Freihändler: Lockruf der Weite

Die Koronusweite ist ein gefährlicher Ort voller Mysterien und verlorener Welten, von denen es in Sagen heißt, dass sie die unvorstellbarsten Schätze bergen. „Scheue Perle“ ist ein solcher Planet, um den sich unzählige Sagen ranken, doch keiner weiß, wo man ihn finden kann. Als dann Gerüchte zu hören sind, dass der Ort bald bekannt gegeben wird, ist das der Moment, an dem sich viele Freihändler auf die Schatzsuche begeben.

von Sebastian Thies

Bei „Lockruf der Weite“ handelt es sich um ein Kampagnenbuch für das „Warhammer 40.000“-Rollenspiel „Freihändler“, welches drei Abenteuer enthält, die zusammen eine Kampagne bilden. In den jeweiligen Kapiteln zu den einzelnen Abenteuer gibt es zwar auch Vorschläge, wie man diese eigenständig spielen kann (der zweite Teil beherbergt dann sogar fünf separate Kurzabenteuer), jedoch dürfte das den Spielspaß eher vermindern. Ebenfalls würden einige Elemente, die nur Sinn ergeben, wenn man den Band als ganze Kampagne spielt, wegfallen, die dem ganzen Abenteuer eine gewisse Würze verleihen.

Und diese Elemente sind es, die das Abenteuer für den Meister etwas komplizierter gestalten, als das Groß anderer Kaufabenteuer. Neben den Charakteren, die sich mit Beginn des Abenteuers auf eine Schatzsuche begeben, gibt es noch eine Reihe an NSC-Freihändlern, die ebenfalls nach dem großen Reichtum gieren und diese müssen verwaltet werden. Es gibt zwar an den Kernstellen im Abenteuer Vorschläge, wie sich die NSC verhalten, wenn sie denn ins Geschehen eingreifen, aber wenn man dem Ganzen nicht das Gefühl geben will, dass das Aufeinandertreffen gescripted ist, muss man etwas mehr Arbeit investieren und berücksichtigen, wie sich die Spieler ihnen gegenüber verhalten haben und ob es überhaupt möglich ist, dass sie an den bestimmten Stationen aufeinandertreffen können.

Bei der Schatzsuche handelt es sich um eine Art Schnitzeljagd. Zu Beginn erfährt die Spielergruppe, dass in „Aufbruch“, einem Raumhafen in einem Asteroidenfeld an der Grenze zum Calixis-Sektor, eine Prophezeiung stattfinden soll, die den Ort der verschollenen Welt „Scheue Perle“ preisgeben soll, doch schon die Teilnahme an dieser Prophezeiung stellt sich als problematisch dar. Die Spieler können schon hier das erste Mal auf ihre Konkurrenten treffen und sie sich zu Freunden oder Feinden machen.

Mit der Prophezeiung im Gepäck und  den Rivalen im Nacken geht es auf den Weg durch die Koronusweite und die erhoffte kurze Reise zum Ziel entpuppt sich als eine Schnitzeljagd, bei der man mehrere mysteriöse Welten besuchen muss, um die Koordinaten des Ziels zu erhalten. Und wer dann glaubt, er könnte seinen Lohn einfach so einstreichen, wird bei dem fulminanten Finale, dem dritten Kapitel, eines Besseren belehrt.

Während die Handlung im ersten Kapitel noch recht stringent vor sich hin läuft, ist es den Spielern im zweiten Kapitel selbst überlassen, wie sie voranschreiten. Die Schnitzeljagd führt sie zu bis zu fünf (sechs wenn man noch das extra Kapitel von der Internetseite von FFG dazu nimmt) verschiedenen Orten in der Koronusweite, jeweils mit einem Hinweis zum Ziel der Reise. Es ergibt sich jedoch auch jedesmal für die Gruppe die Möglichkeit, ein Abenteuer zu erleben, je nachdem, ob die Gruppe sich Zeit nimmt, die mysteriösen Planeten zu erkunden oder ob sie gleich wieder weiter zieht, wenn sie den Hinweis gefunden hat.

Sollten die Spieler sich dazu entscheiden, die kleinen Abenteuer zu missachten und sich ganz auf das Ziel der Hauptaufgabe zu konzentrieren, geht viel Flair des Abenteuers verloren, da man hier die Vorteile des großen „Warhammer 40.000“-Universums, mit all seinen irrwitzigen und spannenden Welten, erleben kann. Der Meister sollte also versuchen, den Spielern das Gefühl zu vermitteln, dass man auch schon auf der Reise zum Schatz viel gewinnen kann. Mit dem Flair ist das bei der deutschen Version aber auch so seine Sache. Alle Begriffe und Eigennamen sind aus dem englischen Übersetzt worden. Das mag ja bei Namen wie „Fels Hand“ oder „Hammer der Wahrheit“ nicht so problematisch zu sein, aber „Dread Pearl“, das Ziel des ganzen Abenteuers, in „Scheue Perle“ zu übersetzen, mag zwar vom Sinn des verschollenen Planeten her passend sein, hört sich aber einfach nur lächerlich an und trübt jedes Mal die Stimmung, wenn es denn erwähnt wird. Und solche Sachen kommen leider immer wieder vor. Die Übersetzung im Ganzen ist auch nicht wirklich erfreulich, da die Satzkonstruktionen teilweise zu Missverständnissen führen, wenn man sie überhaupt versteht. Mehrmaliges Lesen ist bei diesem Abenteuer also nicht nur wegen der Schwierigkeit des Abenteuers an sich nötig.

Ebenfalls sollte sich der Spielleiter überlegen, ob er nicht hin und wieder einige Fertigkeitsproben einfacherer gestalten will, als es in der Kampagne vorgesehen ist. Insbesondere wenn es darum geht, ob die Charaktere Hintergründe kennen oder verstehen. Zwar kommen die Spieler auch ohne das Wissen, welches sie unterwegs erhalten können, bis zum Ziel, aber häufig ist es dann so, dass die Charaktere und auch Spieler nicht wissen, warum manches so ist wie es ist. Dies kann zu frustrierten Spielern führen beziehungsweise zu einem frustrierten Spielleiter, wenn die Charaktere einfach nur noch die Punkte abarbeiten, ohne zu wissen warum.

Das mag sich jetzt zwar eher negativ anhören, aber wenn man erst einmal mit dem Abenteuer angefangen hat, sieht man was für ein Potenzial in ihm steckt. Man erkennt die große Bandbreite des „Warhammer 40.000“-Universums und kann tief in diese skurrile Weltenschöpfung eindringen. Einige der Sequenzen in dieser Kampagne sind so vortrefflich gestaltet, dass man hier Abenteuer erleben kann, über die man sich noch lange unterhalten kann.

Fazit: „Lockruf der Weite“ ist eine Kampagne, in die der Spielleiter schon etwas an Arbeit stecken muss. Einfach das Buch aufschlagen, überfliegen und dann leiten ist nicht möglich, aber dafür kann man, mit etwas Arbeit, hier eine Kampagne spielen, die einen zehn und mehr Spielabende (je nachdem wie tief die Spieler und der Spielleiter in die Welt eindringen wollen) gut zu unterhalten vermag. Hier können die Spieler fantastische Welten erforschen, Schätze finden und Erzfeinde oder Verbündete für ihre zukünftigen Abenteuer gewinnen.


Freihändler: Lockruf der Weite
Kampagnenband
Sam Stewart
Heidelberger Spieleverlag / Feder&Schwert 2010
ISBN: 978-3-86762-089-5
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 34,95

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