von Fiona Phoenix
Finstere Geschichten
Eigentlich begann alles in Colins Kindheit, die er so entschlossen zu vergessen sucht. Und das gelingt ihm, seit er den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen hat, auch ganz gut. Aber sein Leben droht auseinander zu fallen, als sein Freund Arthur einen tödlichen Autounfall hat und Colin am selben Tag noch mitgeteilt wird, dass sein Bruder und seine Mutter verschwunden sind. Colin, der ein Verdächtiger in allen drei Fällen zu sein scheint, wird nun von einem Inspektor verfolgt und soll außerdem noch eine Konferenz seiner Firma leiten. Trotz allem entscheidet er sich, sein erarbeitetes Leben aufzugeben und nach Schottland zu fahren, um dem Verschwinden seines Bruders auf den Grund zu gehen.
In Schottland angekommen trifft Colin seine Jugendliebe, das Friedhofsmädchen Livia wieder, und die beiden verlieben sich erneut. Gemeinsam bringen sie nun Colins Vergangenheit wieder ans Licht und suchen nach Colins Bruder. Dabei decken sie viele Geheimnisse auf, und schließlich häufen sich die merkwürdigen Ereignisse immer mehr. Was hat es mit diesen exotischen Vögeln auf sich, die ab und zu auftauchen und eine seltsame Melodie zu pfeifen scheinen? Weshalb war das Unfallauto von Arthur angeblich voller bunter Federn gewesen? Wie konnte es möglich sein, dass eine Zeugin Colin bei einem Treffen mit Arthur gesehen hatte, obwohl er nie ein solches Treffen gehabt hat? Weshalb war sein Bruder Danny kurz nach dem Verschwinden ihrer Mutter nach Raivenscraig zurückgekehrt, obwohl er seine Vergangenheit genauso zu vergessen suchte wie Colin?
Und schließlich muss Colin begreifen, dass die furchtbaren Geschichten, die ihre Mutter den Brüdern früher als Strafe für Ungehorsam oder schlechte Noten erzählt hatte, nicht nur in den Köpfen von ihm und seinem Bruder wahr wurden, sondern auch in Wirklichkeit. Und dass sie auch andere Leben damit zerstört hat. Aber woher hatte seine Mutter diese Fähigkeit? Weshalb und wohin waren sie und sein Bruder verschwunden? Colin und Livia haben keine Ahnung, wo sie beginnen sollen, als plötzlich eine Madame Redgrave auftaucht und Colin ein Angebot macht, das er nicht ablehnen kann. Und dann überstürzen sich die Ereignisse…
Nostalgie und andere Klischees
Die Geschichte beginnt sehr sanft und man benötigt schon die richtige Stimmung, um den langsamen Spannungsanstieg nicht als langweilig oder zäh zu empfinden. Die Charaktere werden sehr liebevoll beschrieben und zumindest in den Hauptcharakter konnte man sich gut hineinversetzen. Leider sind die Nebencharaktere etwas flach und die plötzlich wiedererwachte Liebe zwischen Colin und Livia, die nun nicht mehr Jugendliebe, sondern Liebe fürs Leben zu sein scheint, kommt etwas unglaubwürdig daher.
Die Idee der Mutter, die Geschichten durch ihr Erzählen Wirklichkeit werden und die Jungen darin verschwinden lassen kann, ist sehr interessant und jagt einem beim Lesen oftmals kalte Schauer über den Rücken. Leider werden diese Episoden immer nur in schaurigen Rückblicken erzählt, es wird aber weiter daraus in der Gegenwart nichts gemacht. Auch die unzähligen Hinweise darauf, dass Colin dieses Talent geerbt hat, verbleiben als Plotfäden mit lose baumelnden Enden.
Nach der Hälfte des Buches kommt ganz plötzlich (endlich) Fahrt in die Geschichte. Leider sind die erscheinenden Gegenspieler so seltsam, ja metaphorisch, dass sie so gar nicht in eine bisher relativ bodenständige Handlung zu passen scheinen. Was vorher als mit leichtem Grusel und nostalgischen Rückblenden versetzte Geschichte erschien, wird plötzlich zur surrealen Achterbahnfahrt. Der Übergang ist etwas zu spontan.
Schließlich wird das Ganze mit einem abrupten Ende versehen, und wer bisher glaubte, die Charaktere beziehungsweise den Hauptcharakter zu kennen, wird überrascht. Das Ende ist einfallsreich und unerwartet. Ich allerdings hatte das Gefühl, dass sich der Charakter da etwas feige aus der Affäre gezogen hat und deshalb und weil es eben ein so kurzes, abruptes Ende war, fand ich es relativ unbefriedigend.
Fazit: „Fabula“ ist eine einfallsreiche Geschichte mit interessanter und ausbaufähiger Plotidee. Der Einstieg ist etwas langwierig, im Gegensatz dazu folgt eine etwas zu turbulente und abstrakte zweite Hälfte. Skurrile Gegenspieler, die in der Geschichte irgendwie fehl am Platz wirken, verwirren den Leser zudem und das plötzliche Ende mag für manchen leicht unbefriedigen wirken. Das ist schade, denn die Idee war gut und hätte noch besser ausgebaut werden können.
Fabula
Fantasy-Roman
Christoph Marzi
Heyne 2007
ISBN: 978-3453523272
700 S., broschiert, deutsch
Preis: EUR 14,00
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