Feldberichte: Psychonauten

Die Menschheit kämpft ums Überleben und das gleichzeitig an mehreren Fronten. Im zweiten Quellenbuch zum Rollenspiel „Degenesis“, „Feldberichte: Psychonauten“, wird besonderes Augenmerk auf das Ringen mit der Psychonautischen Bedrohung und dem Primer gelegt. In zahlreichen Berichten und Erzählungen erfährt der Leser mehr über die vielleicht schlimmste Bedrohung in den Weiten der „Degenesis“-Welt. Die Spitalier tragen den Kampf zum Feind. Doch können sie ihn auch gewinnen?

von Marcello Marceddu

 

Man sagt „Das Auge isst mit“ und so fällt einem beim Betrachten der „Feldberichte“ doch sofort der etwas magere Umfang auf. Knapp 118 Seiten sind es geworden, die uns neue Erkenntnisse über die Endzeitwelt und ihre Tücken bringen sollen. Wieder komplett in Schwarz-Weiß gehalten, wird die künstlerische Linie aus den bereits bekannten Produkten beibehalten. Wie immer ist das Innenlayout eher dem künstlerischen Aspekt untergeordnet und trägt manchmal dazu bei, dass man regelrecht vom Text abgelenkt wird.

Wie bei den früheren Produkten war ich auch diesmal sehr gespannt, ob das Artwork mit dem hohen Standard des Grundregelwerks mithalten kann. Leider muss ich sagen, dass dies nicht ganz geschafft wurde. Sicherlich hat man nach dem Weggang von Marko Djurdjevic immer noch ein hochkarätiges Team, bestehend aus Klaus Schwerinski, Tobias Mannewitz und Eva Widermann, doch sind einige Illustrationen nicht von der Qualität, die uns bislang verwöhnte. Überwiegend wurde sehr stimmig und wunderschön gezeichnet, sodass man sich förmlich in den Bann der Welt gezogen fühlt, aber manches Mal wurde leider ungewohnt lieblos skizziert. Besonders bei zahlreichen Schaubildern, die wohl authentisch wirken sollen, entsteht bei mir zumindest das Gefühl, dass diese nicht zum Rest des Buches passen. Das ist wirklich sehr schade, weil gerade die Artworks immer dazu beitragen haben, die wunderbare Endzeitstimmung zu übermitteln und „Degenesis“ von anderen Produkten abzuheben.

Auch wenn das neue Werk in einem stabilen und schmucken Hardcover-Einband daherkommt, täuscht das nicht darüber hinweg, dass man für fast 30,00 Euro nicht wirklich ein Schnäppchen gemacht hat. Das ist schon ziemlich an der Schmerzgrenze für ein Quellenbuch mit solchem Umfang.

Zu Beginn des Buches gibt es eine kleine Einführung zu dem, was uns auf den nächsten Seiten erwartet. Dort wird einem gesagt, dass „Feldberichte“ immer eine gewisse Ungenauigkeit in sich bergen. Da dieses Quellenbuch hauptsächlich aus der Sicht der Spitalier oder Wiedertäufer (zwei Kulten aus der „Degenesis“-Welt, die so gar nicht gut auf Psychonauten zu sprechen sind) geschrieben wurde, soll der Leser nun selber herausfinden, ob die Behauptungen stimmen oder gar einfach frei erfunden sind. Das ist ein gewagter Ansatz und lässt viele Interpretationsmöglichkeiten zu.

Wie versprochen setzten sich die „Feldberichte“ wirklich aus vielen Erzählungen, Berichten, Gerüchten und Sagen zusammen. Vieles wird einfach im Raum stehen gelassen und wirft manchmal mehr Fragen auf, als dass es welche beantwortet. Sicherlich sind einige der Kurzgeschichten, die immer wieder eingestreut werden, sehr spannend zu lesen und erzeugen einen guten Eindruck davon, wie es an der Front im Kampf gegen die Psychonautische Bedrohung sein muss. Nur sind die darin enthalten Informationen manchmal wirklich so vage oder unvollständig, dass man Schwierigkeiten als Spielleiter hat, diese in irgendeiner Weise einzuordnen.

Das ständige Springen von einem zum nächsten Bericht ist als chaotisch zu bezeichnen und für manchen Leser sicherlich nicht immer ganz nachzuvollziehen. Zudem lassen sich im ganzen Buch immer wieder wissenschaftliche Dossiers finden, in denen mit medizinischen oder biologischen Begriffen so um sich geworfen wird, dass einem schwarz vor Augen wird. Das mag authentisch sein, überfordert allerdings den Otto-Normal-Leser. Hier und da versteckt sich zwischen den ganzen Informationen sogar eine neue Spielregel oder ein spielrelevanter Gegenstand.

Ein paar neue NSC werden auch wieder vorgestellt, sobald man über eine neue Region informiert wird. Diese NSC haben allesamt gemeinsam, dass sie dem Kult der Spitalier angehören und dann im Verlaufe des Buches nicht mehr auftauchen. Diese sollen dem Spielleiter wohl dazu dienen, regionsspezifische NSC in seinen Plot einzubauen.

Am Ende des Buches findet sich sogar etwas Handfestes, mit dem man wirklich als Spielleiter arbeiten kann. Das erste Mal werden alle Psychonauten (eine Art neue Rasse oder Mutation, die aus dem Menschen entsteht) klassifiziert und in Gruppen eingeordnet. Hier gibt es sogar Regeln zum Einsetzten der Kräfte und Fähigkeiten sowie eine ausführlich Beschreibung der Wirkungsweise. Dieser Teil ist wirklich gut strukturiert  und bietet eine breite Palette an Gegnern oder vielleicht an Verbündeten. Man soll ja schließlich selbst entscheiden, ob die Psychonauten eine Bedrohung oder gar doch die Zukunft sind.

Fazit: „Degenesis“-Fans können sicherlich einige interessante Stunden mit diesem Buch verbringen. Man sollte sich nur im Klaren sein, dass man hier kein übliches Quellenbuch bekommt, sondern mehr eine Art Puzzle, das man erst zusammensetzen muss. Das ganze Werk ist immerhin spannend und flüssig zu lesen. Vielleicht klären sich manche Fragen, die aufgeworfen werden, ja durch Folgepublikationen auf. Allen, die nicht jedes „Degenesis“-Produkt besitzen müssen, sei getrost gesagt, dass man lieber zum ersten Quellenbuch „Justitan“ greifen sollte. Dort gibt es mehr fürs Geld und den Wissenshunger. Wer sich nicht schlüssig sein sollte, was er will, kann auf www.degenesis.de einen Teil des Buches im PDF-Format anlesen und sich selbst einen Eindruck verschaffen.


Feldberichte: Psychonauten
Quellenbuch
Christian Günther, Alexander Malik, Bernhard Driller
Sighpress 2006
ISBN: 3-939688-00-2
118 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 28,95

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