Empires of the North: Barbarenhorde

Die Barbaren sind los! Zwei neue Völker mit ganz unterschiedlichen Ansätzen ergänzen die bisherigen Clans und buhlen um das Interesse der Spieler, mit ihnen das erfolgreichste der „Empires of the North“ zu erschaffen. Wer mag hierbei obsiegen, die diebischen Krawallbrüder oder listiger Frauenpower auf den Meeren?

von Lars Jeske

Dass das Eisen solange geschmiedet wird, wie es heiß ist, zeigt einmal mehr die Veröffentlichungsstrategie der Erweiterungen zu „Imperial Settlers: Empires of the North“. Binnen eines Jahres ist mit „Barbarenhorde“ nunmehr die dritte Völker-Erweiterung verfügbar. Es sind die namensgebenden Barbaren, somit also nach den Japanern und Römern ebenfalls eine Neuinterpretation eines Volkes aus dem Vorgängerspiel „Imperial Settlers“. Dadurch drängt sich der Gedanke auf, dass womöglich für eine damalige Version 2.0 bereits alle Urvölker redesigned und adaptiert wurden, bevor mit den neuen nordischen Völkern ebenfalls eine inhaltliche Relokalisierung des Settings für „Empires of the North“ als Relaunch vorgenommen wurde. Somit waren die Inuits, Schotten und Wikinger auserkoren, ein Machtwort mitzusprechen und neue Anreize für die Kennerspieler zu schaffen, welche das sehr gute „Imperial Settlers“ bereits im Regal stehen haben. Dazu passt auch, dass die nächste geplante Erweiterung nicht ganz zufällig „Egypian Kings“ sein wird. Also die Ägypter, welche gerade noch so mit etwas Wohlwollen im Norden verortet sind. Anschließend gibt es bei entsprechend guten Verkaufszahlen dann hoffentlich auch einmal neue Völker zu entdecken. Aber nun zu der „Barbaren“-Erweiterung, für die sich nunmehr allein Joanna Kijanka verantwortlich zeichnet.

Erwartungsgemäß gibt es erneut zwei Clans. Zum einen den Urvart-Clan mit einem angegebenen Schwierigkeitsgrad von 6, zu anderen den Boudicca-Clan mit 5 von aktuell maximal 9 Punkten, die angeben, wie schwer das Deck zu spielen ist. (Da sich beide Decks sehr unterschiedlich spielen, hätte die Erweiterung eher „Barbarenhorden“ heißen müssen, aber das ist vermutlich zu haarspalterisch gedacht.) Dazu kommen als weitere Spielkomponenten 6 neue Inselkarten, die obligatorischen Schiffs- & Wertungsplättchen der Clans und als Novum ein paar Marker, die jeweils eine clanspezifische Funktion für die Barbaren haben.



Die Grafik von Roman Kucharski ist wie immer sehr niedlich und thematisch jeweils stimmig auf den jeweiligen Clan zugeschnitten. Dieses lenkt die Veteranen selbstverständlich schon lange nicht mehr davon ab, dass auch „Empires of the North“ ein Ressourcen- und Optimierungsspiel ist, welches bei Fehlern oft keine Gnade kennt; weder vom Spielmechanismus aus (vor allem beim Solospiel), noch von den Mitspielern her. Heuer kann man jedoch die Einzelheiten mitunter schwerer ausmachen als bisher, da die Karten oft sehr detailliert gezeichnet sind, aber dafür dann doch das Motiv zu stark verkleinert ist.

Der Urvart-Clan ist ein Deck, welches sich einfach nimmt, was es braucht. Dazu passen die tollen Details bezüglich der Namen der Karten und der verwendeten Zeichnungen, auf welchen man sieht, wie sie die anderen Völker bestehlen oder sich unter diese mischen. Als wichtigsten neuen Mechanismus gibt es Hinterhaltsmarker, welche mittels diverser Kartenaktionen auf die Orte der Mitspieler verteilt werden. Wann immer dann dieser entsprechende Ort aktiviert wird, darf man sich aus dem aktuellen Ressourcenvorrat einen der Rohstoffe aussuchen – aber keine Angst, das Spiel bleibt weiterhin nahezu friedlich, da man diesen Rohstoff aus dem allgemeinen Vorrat bekommt. Dann bekommt man diesen Hinterhaltsmarker zurück, um ihn erneut verwenden zu können. Dadurch hat man als Spieler dieses Barbaren-Clans sehr oft überraschende Möglichkeiten, ist jedoch auch etwas auf die Aktionen der Mitspieler angewiesen, da diese ihre Orte aktivieren müssen, damit man selber von seinen Aktionen etwas hatte. Quasi passive Interaktion mit anderen Spielern, wohingegen der japanische Clan der Saikoro doch etwas forscher herangeht. Ein interessanter neuer Ansatz für das Spiel, welcher alles andere als kompliziert ist. Man muss ihn jedoch benutzten, da man sonst nicht zu den benötigten Rohstoffen kommt. Dies ist nämlich der einzige der mittlerweile 12 Clans, welcher keine eigenen zusätzlichen Rohstoffkarten im Deck hat, dafür jedoch mit gemischten Basisfeldern spielt.



Schwierig wird es jedoch bei der Generierung von Siegpunkten, die man auch noch innerhalb der ca. 4 Runden als eigentliches Spielziel vor Augen hat. Numerisch bringen 12 der 30 Karten Siegpunkte, welche aber entweder viele Ressourcen kosten („Trophäenschrank“ – 3 gleiche Rohstoffe für 3 Siegpunkte) oder Einmalaktionen sind. Für die zweite Hälfte des Spiels muss man also oftmals die Taktik ändern und die Marker auf Orte legen, von welchen sie nicht mehr abgeräumt werden (können). Denn dann schlägt die Stunde von „Rascher Raub“, der einen Siegpunkt pro Marker im ausgewählten Reich bringt. Somit wird die Karte bei den richtigen äußeren Bedingungen sehr oft vom Gegner überfallen (und somit deaktiviert), was diesen jedoch zumindest einen Siegpunkt für dessen Zerstörungsplättchen kostet. So man dann nicht relativ schnell die jeweils einzigartige und einzigen Fähigkeitskarten „Römer in der Grube“ (zum Aufwecken von Arbeitern) oder „Alte Muttergöttin“ (Siegpunkt beim Insel-Plündern) ins Spiel bekommt, wird es nichts mit dem Sieg. Dieser Clan ist somit nicht unbedingt schwieriger zu spielen, aber je länger das Spiel dauert, umso unwahrscheinlicher ist ein Gewinn.

Der Boudicca-Clan bringt als Neuerung für sich Floßplättchen mit, welche die kleine Variante eines Schiffes darstellen. Denn anstatt selber großartig zu pflanzen und ernten, sind sie ständig auf See unterwegs, um (im übertragenen Sinne) die anderen Völker beziehungsweise deren Transporte zu überfallen. Als Spieler muss man sich dadurch bei jeder Ernte-Aktion überlegen, ob man mit einem Floß die kleine Ernte einfährt, oder wenn man eines der raren Schiffe ermüdet, jeweils einen Rohstoff mehr bekommt. Im letzteren Fall kann man dann jedoch nicht mehr rausfahren, um in der Expeditionsphase neue Inseln zu erobern. (Plündern geht mit den kleineren Floßplättchen zumindest, so man sie über eine von nur 3 Spielerkarten auf dem Expeditionstableau platziert bekommt.) Inseln zu erobern ist jedoch zwingend notwendig, um mit der „Britanniabrücke“ für jede eroberte Insel einen Siegpunkt zu erhalten. Die andere Schlüsselkarte, die das Spiel enorm vereinfacht, ist das „Badeparadies“, jedoch auch nur einmal im Deck enthalten. Diese erlaubt es, die erschöpften Flöße aufzuwecken, um erneut eine Aktion mit ihnen auszuführen. In den Testspielen hat sich herausgestellt, dass hier kniffligere Entscheidungen zu treffen sind und es auch schwieriger ist, überhaupt an viele Siegpunkte zu gelangen. Vor allem wenn man nicht die Spielweise des Decks versteht. Also auch hier zeigt sich, dass dieser Clan eher für den geübten Spieler konzipiert ist.



So toll die beiden Clans optisch und funktional gestaltet sind, mangelt es dieses Mal etwas am Drumherum. Ein Tippfehler und ein falsches Beispiel auf den 4 Regelseiten ist geschenkt, aber dass verpasst wurde, die Anpassungen für den Solo-Modus für den Urvart-Clan beizulegen, ist gravierend. Ohne sich hierfür im Internet umzuschauen, um zumindest eine inoffizielle Variante zu finden, ist dieser Clan unspielbar. Diesen Fehler hatte Portal Games bereits bei der Erweiterung der „Japanische Inseln“ mit dem Saikoro-Clans gemacht, aber da dies nun wieder aufgetreten ist, ist es wohl eher eine Strategie. (Anmerkung: Pegasus Spiele hatte damals dankenswerterweise gleich die Solo-Variante mit ins Regelheft von „Japanische Inseln“ aufgenommen. Für die Barbaren gibt es allerdings noch keine offiziellen Dokumente. Ein spezielles Szenario hat Portal Games unterdessen veröffentlicht.)

Fazit: Mit der „Barbarenhorde“ gibt es eine weitere sehr stimmungsvolle Erweiterung zu „Empires of the North“, von denen vor allem der Urvart-Clan sehr auf die (Inter)Aktion mit den Mitspielern ausgelegt ist. Leider wurden hierbei Informationen zum Solo-Modus von Portal Games vergessen zu veröffentlichen. Wer primär Mitspieler hat, bekommt zwei sehr individuelle Clans, die leicht zu spielen sind, jedoch eine Herausforderung sind, sich mit diesen gegen versierte Mitspieler anderer Clans durchzusetzen. Eine Erweiterung, die vor allem die geübteren Spieler ansprechen wird.  

Empires of the North: Barbarenhorde
Erweiterung für 1 bis 4 Spieler ab 10 Jahren
Joanna Kijanka
Pegasus Spiele 2020
EAN: 4250231728204
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 19,95

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