Erben des Schwarzen Eises III – Tauwetter

Eine ganze Abenteuerkampagne, konzipiert für Einsteiger in die Thematik „Das Schwarze Auge“ und nur mit den Basisregeln spielbar – so ist die Kampagne „Erben des Schwarzen Eises“ konzipiert worden. Die Einsteigerhelden dürfen mit Ihren Taten auch tatsächlich zum Ende einer der berüchtigten Heptarchien beitragen. Mit dem ersten Band der Trilogie, „Frostklirren“, begann die Kampagne recht gemächlich, nahm aber mit „Feuerbringer“ mehr Fahrt auf. Nun liegt also mit „Tauwetter“ der dritte und abschließende Teil der Kampagne vor.

von André Frenzer

 

Der erste Band der Kampagne führte die Charaktere vom bornländischen Festum aus in den hohen Norden Aventuriens bis nach Paavi. Hier trafen sie zwar nicht mehr auf die Eishexe Glorana, die inzwischen den Rückzug angetreten hatte, wohl aber auf einen Haufen anderer Probleme und nicht zuletzt die Herzogin Geldana, die mit eiserner Faust in Paavi herrscht. Im zweiten Teil der Kampagne kam es zu einem Wiedersehen mit alten Bekannten, neue Nichtspielercharaktere wurden eingeführt und die Geschichte rund um die Helden in Paavi wurde fortgeführt. Dabei wurden die Aufgaben der Charaktere zunehmend epischer und gipfelten in einer denkwürdigen Begegnung mit dem Vater aller Frostwürmer. In „Tauwetter“ nun soll die Geschichte um Paavi zu einem vorläufigen Ende für die Helden geführt werden. Ein Wort der Warnung: Die Beschreibung der Szenarien kommt nicht ohne Spoiler aus, sodass zumindest die nächsten vier Absätze für Spieleraugen tabu sein sollten.

Wie auch schon die ersten beiden Bände enthält „Tauwetter“ vier Szenarien, die nun allerdings eng miteinander verzahnt sind und kaum für sich alleine stehen können. Den Startschuss gibt „Zorneswogen“. Während eine Hungersnot die Einwohner Paavis plagt, bekommen die Charaktere gleich doppelten Ärger: Zum einen geraten sie wieder einmal mit der Obrigkeit Paavis aneinander und müssen an der Seite eines engen Verbündeten, dem eigentlich rechtmäßigen Herzog Dermot, aus der Stadt fliehen. Während sie in der Steppe als Unterhändler mit verschiedenen Nivesenstämmen zusammentreten, um ein Bündnis gegen Herzogin Geldana zu schmieden, wird die Stadt unversehens von räuberischen Thorwalern angegriffen. Die Helden müssen eingreifen, um zu retten, was noch zu retten ist. Ein action- und abwechslungsreicher Einstieg, der gut gelungen ist.

Das nächste Abenteuer, „Der Leuin Wahn“, führt die Charaktere nach Eestiva. Eigentlich sind sie weiter auf dem Weg in den Süden, wo sie im Auftrage Dermots in Bjaldorn um Unterstützung für den bevorstehenden Sturm auf Paavi bitten sollen, doch in der eigentlich beschaulichen Lettastadt Eestiva hat sich vieles getan: Hier stoßen sie auf eine alte Bekannte aus den Vorgängerbänden, die Rondrageweihte Sulja Avirion von Festum – doch die Seite, auf der ihre ehemalige Weggefährtin steht, ist längst nicht mehr so einfach zu definieren wie noch vor einigen Monaten … ein Zwischenspiel, dass endlich wieder einmal das Wort über das Schwert stellt und wiederum weichenstellend für das große Finale fungiert.

Im dritten Szenario, „Das schmelzende Reich“, fordert der Frostwurm Shirr’Zach von den Helden einen Gefallen. Kaum erfolgreich aus Bjaldorn zurückgekehrt müssen sie auf „dringende Bitte“ des Drachens hin einen Eispalast der Heptarchin Glorana betreten. Ein gefährliches Unterfangen, dass sie auch wieder einmal auf dämonische Widersacher treffen lässt. Ein eher uninteressanter Dungeoncrawl; das haben die Vorgängerbände bereits besser gelöst.

Im letzten Abenteuer, „Roter Schnee“, kommt es zum finalen Sturm auf Paavi durch Dermot, seine Verbündeten und die Helden. Je nachdem, wie geschickt sich die Charaktere in den Vorgängerabenteuern angestellt haben, stehen ihre Chancen schlecht, schlechter oder sehr schlecht. Doch was wäre die aventurische Geschichte ohne echte Helden? Das Szenario ist voller Optionen für den Spielleiter, voller hilfreicher Tipps, wie er die richtige Dramatik erzeugen kann, voller grandioser Szenen, an denen die Helden teilhaben können. Doch leider – und das ist ein Fluch der lebendigen Geschichte Aventuriens – bleibt der finale Streich den Charakteren versagt. Namen unzähliger Spielerhelden passen nun einmal nicht in das Nachrichtenmagazin „Aventurischer Bote“, sodass die Lösung aller Probleme wieder einmal einem NSC obliegt und die Helden einmal mehr nicht echte Helden, sondern Zuschauer aus der ersten Reihe sind.

Es schließt sich ein umfangreicher Quellenteil mit einem Überblick über die weiteren Geschehnisse an (aus dem ein Spielleiter nun auch Anschlussabenteuer generieren mag) sowie ein ausführlicher NSC-Katalog. Technisch bietet der Band keine großen Überraschungen. „Tauwetter“ ist wie üblich komplett in Schwarz-Weiß gehalten, mit einem klar lesbaren Schriftbild, deutlichen Absätzen und Illustrationen von guter bis gehobener Qualität – und auch in ausreichender Quantität. Abgerundet wird der optisch gute Gesamteindruck durch schick gemachte Handouts und Karten.

Fazit: „Tauwetter“ bietet ein denkwürdiges Finale für die Kampagne „Erben des schwarzen Eises“, liefert abwechslungsreiches Material, das Arm und Geist gleichermaßen fordert, und drückt auch vom Tempo ordentlich auf die Tube. Technisch ist mal wieder alles einwandfrei, und die Gestaltung der Abenteuer sollte nicht allzu schwer fallen, auch wenn die Szenarien natürlich komplexer als in den Vorgängerbänden veranlagt sind. Einziger und großer Minuspunkt ist die angesprochene Degradierung der Spielerhelden zu Zuschauern gerade im großen Finale. Wer sich um die „offizielle“ Geschichtsschreibung nicht schert, kann hier aber leicht Abhilfe schaffen. Insgesamt erhält der Band von mir eine gute Note.


Erben des Schwarzen Eises III – Tauwetter
Kampagnenband
Oliver Hoffmann, Julia Becker, Oliver Graute, Hendrick Seipp
Ulisses Spiele 2013
ISBN: 978-3-86889-711-1
112 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,50

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