Einsamer Wolf 2: Feuer über den Wassern

Ein erbitterter Krieg tobt zwischen Sommerlund und den grausamen Schwarzen Lords von Helgedad. Die Hauptstadt Holmgard wird belagert und kann sich nicht mehr lange halten. Der König schickt den Einsamen Wolf (also den Leser) ins befreundete Königreich Durneor, um Hilfe holen. Wird der Leser die gefahrvolle Reise überleben und wird er rechtzeitig mit der Unterstützung zurück sein? Oder fällt die stolze Stadt dem Feind in die Hände? In „Feuer über den Wasser“ kann er es herausfinden.

von Morgath

Bei „Feuer über den Wassern“ handelt es sich um den zweiten Band aus der Fantasy-Spielbuch-Reihe um den Einsamen Wolf, in dem sich der Leser in den letzten Kai-Lord versetzt und gefährliche Abenteuer bestehen muss. Die Handlung setzt unmittelbar an den ersten Band „Flucht aus dem Dunkeln“ an.

Das Abenteuer

Die Schwarzen Lords sind mit ihrer Armee über das friedliche Sommerlund hergefallen. Im ersten Ansturm wurde der Kriegerorden der Kai-Lord vernichtet, dem auch der Einsame Wolf angehört(e). Nun belagert die Armee die Hauptstadt, und es ist absehbar, dass die tapferen Sommerlunder nicht mehr lange dem Ansturm standhalten können. Der König entsendet daher den Einsamen Wolf nach Hammerdal, in die Hauptstadt des befreundeten Königreichs Durenor, wo er das mächtige Sommerswerd (das ist kein Rechtschreibfehler – das Schwert wird tatsächlich „Swerd“ genannt; worum das so ist, vermag ich nicht zu sagen, doch bereits bei der ersten Auflage hieß es schon so) holen und die Verbündeten um Hilfe bitten soll. Hierfür erhält er einen wertvollen Ring, das „Siegel von Hammerdal“, der seine Gesandtschaft legitimieren soll.

Der Einsame Wolf besteigt zunächst ein Boot, das ihn nach Baxhafen bringen soll, doch der Feind hat dies vorausgesehen und zahlreiche Häscher auf die Fährte des Lesers geschickt. Ständig ist er heimtückischen Angriffen ausgesetzt. So ist es auch kein Wunder, dass das Schiff sabotiert wird und letztlich kentert. Halbtot aber hoffentlich noch mit dem Siegel im Gepäck muss er dann den letzten Teil der Reise über das Land zurücklegen. Schließlich kommt er in Baxhafen an, wo er durch den sommerlundischen Gesandten Rhygar Unterstützung erhält. Gemeinsam legen sie das letzte Stück des Weges nach Hammerdal zu Pferde zurück. Doch die Gefahr lauert überall, und schließlich bleibt Rhygar zurück, damit der Einsame Wolf sein Ziel erreichen kann. Ob das aber heißt, dass er wirklich das Sommerswerd erringen und mit Verstärkung in die Heimat zurückkehren kann, liegt nicht zuletzt am Geschick des Leser.

Vergleich Alt und Neu

Das Abenteuer wurde zwar neu übersetzt, ansonsten hat sich aber nichts verändert. Sogar die Nummerierung der 350 Abschnitte ist dieselbe geblieben. Dafür wurde aber ein weiteres Abenteuer beigefügt, welches insgesamt 71 Abschnitte umfasst. Diesmal schlüpft der Leser in die Rollen der sommerlundischen Gesandten Rhygars, dem der Einsame Wolf im Hauptabenteuer begegnet. Das Abenteuer spielt zwei Jahre vor dem Treffen mit dem Einsamen Wolf. Rhygar muss einen Dieb fassen, der letztlich nichts Geringeres beabsichtigt, als die Vernichtung des Sommerswerdes.

Gesamteindruck und persönliche Note

„Feuer über den Wassern“ ist ein spannendes Reiseabenteuer, das den Leser vom ersten Augenblick in seinen Bann schlägt und das er erst weglegen wird, wenn er es bestanden hat (oder umgekommen ist). Anhand der Landkarte kann der Leser seinen aktuellen Aufenthaltsort stets nachverfolgen und gut abschätzen, was noch vor ihm liegt.

Im Einzelnen möchte ich folgende Punkte herausgreifen:

Der Leser muss hier einiges durchmachen und so manches über sich ergehen lassen, sodass er vereinzelt vom „Held sein“ sehr weit entfernt ist. So dürfte es beispielsweise nicht jedermanns Gefallen finden, wenn der Einsame Wolf chancenlos von einigen Fischern überwältigt wird, ohne dass ihn seine Kai-Fertigkeiten warnen. Dafür wird der Leser zum Schluss aber mehr als entschädigt.

Amüsant ist das Casino, das der Einsame Wolf (unter Umständen) besuchen muss, um sich die Fahrt einer Postkutsche leisten zu können. Die Gewinnerwartung ist hier so wohlwollend zu Gunsten der Spieler ausgelegt, dass ein solches Casino in der Realität zwangsläufig bankrott gehen müsste.

Persönlich hat mir außerdem missfallen, dass es im Abenteuer mehrere Passagen gibt, bei denen der Leser eine Zufallszahl bestimmen muss und bei einer „0“ stirbt. Zwar ist das nur eine 10% Chance, jedoch ziehen sich solche Passagen durch alle Bände. Wenn man von nur einer solchen Passage pro Buch ausgeht, dann hat der Leser beispielsweise lediglich eine Chance von ca. 28 %, dass er alle deutschen Bücher (12 an der Zahl) ohne zufälligen Tod überlebt (Stochastische Berechung: 0,9 hoch 12 = 0,2824). Das ist mir persönlich zu wenig, da es wohl nichts Frustrierenderes gibt, als irgendwann nach zig durchspielten Bänden an so einem Zufallswurf zu scheitern.

Mit Bauchschmerzen habe ich außerdem hingenommen, dass der Autor für den Leser eine intellektuelle und eine moralische Zwickmühle vorgesehen hat.

VORSICHT SPOILER!

Kurz vor Hammerdal wird der Einsame Wolf von Helghasts verfolgt – Wesen, die man nur mit einer magischen Waffe verletzten kann. Tatsächlich kann man im Abenteuer auch einen magischen Speer finden, der für diesen Kampf vorgesehen ist, allerdings befindet sich der in der Brust eines schwer verletzten Mannes. Als Leser hat man bereits die leise Ahnung, dass es besser wäre, den Speer auch dort zu lassen und tatsächlich, wenn man vorsichtig vorgeht, dann findet man auch Hinweise, dass es sich bei dem Verletzten ebenfalls um einen Helghast in verwandelter Gestalt handelt. Wer so vorgeht, lässt den Speer stecken und den Helghast daran verrecken, allerdings fehlt ihm dann der magische Speer für den Kampf gegen den Helghast kurz vor Hammerdal (mit der Folge, dass er stirbt). Die richtige Handlung besteht daher in dem sofortigen Herausziehen des Speeres. Dann erwacht der Helghast zwar wieder zu alter Stärke und man muss ihn bekämpfen, allerdings kann man dann auch den Speer mitnehmen. Der Autor hat folglich in dieser konkreten Situation unüberlegtes Handeln für den Leser als EINZIGE richtige Handlungsmöglichkeit vorgesehen, was mich etwas verdrießlich stimmt.

Doch der Speer bereitet einem später auch noch moralische Bauchschmerzen. Kurz vor Hammerdal ist Rhygar bereit, zurückzubleiben und sich allein gegen eine Gruppe von Helghast zu stellen, nur damit der Einsame Wolf Zeit gewinnt, um sein Ziel zu erreichen. Da Rhygard keine magische Waffe hat, hat er in Kampf gegen die Helghast keine Chance. Als sich der Einsame Wolf von Rhygar trennt, wird er gefragt, ob er ihm die magische Waffe mitgeben möchte. Macht er dies, dann hat er später nur noch eine Chance, die Helghasts zu umgehen: wenn er eine bestimmte Kai-Fertigkeit (Tierverständnis) besitzt. Fehlt ihm diese, dann ist es ebenfalls um ihn geschehen. Hier muss man dem Abenteuer ankreiden, dass ein gewisses Vorwissen unentbehrlich ist, wenn man es beim ersten Spielen bestehen möchte, da man anderenfalls, sei es bei der Auswahl seiner Kai-Fertigkeiten oder sei es bei der Sache mit dem magischen Speer, die falschen Entscheidungen trifft.

SPOILER ENDE

Mein persönliches Highlight (nicht nur dieses Bandes, sondern sogar der ganzen Serie) ist folgende Situation: Der Einsame Wolf reist irgendwann in einer Potskutsche mit fünf Reisebegleitern. Es stellt sich schließlich heraus, dass einer davon ein Spion ist, der den Einsamen Wolf an den Kragen möchte. Allerdings weiß der Leser nicht, wer der Übeltäter ist. Nach einem missglückten, heimtückischen Attentat wird der Leser aufgefordert, einen der Fünf anzugreifen und muss seine Entscheidung anhand der bisher spärlichen Informationen sowie eines Bildes treffen, dass alle fünf Personen zeigt. Herrlich, nicht ganz einfach und doch lösbar, sofern man gut aufgepasst hat!

Trotz der aufgezählten Kritikpunkte ist „Feuer über den Wasser“ meiner Meinung nach eines der besten Spielbücher der ganzen Serie. Der Leser wird schnell in den Bann gezogen und hat die Möglichkeit, (zumindest zum Schluss) ein richtiger Held zu sein! Zusammen mit dem ebenfalls guten Teil „Flucht aus dem Dunkeln“ liegt eine in sich abgeschlossenen Geschichte vor, und ich kann jedem, der sich für Spielbücher interessiert oder sie einmal testen will, nur raten, zumindest diese beiden Bände der Serie zu lesen beziehungsweise zu spielen.

Das Zusatzabenteuer ist eine willkommene Zugabe, ansonsten aber eher als durchschnittlich zu bezeichnen. Zwar wurde die Thematik gut gewählt, da zum Teil die Vorgeschichte des Hauptabenteuers angesprochen wird, jedoch hat man meiner Meinung nach die günstige Gelegenheit verpasst, um das Hauptabenteuer aus einem zweiten (vorzugsweise ironischen) Blickwinkel darzustellen. Es wäre nämlich sehr amüsant gewesen, wenn der Leser die kurze Passage, in der Rhygar und der Einsame Wolf gemeinsame Wege gehen, nachträglich noch aus Rhygars Sicht hätte spielen können. Dann hätte er das Vergnügen gehabt, sich selber zu begegnen. Außerdem hätte man die Geschichte mit „kleineren Gemeinheiten“ würzen können, indem man die Kompetenz des Einsamen Wolfes untergräbt. Beispielsweise hätte Rhygar das Leben des Einsamen Wolfes retten können, ohne dass dieser das im Hauptabenteuer überhaupt merkt.

Fazit: Trotz einiger Schwachpunkte weiß das Abenteuer vollständig zu überzeugen. Der riesige Spielspaß verzeiht alle kleineren Ungereimtheiten. Ein klares Muss für alle Freunde von Spielbüchern! Und eine eindeutige Empfehlung für alle anderen!


Einsamer Wolf 2: Feuer über den Wassern
Abenteuer-Spielbuch
Joe Dever
Manticor Verlag 2009
ISBN: 978-3-9812812-1-7
318 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 14,95

bei amazon.de bestellen