Splitterdämmerung 8: Der Schattenmarschall

Fürstkomtur Helme Haffax hat seine Finte geschlagen: Zwar ist Mendena gefallen und Tobrien wieder im Reich, doch während des Triumphs zeigt sich, dass der echte Haffax nicht vor Ort ist, sondern Perricum angreift. Die Stadt mit Rondras Haupttempel und der obersten Geweihten, dem Schwert der Schwerter, muss sich seinen Truppen erwehren. Doch schnell zeigt sich, dass Haffax erneut andere Pläne verfolgt. Einzig die Helden können seine wahren Motive enthüllen und sich ihm noch entgegenstellen.

von Ansgar Imme

Die fünfte Edition von „Das Schwarze Auge“ stand schon kurz vor der Tür, als der Ulisses Verlag mit „Der Schattenmarschall“ noch schnell den Zyklus der „Splitterdämmerung“ abschloss. Der Vorgängerband „Die Verlorenen Lande“, der mit der Handlung dieses Bandes lose verknüpft ist, war nur kurz vorher erschienen, sodass Spieler und Spielleiter hier der Vergangenheit zum Trotz keine lange Wartezeit hatten (nach den beiden ersten Bänden des Zyklus hatte man über ein Jahr auf die Fortsetzung warten müssen). Im „Splitterdämmerung“-Zyklus wurde in insgesamt acht – weitestgehend voneinander unabhängigen – Banden das Schicksal der Schwarzen Lande sowie der Splitter von Borbarads Dämonenkrone verfolgt und größtenteils geklärt.

Wie auch „Die Verlorenen Lande“ wurde der Abschlussband von mehreren Autoren verfasst, die alle schon in der Vergangenheit für „Das Schwarze Auge“ tätig gewesen waren. Unter der Federführung vom „DSA“-Redaktionsmitglied Daniel Simon Richter versammelten sich insgesamt vier weitere Autoren, von denen vor allem Katja Reinwald und Dominic Hladek bereits durch einige Publikationen aufgefallen waren.

Inhalt und Handlungsüberblick

Nach dem fast 200 Seiten schweren Vorgänger kommt „Der Schattenmarschall“ als Abschlussband mit gerade einmal 128 Seiten aus. Nach einem üblichen kurzen Vorwort (in dem sich Daniel Simon Richter als sehr stolz auf den Folgeband zeigt), wird in einer über 20 Seiten langen Einleitung einerseits noch einmal die Geschichte aller Bände der „Splitterdämmerung“ aufgeführt, vor allem aber die Pläne des Fürstkomturs Helme Haffax erklärt und beleuchtet. Dazu werden Haffax und seine wichtigsten Kommandanten ausführlich beschrieben und weitere kommende Gegner der Helden im Abenteuer aufgeführt und mit Werten versehen. Gleiches gilt für die Gegenseite in Form der Verteidiger Perricums und Gareths, die mit den Helden eingreifen können. Ergänzt wird dies für beide Seiten durch die Aufführung der jeweiligen Truppen und Heere.

In drei Kapiteln (zuzüglich eines Anhangs) wird Haffax’ Angriff auf Perricum, seine Verfolgung durch das Mittelreich sowie der Kampf gegen ihn und um Gareth ausgebreitet. Die Helden, bei denen es sich eher nicht um Teilnehmers des Heerzugs aus „Die Verlorenen Lande“ handelt (Gründe vgl. dortige Rezension), befinden sich zufällig aus verschiedenen Gründen in Perricum, als kurz vor den Namenlosen Tagen plötzlich Haffax mit seiner Flotte vom Meer aus angreift und anlandet. Es ist an den Helden, in der vollkommen überraschten Stadt, in der alle in Panik geraten, den Widerstand zu organisieren, Truppen gegen Haffax und seine Kämpfer zu führen sowie die Menschen zu schützen. Dabei zeigt sich aber, dass einige Machtgruppen Perricums mit Haffax Absprachen getroffen haben. Als Haffax schließlich vor den Haupttempel der Rondra dem Schwert der Schwerter Ayla von Schattengrund gegenüber tritt, geschieht etwas Unerwartetes, das anschließend zu einem vollkommenen Chaos in der Stadt führt. Vor allem die Helden können Schlimmeres verhindern.

Während des Durcheinanders zieht Haffax kaltblütig weiter, ohne dass sein Ziel bekannt ist. Den Helden obliegt die Aufgabe, auf Geheiß des Reichsgroßgeheimrats die Pläne von Haffax zu ergründen. Dies führt sie zunächst nach Rommilys, wo sie im KGIA Archiv die alte Akte von Haffax an sich bringen und mit Hilfe dieser Hinweise ihre Reise zu Kaiser Retos Waffenkammer auf der Kaiserpfalz Goldenstein fortsetzen. Dort haben sie die Möglichkeit, im Gefecht mit Haffax Schergen eine wichtige Waffe an sich zu bringen. Sie können ergründen, dass es Haffax nach Gareth zieht und welche Pläne er dort verfolgt. So führt der Weg sie schlussendlich in die Capitale, wo der Reichserzverräter schon wartet und den Helden ein unerwartetes Angebot macht. Dies kann Gareth vor der totalen Zerstörung schützen, bedeutet aber ein ungewisses Vertrauen in den Reichserzverräter zu setzen. Als dämonische Heerscharen über die Stadt herfallen, kommt es zu einem letzten Kampf mit und gegen Haffax.

Kritik: Aufmachung, Layout, Inhalt

Zwar kommt der letzte Band der „Splitterdämmerung“ mit 128 Seiten vergleichsweise „leicht“ daher, wenn man dies mit seinem Vorgänger oder anderen Bänden der Serie betrachtet. Dafür wird hier auch an vielem gespart und sich stark auf Haffax selbst und seine Pläne konzentriert, sodass nur ein kürzerer Anhang notwendig ist. Neben dem tollen Cover, was den vorherigen Band sehr gut ergänzt, wenn man diese nebeneinander legt, sind auch viele gute Illustrationen und einige Karten sowie Pläne enthalten. Die Anzahl der Karten und Pläne ist höher als bei vielen anderen „DSA“-Abenteuern, was immerhin befriedigend ist. Allerdings hätte die eine oder andere Übersichtskarte sowie weitere Gebäudepläne auch hier nicht geschadet (etwa die Kaiserpfalz Goldenstein oder eine Übersichtskarte zur Schlacht an der Gaulsfurt).

Inhaltlich kann der Band leider immer wieder nur in Teilen überzeugen. Einzelne Passagen sind gut ausgearbeitet, weisen tolle Ideen auf und lassen den Spielern und Helden vor allem in sich genug Handlungsfreiraum, damit diese sich nicht gegängelt fühlen beziehungsweise recht frei Entscheidungen treffen können. Die Gesamthandlung allerdings und der große, spektakuläre Plan von Helme Haffax kann nicht so recht überzeugen. Einerseits folgen die Spieler und Helden immer nur Hinweisen und können wenig vorausschauend aktiv werden. Sie werden beispielsweise zwar pro forma nach Rommilys geschickt, um anhand seiner Akte seine Ziele zu ergründen. Nebenbei gesagt stellt dies einen Tiefpunkt des Bandes dar: Die Spektabilität der Akademie betrachtet die (weitgereisten, erfahrenen und bekannten) Helden trotz Siegelrings und Schreiben des Reichsgroßgeheimrats als Betrüger und lässt sie herausschmeißen, sodass die Spieler nahezu gezwungen werden, in die Akademie einzubrechen, um die Akte zu stehlen (in der sich am Ende kaum brauchbare Hinweise befinden). Hier hat man den Eindruck, dass vor allem eine besondere effektreiche Szene geschaffen werden soll, die im Abenteuer aber zu wenig führt.

Auch ansonsten müssen die Helden immer nur reagieren, zum Teil auch noch auf Haffax’ Hinweise hin. Wenn sie aber gerade zu Beginn diesen Hinweisen nicht folgen, fehlt die Verknüpfung und Fortfolge der kommenden Ereignisse. Hier ist der Spielleiter gefragt, die Helden unbedingt auf diese Fährte zu setzen. Andererseits entspricht Helme Haffax auch wenig seinem Vorgehen aus der jahrelangen Vergangenheit – was man ja auch als überraschend wider alle Leser-Erwartungen bezeichnen könnte. Hier handelt er sehr egoistisch, und die Verluste seiner eigenen Männer sind ihm ob seines eigenen Schicksals nahezu egal. Auch sein Ansinnen, Männer nach Leistung und Erfolg in der Armee zu befördern und nicht nach Adelsstand (aus welchem Grund er einst gerade auf die Seite Borbarads gewechselt ist), wird hier nicht beachtet oder als Ziel verfolgt. Erst recht wird sein taktisches Geschick und Genie in Kriegsführung überhaupt nicht im Abenteuer thematisiert (mit Ausnahme der kurzen Schlacht an der Gaulsfurt). Hier hatte man als Leser doch höhere Erwartungen, dass er eher einen großen Plan verfolgt und nicht einfache persönliche Ziele.

Zudem wird neben dem Reagieren der Helden auch weitestgehend davon ausgegangen, dass die Helden schließlich mit Haffax verhandeln und ihn in seinen Plänen unterstützen – mit dem Versprechen Haffax, damit auch die Hauptstadt Gareth zu schützen. Hier kann es sicherlich früh zur „Rebellion“ der Spieler kommen, die den Erzfeind nur noch vernichten wollen. Zwar wird kurz auf die Möglichkeit eingegangen, dass die Helden sich gegen ihn stellen, aber wirklich ernsthaft wird diese Option nicht verfolgt. Die Spieler und Helden müssen Haffax bei seinem Ritual unterstützen – eine andere Wahl besteht nicht. Eine Weigerung führt hier ansonsten schnell und deutlich zum Untergang Gareths. Hier wird dann – allerdings bombastisch und episch mit anspruchsvollen Gegnern und einem dämonischen Rundumschlag – einiges aufgefahren, was manchen Spielern sicherlich viel Spaß machen wird. Es kommen auch taktische Überlegungen der Helden etwas mehr zum Tragen, wenn es etwa um die Verteidigung eines Tempels geht. Man hat jedoch den Eindruck, dass es ein wenig zu viel des Guten ist und unbedingt eine große Schlacht zum Ende als Höhepunkt geboten werden soll, die durch eine Wendung noch einmal die Dramatik nach oben schraubt – eher aber übertrieben wirkt.

Insgesamt ist das Abenteuer zudem sehr kampflastig und geht davon aus, dass die Helden als Geheimagenten samt passender Fähigkeiten durch das Reich reisen und Pläne vereiteln. Gesellschaftlich orientierte Charaktere ohne viel Kampf- und Zauberkraft werden hier kaum zum Zug kommen.

Fazit: Wie schon der Vorgängerband „Die Verlorenen Lande“ kommt auch hier keine richtige Zufriedenheit beim Lesen auf. Die Spieler können einen epischen Abschluss der „Splitterdämmerung“ erleben und den Erzfeind des Mittelreichs seinem Ende zuführen. Dabei gibt es durchaus vereinzelt gute Teilabenteuer zu erleben. Aber die Erwartungen an das militärische Genie Helme Haffax (und somit an das Abenteuer) werden durch das ständige Hinterherreisen und schließlich die alternativlose Unterstützung des Erzfeindes durch die Helden stark enttäuscht. So bleibt auch hier der Eindruck, dass etwas mehr Zeit und kein Druck durch „DSA 5“ dem Band gut getan hätten. Dem Eindruck von Daniel Simon Richter mag man sich nicht anschließen. Spieler der „Splitterdämmerung“ kommen um den Band schließlich nicht herum, wenn sie das Ende von Haffax und des Zyklus erleben wollen. Aber vielleicht sind sie danach auch froh, dass es zu Ende ist.

Gesamtfazit „Splitterdämmerung“:

Die Idee hinter dem Zyklus war wirklich gut! Zwar folgte weitestgehend eine Zentrierung auf das Mittelreich, aber hier waren die Heptarchen ja auch am deutlichsten vertreten. Nach sowohl in der Spielwelt als auch in der Realwelt langen und vielen Jahren hatten die Spieler und Helden endlich die Möglichkeit, richtig zurückzuschlagen, die Heptarchen zu bezwingen und die Splitter zu vernichten oder zu bannen. Leider standen die Splitter aber oft gar nicht im Mittelpunkt oder wurden nur in einer Randgeschichte abgetan. Die Beschäftigung vor allem mit den Heptarchen bot auch genug Stoff für Abenteuer, wie man sehen konnte, aber vielleicht hätte man den Zyklus dann anders benennen und nicht gewisse Erwartungen schüren sollen. Und gerade dies zieht sich leider durch den gesamten Zyklus und seine Einzelbände, wie man auch an den Rezensionen zu den beiden letzten Teilen sieht – Erwartungen wurden oft enttäuscht. Vielleicht waren die Erwartungen von Spielern und Rezensenten manchmal auch zu hoch, oft wurden sie aber auch von den Autoren geradezu geschürt. Die Qualität der einzelnen Teile der „Splitterdämmerung“ schwankt so auch sehr stark – den sehr guten Bänden „Bahamuths Ruf“ oder „Seelenernte“ sowie guten Abenteuern „Schleiertanz“ und „Träume von Tod“ stehen auch Enttäuschungen wie „Schleierfall“, „Firuns Flüstern“ sowie die beiden Schlussbände gegenüber, auch wenn dort immer wieder gute Ansätze zu sehen waren.


Splitterdämmerung 8: Der Schattenmarschall
Abenteuerband
Dominic Hladek, Rafael Knop, Daniel Simon Richter u.a.
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 3957521831
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,95

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