von Frank Stein
Und es begab sich...
Auf den ersten Blick erscheint „Eragon“ eines jener Bücher zu sein, die ihren Erfolg vor allem der außergewöhnlichen Geschichte ihres Autors verdanken. So schrieb Christopher Paolini, so wird kolportiert, das Buch bereits im zarten Alter von 15 Jahren. 2002 wurde es im Verlag seiner Eltern herausgegeben und danach zog der junge Christopher mit seiner Mutter durch Amerika, um 130 Buchsignierungen und Präsentationen zu absolvieren. Irgendwann wurde dann eine Lektorin von Knopf Books auf den Jungen und seine Fantasy-Erzählung aufmerksam. Man sicherte sich die Rechte, nahm noch ein paar „leichte Überarbeitungen“ vor und dann wurde eine gewaltige Werbekampagne gestartet, die eben die obigen Zeilen zum Inhalt hatte und „Eragon“ dadurch zum Bestseller avancieren ließ. Als schließlich noch Hollywood anklopfte, um die Geschichte zu verfilmen, die mit ihrer einfacher Erzählstruktur und den potenziell großartigen Schauwerten wie geschaffen für den allweihnachtlichen Fantasy-Blockbuster schien, war das Glück perfekt.
Heute ist Christopher Paolini Anfang Zwanzig, hat bereits den zweiten Band der (jetzt) Trilogie mit dem Titel „Der Auftrag des Ältesten“ geschrieben und wartet sicher voll Spannung auf die Premiere des Kinofilms mit Edward Speleers als Niemand, der zum Helden wird, Jeremy Irons als altem Mann, Djimon Hounsou als Oberrebellen und John Malkovich als Fiesling (perfekte Besetzung also). Doch was steckt nun wirklich in dem Hype-Roman um den Jungen Eragon und seine Drachendame Saphira, die in den klassischen Kampf Gut gegen Böse verstrickt werden?
Die Heldenreise des Jungen Eragon
Der Junge Eragon lebt mit seinem Onkel Garrow ein einfaches Leben nahe dem Dorfe Carvahall im Palancar-Tal im Nordwesten der Welt Alagaësia. Man kümmert sich um seine kleinen Geschäfte, vom Weltgeschehen künden bestensfalls die durchziehenden Kaufleute und von wundersamen Begebenheiten die Geschichtenerzähler – etwa der alte Brom. Dann entdeckte Eragon eines Tages ein seltsames Ei und aus diesem schlüpft ein Drache. In bester Lausbubenmanier versteckt Eragon seinen neuen Spielgefährten im Wald, zieht ihn – genau genommen sie – groß und freut sich, etwas zu besitzen, was sonst niemand hat.
Doch was wie eine Art „Lassie in Mittelerde“ beginnt, erhält dramatische Dimensionen, als eines Tages finstere Gestalten in Carvahall auftauchen und offenbar sehr an dem Verbleib des Dracheneis interessiert sind. Mit knapper Not kann Eragon ihnen entkommen, der Geschichtenerzähler Brom hilft ihm dabei. Doch Onkel Garrow fällt den Finsterlingen zum Opfer und so steht der Junge plötzlich als Waise da. Nur vom Zorn getrieben beschließt er, sich an die Fersen der Bösewichte zu heften und sie für ihre Greueltat bezahlen zu lassen. Brom schließt sich ihm an.
Doch auf ihrer Reise, die sie – natürlich – durch halb Alagaësia führt (wofür gäbe es sonst die Karte vorne im Buch), erfährt Eragon, dass ihn noch ein weit größeres Schicksal erwartet, als nur ein paar Schergen des tyrannischen Königs Galbatorix, denn genau um solche handelte es sich, zur Strecke zu bringen: Er trägt das Erbe der untergegangenen Drachenreiter in sich und es ist seine Bestimmung, den Lauf der Dinge in einer von barbarischen Urgals (lies: Orks) bedrängten und von einem gefühllosen Herrscher unterdrückten Welt zu ändern.
Alles, was ein Abenteuer braucht
Natürlich findet man als Kritiker in „Eragon“ einiges, was man kritisieren könnte. So merkt man dem Roman den Mangel an Jahren und der schriftstellerischer Erfahrung seines Autors stellenweise durchaus an. Die Wortgewalt eines Tad Williams sucht der kundige Fantasy-Roman-Leser in „Eragon“ vergeblich, die Komplexität der Handlungsgefüge eines G.R.R. Martin ebenso. Die Geschichte ist ziemlich gradlinig, ausschließlich aus der Perspektive Eragons erzählt und bedient praktisch alle Tagträume, die wir als Teenager auch in unseren Köpfen drin hatten: Man selbst – und Eragon ist sicher nicht grundlos genauso alt wie der Autor es damals war – ist der Held, findet eine Superwaffe, hält dank ihr den Schlüssel in der Hand, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, findet raue, aber getreue Reisegefährten und träumt natürlich von der sexy, pardon: anmutigen, Elfe, die man retten muss (und will).
Aber das alles ist gar nicht so schlimm – wenn man sich vor Augen führt, dass das Buch überhaupt nicht für leicht überhebliche und deutlich sarkastisch veranlagte Szenekenner und -rezensenten Mitte Zwanzig und aufwärts, für die gelungene Fantasy eben erst bei Elric von Melniboné oder J.R.R. Tolkien beginnt, geschrieben wurde, sondern eher für jüngere Semester, die sich auch von kleineren Wundern noch verzaubern lassen. „Eragon“ erzählt die alte Geschichte von der klassischen Heldenreise, vom Verlust der Heimat, der Lehrzeit unter einem Mentor, dem Wachsen und Erwachsenwerden im Laufe ungezählter kleiner Abenteuer und der finalen Konfrontation mit dem Bösen am Schluss. Dies gelingt Paolini durchaus mit viel Herz, vor allem für die Beziehung zwischen Eragon und Drachendame Saphira, einer guten Mischung aus Witz, Action, Spannung und Drama und natürlich der farbenfrohen Beschreibung einer fantastischen Welt, in die der Autor sicher immer wieder gerne eingetaucht ist und in die man sich auch als Leser für ein paar Stunden der Lektüre gerne versenkt.
Fazit: „Ungewöhnlich kraftvoll“ oder „ein großartiges Werk“ würde ich „Eragon“, im Gegensatz zu den Pressestimmen auf dem Buchumschlag, nicht unbedingt nennen. Doch das Fantasy-Abenteuer von Christopher Paolini ist auf jeden Fall gute Unterhaltung, die ihren Reiz vor allem aus der liebevoll beschriebenen Beziehung zwischen dem Knaben Eragon und der Drachendame Saphira zieht. Die abenteuerliche Reise quer durch die Welt Alagaësia gestaltet sich dabei als abwechslungsreich und ist weitgehend frei von der Düsterkeit, Komplexität und Brutalität anerkannter „Fantasy-Meisterwerke“. Eine schöne Lektüre für alle, die „Dragonheart“, „Märchenmond“ und „Star Wars“ mögen – oder so ähnlich...
Eragon Fantasy-Roman Christopher Paolini cbj 2004 ISBN: 3-570-12803-2 605 S., Hardcover, deutsch Preis: EUR 19,90 bei amazon.de bestellen (Hardcover) bei amazon.de bestellen (Broschur für 9,90 EUR)
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