equinox – Setting-Handbuch

Das Cover zeigt Krieger mit Lichtschwertern, zischende Strahlenkanonen, Energieblitze, die aus Händen zucken, eine gigantische Ringkonstruktion in einem Asteroidengürtel. Die Welt des Science-Fantasy-Rollenspiels „equinox“ scheint ein aufregender Ort zu sein. Also schauen wir sie uns doch mal an.

von Bastian Ludwig

Etwa 30.000 Jahre in der Zukunft. Die Erde wurde in einem Krieg zerstört, die Trümmer treiben als Ring durch die Weiten des Alls. Die Menschheit ist aufgeteilt auf fünf Reiche, die sich zum Konsortium zusammengeschlossen haben. Von außen werden sie von den Dämonen bedroht, Wesen von jenseits der physischen Welt, die den physischen Raum erobern wollen und dafür das Konsortium unterwandert haben.

Mystische Energie aus einer anderen Dimension erfüllt das Universum. Sie kann genutzt werden, um magische Effekte hervorzurufen, verwandelt Menschen in fremdartige „Subspezies“ und ermöglicht über den Umweg durch den Astralraum Reisen zwischen verschiedenen Sonnensystemen und sogar Galaxien. Und zwischen all dem leben die Vaganten, Rechtlose, Ausgestoßene, die im Niemandsland des Sol-Systems versuchen, über die Runden zu kommen und als Rebellen gegen das korrumpierte Konsortium zu kämpfen.

Das ist die Welt von „equinox“, einem Independent-Rollenspiel des Verlages Pro-Indie, das inzwischen in Zusammenarbeit mit dem Uhrwerk-Verlag auch in Printform auf den Markt gekommen ist. Die Welt von „equinox“ wird im vorliegenden Band völlig unabhängig von Regeln dargestellt, sodass sie auch zusammen mit anderen RPG-Systemen als dem „equinox“-eigenen Match-System, das im „equinox – Regel-Handbuch“ vorgestellt wird, eingesetzt werden kann.

Es ist nicht schwer zu erkennen, dass das „equinox“-Universum eine Mischung verschiedener Science-Fiction- und Fantasy-Settings ist, und die Macher gehen damit auch ganz offensiv um: Gleich zu Beginn des Buches werden die Einflüsse auf anderthalb Seiten aufgelistet. „Star Wars“ ist da ebenso dabei wie „Firefly“, „Farscape“ und „Babylon 5“, außerdem „Earthdawn“ und „Shadowrun“ und noch eine Reihe anderer Phantastik-Produktionen. Man kann das natürlich unoriginell finden, ich bin der Meinung, bei Rollenspielen ist das aber eine legitime, zum Teil sogar sehr sinnvolle Vorgehensweise. Es ist schwierig genug, sich als Rollenspieler in eine bestimmte Welt hineinzudenken, da ist es eine gute Hilfe, wenn man sich am Spieltisch auf kollektiv verfügbare Vorbilder berufen kann.

Die wichtigere Frage ist ja auch, was man aus seinen Vorlagen macht. Und bei „equinox“ lässt sich das wohl am ehesten als Science-Fantasy in einem Rebellion-Setting beschreiben. Rebellion ist natürlich erst einmal ein gutes Thema für ein Rollenspiel, sind doch ein äußerer Konflikt – die Auseinandersetzung mit der Obrigkeit – und eine Motivation für die Charaktere – die Bezwingung dieser Obrigkeit – quasi eingebaut. Und abseits davon lassen sich in einem Sonnensystem voller Raumschiffe, Raumstationen, Planeten und Asteroiden, voller Magie und unterschiedlicher, wenn auch im Ursprung menschlicher, Spezies allerlei Geschichten erzählen. Hier haben die Macher ein buntes Universum zusammengemischt. An Abwechslung mangelt es „equinox“ mit Sicherheit nicht.

Entscheidend für die Atmosphäre des Settings ist die Kombination von High-Tech auf der einen und Magie auf der anderen Seite. Beide Elemente stehen gleichberechtigt nebeneinander. Sie auch miteinander zu verbinden, funktioniert allerdings nicht so richtig. Das ist ja auch erst mal schwierig, schließen sich doch Wissenschaft und Magie grundsätzlich gegenseitig aus. Und in „equinox“ ist es dann auch so, dass die Magie als Energie aus einer anderen Dimension beschrieben wird, die allerdings physikalischen Gesetzen unterliegt und die von den Menschen durch Technologie, sogenannte Dimtech, gebändigt werden und nutzbar gemacht werden kann. Damit ist sie aber eigentlich keine Magie mehr, sondern schlicht ein physikalisches Phänomen, das vielleicht noch nicht bis ins Letzte erforscht wurde. Da knarzt es in der Narrative.

Der Eindruck wird unterstützt durch die Terminologie, die sich aus dieser Mischung ergibt. Eine hochentwickelte Kultur, die außerirdische Wesen mit einem klar übernatürlich konnotierten Begriff wie „Dämonen“ belegt, die einen Hyperraum als „Astralraum“ bezeichnet und die Nutzbarmachung eines physikalischen Phänomens als „Zauber“, wirkt wenig glaubhaft. Das ist meiner Ansicht nach auch der größte Schwachpunkt der „equinox“-Welt: Wer diese beiden Elemente nicht überein bringen kann, wird es mit der Immersion schwer haben.

Der Band verlässt sich ganz und gar auf teilweise etwas zu lange Fließtexte, aufgelockert durch Zitate von NP-Charakteren. Andere Textformen wie Tabellen oder Schaubilder gibt es kaum, Karten gar nicht, auch Illustrationen sind rar gesät. Natürlich ist „equinox“ ein Independent-RPG und Illustrationen sind teuer, allerdings ist der Band „equinox – Regel-Handbuch“ ziemlich reich bebildert. Diese Illustrationen hätte man ruhig noch einmal verwerten können, um ein plastischeres Bild der Spielwelt zu zeichnen.

Auffällig ist, dass viele Texte so etwas wie ausschweifende Monologe eines Ich-Erzählers sind, der dem Leser von der „equinox“-Welt berichtet. Klar, für die Atmosphäre kann so etwas gut sein, wenn es aber darum geht, rasch an Informationen zu kommen, ist es hinderlich. Hier wäre ein etwas ausgewogeneres Verhältnis von atmosphärischen Ingame-Texten und auf Informationen ausgelegten Outgame-Texten sinnvoll gewesen.

Der Band deckt alles ab, was man für einen ersten Überblick brauchen kann, muss aber aufgrund des Umfanges naturgemäß oberflächlich bleiben, sodass das Bild der „equinox“-Welt noch etwas detailarm ausfällt, für einen Einstieg aber schon mal nicht schlecht ist. Infos gibt es unter anderem über die Geschichte des „equinox“-Universums, über das leben der Vaganten, über die Subspezies, die mystische Energie, den Astralraum, die Dimtech, Ausrüstung, Kreaturen und das Sol-Sonnensystem mit dem Konsortium.

Fazit:
Das „equinox – Setting-Handbuch“ präsentiert in einer leider recht sperrigen, dafür aber liebevoll getexteten Form eine ansprechende, auf vielen bekannten Vorbildern beruhende Science-Fantasy-Welt, in der man eine Menge unterschiedlicher Weltraumabenteuer erleben kann, mit der man allerdings auch Probleme bekommen könnte, wenn man die holprige Verbindung von Wissenschaft und Magie als störend empfindet.


equinox – Setting-Handbuch
Quellenbuch
Carsten Damm (Hrsg.)
Uhrwerk Verlag 2016
ISBN: 978-3-958670-61-7
252 S., Hardcover, vierfarbig, deutsch
Preis: EUR 34,95

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