungen. Wer also Material in Fülle des „London“-Bandes erwartet, wird enttäuscht werden. Dafür ist aber auch die Preisklasse eine ganz andere. Kurz angerissen werden Konflikte, die zur Zeit des französischen und spanischen Protektorats in Marokko schwelen, außerdem werden die wichtigsten Kulte von Mythos-Göttern erwähnt.

Die beiden folgenden Abenteuer sind sicher nicht unbedingt für Anfänger geeignet, da sie einerseits eine Menge Vorarbeit vom Spielleiter fordern, und andererseits auch den Spielern selbst einiges an spielerischem Geschick abverlangen, um sie mit Erfolg zu bestreiten. Dafür sind die dahintersteckenden Ideen durchaus innovativer und werden länger im Gedächtnis bleiben als die übliche Abenteuer-Kost. Mehr soll über „Die Tafeln von Ur-Nanshu“ und „Zwischen den Zeiten“ aber hier auch gar nicht verraten werden.

Abgerundet wird der Band durch fünf kurz auf einer halben Seite skizzierten Abenteuerideen, sowie Handouts und Spielwerten für die im Band vorgestellten Charaktere.

Fazit: Bei ordentlichem Preis-Leistungsverhältnis bietet „Geheimnisvolles Marokko“ eine Menge an Ideen und Anregungen, verlangt aber dem Spielleiter noch einiges an Arbeit ab. Dann kann der Band aber als Sprungbrett für eine ganze Kampagne oder zumindest einige spannende Szenarien in Marokko dienen. Und diese Abwechslung dürfte vor allem Spielern und Spielleitern, die mal einen Tapetenwechsel vom ewigen Arkham und Goldene-Zwanziger-in-Berlin brauchen, sehr willkommen sein.