Dunwich – Grauen in den Hügeln

Dunwich, jene kleine, landwirtschaftlich geprägte Gemeinde im nordöstlichen Massachusetts, ist kein schöner Ort. Fäulnis und Zerfall bestimmen das Stadtbild. Dunkle Mächte scheinen dort zu Hause. Genaueres erfährt man im umfangreichen Quellen- und Abenteuerband „Dunwich – Grauen in den Hügeln“, dem sechsten Band der „Lovecraft Country“-Reihe, der diese zumindest vorläufig abschließt. Mit detaillierten Beschreibungen spannender Schauplätze, Personen und Begebenheiten und einigen Vorschlägen für abwechslungsreiche Abenteuer in und um Dunwich herum.

von Simon Ofenloch

 

Unweit von Arkham, inmitten der verwilderten Hügel des Miskatonic-Tals liegt das Dörfchen Dunwich, von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten und beinahe vergessen. Einst eine blühende, aufstrebende Gemeinde, ist Dunwich in den 1920er Jahren nur noch ein verfallenes Kaff mit wenigen Einwohnern, ohne Hoffnung oder Zukunft, zum Aussterben verdammt.
 
„Dunwich – Grauen in den Hügeln“, der kombinierte Quellen- und Abenteuerband zu dieser von Howard Phillips Lovecraft erdachten gottverlassenen Siedlung, ist der sechste und damit der Abschluss-Band der „Lovecraft Country Collection“, jener Reihe, die mit „Arkham – Hexenstadt am Miskatonic“, „Grauen in Arkham“, „Innsmouth – Küstenstadt am Teufelsriff“, „Sturm auf Innsmouth“ und „Kingsport – Alpträume im Nebel“ noch andere wesentliche Stätten chtuloiden Schreckens in Neuengland, wie sie Lovecraft in seinen Erzählungen benannt und beschrieben hat, detailliert zur Vorstellung brachte. Wie zu Kingsport, gleichsam anders als zu Arkham und Innsmouth, werden wieder Regionalinformationen und Abenteuerideen in einer einzigen anstelle von zwei Publikationen herausgegeben. Waren die bisherigen Schauplätze vor allem urban, steht bei der Darstellung des eher ländlichen Dorfes Dunwich auch die von Wiesen und Feldern, Wildnis und Wäldern geprägte Umgebung im Zentrum. Typische „Backwood-Horror“-Atmosphäre inklusive.
 
Nach Impressum, Inhaltsverzeichnis, einem Vorwort des deutschen Redakteurs Heiko Gill und erstem Kartenmaterial mit zugehöriger Legende, beginnt „Dunwich – Grauen in den Hügeln“ mit einer allgemeinen Beschreibung der Gegend. Neben Informationen wie aus einem Touristenführer, über Anreise, Unterkunft, Infrastruktur und Kulturangebot, sowie Klima, Flora und Fauna, erhält man außerdem interessante Informationen über die indianische Urbevölkerung in Neuengland und gefährliche Schimmelpilze, die ein wesentliches Problem von Dunwich darstellen.

Im folgenden zweiten Hauptkapitel geht es dann um die dunklen Geheimnisse der Siedlung, um Sternengezücht und Anhänger mörderischer Kulte. Abenteuerideen und Ansatzpunkte für Kampagnen finden sich hier zuhauf.

An die einführenden Grundinformationen und den Exkurs über die Schattenseiten der gottverlassenen Siedlung schließt sich über drei größere Kapitel ein ausführlicher Stadt- und Umgebungsführer an, in dem alle wesentlichen Bereiche der Region detailliert dargestellt werden, vom Dorfkern über die Randbezirke ins Umland und sogar in den Untergrund eines weit verzweigten Höhlensystems, in dem sich Verderbtes aus dem All findet.

Der damit abgeschlossene Quellenteil beruht weitgehend auf der englischen Originalveröffentlichung „Return to Dunwich“ von Chaosium, erstmals 1991 erschienen und 2002 wiederveröffentlicht. Für die deutsche Publikation sollen einige zusammengehörige Informationen, die ursprünglich übers ganze Buch verstreut waren, sinnvoll gebündelt und ergänzt worden sein.  

Geradezu nahtlos an den Quellenteil angeschlossen findet sich der zweite Teil des Buches mit einigen spielfertigen Abenteuerentwürfen, die in und um Dunwich angesiedelt sind, mitunter gar bis nach Arkham reichen. Alle Abenteuervorschläge sind mit detailreichen Angaben, Bildmaterial, gar Handouts im jeweiligen Anhang versehen. Zuerst geht es um „Das Grauen von Dunwich“, Lovecrafts bedeutsame Erzählung, die in allen entscheidenden Einzelheiten präsentiert wird. Darauf folgt mit „Rückkehr nach Dunwich“ ein Szenario, das den Schrecken ungefähr ein halbes Jahr nach den von Lovecraft geschilderten Ereignissen zurückbringt. In „Der jüngste Tag“, mehr Zwischenspiel als veritables Abenteuer, findet das Grauen auf einer entlegenen Farm statt,  während „Die Spur des Yig“ die Spieler von Arkham nach Dunwich führt, in Gang gebracht vom Geheimnis um einen machtvollen goldenen Ring, der wie eine Schlange geformt ist.

Im folgenden Abenteuer „In den finsteren Wäldern“ geht es um Archäologie, Wikinger und Indianer – und natürlich um Sternengezücht. In „Töchter des Lichts“, im Vorwort „Schwestern des Lichts“ genannt, spielen wiederholt die außerirdischen Hyperboräer eine Rolle, aber auch die Mi-Go, die zuvor ihre Spuren auf Erden hinterlassen haben. In „Der Beobachter“ geht es um indianische Legenden und ein Geister-Phänomen. Und der letzte angebotene Spielentwurf „Das Grauen von den Sternen“, eigentlich für den Abenteuerband „Grauen in Arkham“ vorgesehen, bei Drucklegung aber vergessen, bringt die Spieler auf der Suche nach Bruchstücken eines Meteoriten mit mehr in Kontakt als harmlosen Gesteinsbrocken. Bei den Abenteuern handelt es sich um Übersetzungen englischer Originalausgaben, bis auf Mirko Baders „Töchter des Lichts“. Dieser Vorschlag ist nicht nur eine deutsche Erst-, sondern auch Originalveröffentlichung.

Mit „Dunwich – Grauen in den Hügeln“ ist Pegasus wieder ein überzeugender Quellen- und Abenteuerband gelungen. Der Detailgrad aller Beschreibungen ist wie immer beispielhaft hoch. Im soliden Hardcover-Einband und mit einem hilfreichen Lesebändchen versehen, liegt wieder einmal bestes Rollenspiel-Material vor. Zur räumlichen Orientierung kann zusätzlich die dem Buch beiliegende großformatige Umgebungskarte von „Dunwich County“ herangezogen werden, die sich gefaltet in einer transparenten Klebeecke auf der Innenseite des Buchrückens findet. Und mit dem komplett von Manfred Escher gestalteten Cover wird letztlich auch das über alle „Lovecraft Country“-Veröffentlichungen  fortlaufende Buchrückenmotiv vervollständigt.

Der allzu aufmerksame Leser findet auch in dieser Publikation wieder ein paar kleinere Rechtschreibfehler. Dies mag der einzige Bereich sein, auf dem sich die Macher noch ein wenig verbessern könnten.

Fazit: Alles in allem bildet „Dunwich – Grauen in den Hügeln“ einen würdigen, womöglich nur ersten Abschlussband zur „Lovecraft Country Collection“. Gewohnt erstklassig in Inhalt und Aufmachung, liefert es wieder spannende Hintergrundinformationen und Abenteuervorschläge an einem weiteren bedeutenden Schauplatz im „Mutterland“ vom „Cthulhu“-Mythos.


Dunwich – Grauen in den Hügeln
Quellen- und Abenteuerbuch
Fred Behrendt, Erik Herber, Keith Herber, Mark Morrison, Kevin Ross, Mirko Bader u.a.
Pegasus Spiele 2012
ISBN: 978-3-941976-48-1
304 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

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