DSA 118: Nachtrichter

Die Phex-Geweihte Adara und ihr Begleiter, der Magier Faisal, kommen in die Reichsstadt Kyndoch am Nordrand des Windhag-Gebirges und werden gleich in turbulente Ereignisse verwickelt: Sie stehen einer Händlerin bei, die von einer Bande überfallen wird, treffen auf erschreckende Zustände im örtlichen Phex-Tempel und kommen während der sich überschlagenden Ereignisse in den Gassen der Stadt gar einem Dämonenpaktierer auf die Spur.

von Henning Mützlitz

 

Inhalt

Adara und Faisal, der ebenfalls die Weihen als Phex-Priester anstrebt, quartieren sich im weithin bekannten Tempel des Fuchses in Kyndoch ein. Sie müssen feststellen, dass Vogtvikar Phecaden Silberfuchs Pflege und Riten im Gotteshaus schleifen lässt, und Adara wird dazu verdonnert, die Andachten zu halten sowie den tollpatschigen Novizen Ragnar auszubilden.

Während die reisende Geweihte im Tempel eigentlich alle Hände voll zu tun hätte, versucht sie, dem Mordanschlag auf die Händlerin Utta, die sie im Tempel einquartiert und gesund pflegt, auf die Schliche zu kommen. Sie findet heraus, dass eine der örtlichen Schlägerbanden im Dienst des bekannten Stadtrats und Alchemisten Ochenblum steht. Sie bricht in dessen Geschäftsräume ein, um Hinweise auf seine Beteiligung an der Sache zu finden. Ragnar folgt ihr heimlich, und sie werden gesehen, können jedoch einige Tiegelchen Pulver und merkwürdige Substanzen mitgehen lassen, die sie später bei einem Apotheker kontrollieren lassen.

Dabei bestätigt sich Adaras Verdacht, dass der Stadtrat in seinem Haus allerlei obskuren Dingen nachgeht, die von ihm aus gutem Grund vor dem Auge des Gesetzes und dem Licht der Zwölfgötter verborgen werden. Gleichzeitig spitzen sich die Ereignisse im Tempel und in den Gassen der Handelsstadt zu, sodass Adara, Faisal und Ragnar von einer bedrohlichen Situation in die nächste stürzen. Die Phex-Geweihte erkennt, dass sie es unter dem Mantel eines Bandenkriegs und den Intrigen raffsüchtiger Händler mit weitaus gefährlicheren Gegnern zu tun hat, als sie befürchtet hatte.

In den Gassen Kyndochs

„Nachtrichter“ von Dorothea Bergermann spielt wie bereits erwähnt in Kyndoch, einer kleinen Handelsstadt zwischen Albernia und den Nordmarken, die bisher in offiziellen „DSA“-Publikationen nicht ausführlich behandelt worden ist. Dies ist für Autoren in einem so dicht beschriebenen Universum wie „DSA“ ein nicht zu unterschätzender Vorteil, können sie sich doch nur dort kreativ „austoben“, ohne jedes Gebäude oder jeden Marktstand akribisch nachschlagen zu müssen oder mit dem oftmals überladenen sozialen Gefüge einer kleinen Stadt zurechtkommen zu müssen, um nicht in Konflikt mit anderen „DSA“-Publikationen zu kommen.

Der Roman beginnt relativ trivial mit der Verwicklung der Protagonisten in eine alltägliche Situation aventurischer Städte: Es geht um einen Streit um Einfluss und Hoheit auf dem Marktplatz. Adara schließt daraufhin ein phexgefälliges Geschäft mit der überfallenen Händlerin Utta ab und geht den Ereignissen nach. Was man als Leser zu Beginn noch als anschauliche Einführung in die Verhältnisse Kyndochs einordnet, entpuppt sich rasch als Aufhänger für den gesamten Roman.

Von dort an nimmt die Geschichte richtig Fahrt auf, und man fiebert schon nach wenigen Dutzend Seiten mit Adara mit, wenn sie immer weiter in die Ereignisse rund um den Überfall, die Probleme im Phex-Tempel und den merkwürdigen Stadtrat Ochenblum verwickelt wird. Die Autorin versteht es dabei geschickt, kleine und größere Ereignisse, vermeintlich parallel laufende Handlungsstränge sowie eine beträchtliche Anzahl Figuren geschickt miteinander zu verknüpfen, sodass ein ein rätselhaftes Netz entsteht, das man als Leser gemeinsam mit Adara entwirren muss. Dabei wechseln sich humoristische und actionbetonte Einlagen ab, überraschende Wendungen in Kombination mit liebgewonnen Klischees lassen nie Langeweile aufkommen.

Detailiert und stimmig

Eine weitere Stärke des Romans sind deren Charaktere, vor allem die Hauptfigur Adara, eine intelligente junge Phex-Geweihte, die sowohl über Lebenserfahrung als auch Festigkeit im Glauben verfügt. Glauben, Denken und Handeln dieser Anhängerin des heimlichsten der Zwölfgötter werden glaubwürdig veranschaulicht. Vielleicht ist Adara dabei gar ein wenig zu „glatt“ geraten, außer einigen (recht harmlosen) Verfehlungen während ihrer Zeit in Fasar hat man als Leser kaum einmal Reibungspunkte mit ihr. Faisal stellt dabei so etwas wie den Counterpart dar. Seine Vergangenheit als Schwarzmagier mit seinem neu gewählten Weg im Dienste des Phex in Einklang zu bringen, wirft immer einmal wieder Probleme auf. Der Novize Ragnar hingegen ist eher für humoristische Einlagen zuständig. Wenn er beteiligt ist, geht garantiert etwas schief, was ab einem gewissen Zeitpunkt aber etwas übertrieben wirkt.

Daneben sticht vor allem die Detailverliebtheit der Autorin ins Auge. Immer wieder spürt man, dass sie sich ausführlich in viele Dinge eingearbeitet hat, seien es Türschlossmechanismen, die aventurische Pflanzenwelt und Alchemie, die Beschaffenheit und Materialien von Wertgegenständen oder das Inventar eines Handelshauses. Auch die Riten und Glaubensgrundlagen der Phex-Kirche sowie des dämonischen Gegenspielers werden anschaulich und stimmig dargestellt, ohne in Doziererei auszuarten.

Zu Autorin und Ausstattung

Dorothea Bergermann legt mit „Nachtrichter“ in diesem Jahr bereits ihre zweite „DSA“-Publikation vor. Mit dem vierten Band „Hundeelend“ war sie auch beim Novellenprojekt „Hundstage“ als Autorin vertreten. „Nachtrichter“ ist ein Standardglossar mit den wichtigsten Begriffen angegliedert. Da im Text immer wieder viel erklärt und veranschaulicht wird, ist dieses im Gegensatz zu manch anderem „DSA“-Roman durchaus ausreichend. Ein Stadtplan von Kyndoch wäre nett gewesen, ist aber nicht unbedingt notwendig.

Fazit: „Nachtrichter“ ist alles in allem ein überaus erfreulicher Roman. Die Handlung – wenngleich keineswegs episch angelegt – nimmt den Leser sofort mit und erzeugt durchgängig Spannung. Die Charaktere und vor allem die stimmungsvollen Beschreibungen lassen den Leser tief nach Kyndoch und in die Welt der Phex-Diener eintauchen. Aus diesem Grund ist der Roman sowohl für Neueinsteiger als auch für alte „DSA“-Hasen geeignet. Absolut empfehlenswert!


Nachtrichter (DSA-Roman Nr. 118)
Rollenspiel-Roman
Dorothea Bergermann
Fantasy Productions 2010
ISBN: 978-3-89064-138-6
320 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 10,00

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