DSA 116: Answin von Rabenmund II: Verrat

Answin von Rabenmund ist auf dem Höhepunkt seiner Macht: Als Reichskanzler und enger Vertrauter des Kaisers ist er der einflussreichste Mann des Reiches. Doch mit dieser Macht hat er sich auch Feinde geschaffen, die nur auf seine Fehler warten. Als das Reich in eine schwere Krise gerät und der Kaiser sich scheinbar gegen ihn wendet, wird Answin in die Ecke gedrängt und muss handeln. Doch auch die andere Seite hat noch Trümpfe parat, und Answin verstrickt sich immer tiefer in Intrigen, aus denen es scheinbar kein Entrinnen gibt.

von Ansgar Imme

 

Nach einiger Wartezeit (nichts gegen die Qualen eines Lesers von George R. R. Martins „Feuer und Eis“-Saga) legt Michelle Schwefel den zweiten Band um Answin von Rabenmund, den Thronräuber und Verräter vor. Als langjährige Autorin des „Schwarzen Auges“ mit etlichen Abenteuern, redaktionellen Betreuungen und unzähligen Beiträgen zu Spielhilfen sowie als ehemalige Chefredakteurin des verlagseigenen Magazins „Aventurischer Bote“ und durch ihre Arbeiten für das Fürstentum Rommilys und die Fortschreibung des Hintergrundes des Protagonisten Answins hat sie auch hier ihre Hintergrundkenntnisse für eine weitere packende und detaillierte Geschichte genutzt.

Answins Pläne und Machenschaften

Answin ist auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen: Er ist Reichskanzler und engster Ratgeber des Kaisers. Doch auf dem Reichskongress kommt es zu ersten Unstimmigkeiten mit dem Herrscher. Und mit Dexter Nemrod webt ein einstiger Vertrauter Answins geheime Intrigen gegen den mächtigen Kanzler und Vertrauten des Kaisers. Nur die Momente der heimlichen Liebe mit Praiodane von Falkenstein verschaffen ihm Ruhe und Entspannung. Doch als das größte und dunkelste Geheimnis des Kaisers aufgedeckt zu werden droht und Rabenmund dies gerade noch verhindern kann, ziehen die ersten Schatten über der Regentschaft von Kaiser und Reichskanzler auf. Als sich Answin zudem den Thronfolger und kaiserlichen Prinzen Brin durch eine Nichtigkeit zum Feind macht und Maraskan sich wieder erhebt und Aranien aufbegehrt, muss Answin an mehreren Fronten kämpfen und mit List und Geschick versuchen, einen Teil der Brände zu löschen.

Mit dem Tod seiner Mutter beginnen für Answin schwere und dunkle Stunden. Aranien sagt sich vom Reich los, und Maraskan begehrt nach der letzten Niederschlagung erneut auf, doch der Kaiser entscheidet gegen Answins Ratschlag, nicht die Kornkammer des Reiches Aranien mit einem Feldzug zurückzuholen, sondern die Truppen in Maraskan zu stärken. Zudem entfremden sich der Kaiser und Answin immer mehr, und der Kaiser geht mehr und mehr seine eigenen Wege und scheint auf andere wie Dexter Nemrod zu hören. Schließlich lässt sich Hal wie die Altkaiser von Bosparan zum Gott ausrufen. Endgültig zerbrechen die Bande zwischen Kaiser und seinem Erzkanzler, als Hal entscheidet, seinen Sohn Brin nicht mit dem Hause Rabenmund zu vermählen, wie einst Answin versprochen, sondern mit der Tochter des Fürsten Cuanu Bennains von Albernia. Da Answin das Gefühl hat, dass Nemrod Einfluss auf den Kaiser gewonnen hat und er das Vertrauen zurückgewinnen will, hegt er einen Plan gegen seinen Kontrahenten, der ihm sowohl diesen als auch den Kaiser ein für alle Mal entledigen und seinen Einfluss auf das Reich sichern soll …

Der zweite Teil einer Geschichte...

Während der erste Teil von Answins Biographie noch etliche Jahre und damit einen sehr langen Zeitraum umfasste, ist der zweite Teil nur auf drei aventurische Jahre angelegt (2-5 nach Hal). Da ab dem Zeitpunkt der Handlung dieses Romans Teile durch Abenteuer und Beschreibungen in Spielhilfen des Schwarzen Auges recht detailliert vorgegeben waren, gab es für die Autorin allerdings auch genügend Material, was sie verarbeiten konnte. Aber war damit auch die Herausforderung verbunden, bereits bestehende Setzungen zu beachten, während sie im ersten Band an etlichen Stellen noch mehr Interpretations- und Gestaltungsspielraum besaß.

Bot schon der erste Roman für die Spieler der ersten Stunde (die mit Hal, Answin, Alara, Dexter Nemrod, Galotta usw. groß geworden sind) und Interessierte der alten Zeiten Unmengen an Hinweisen auf Personen und Ereignisse, Verknüpfungen und neue Interpretationen so wie (für die „DSA“-Spieler) ein Wiedersehen mit lieb gewonnenen und hassenswerten Personen, so steigert Michelle Melchers diese Intensität noch um eine Stufe. Trotzdem lässt sich die Geschichte flüssig lesen und bietet eine hohe Spannung. Allerdings werden Neuleser (wobei es hoffentlich niemanden gibt, der erst mit dem zweiten Roman einsteigt) oder auch nicht ganz so erfahrene und „DSA“-geschichtsinteressierte Spieler und Leser an manchen Stellen schwer haben, da die Geschichte tief in die Vergangenheit greift und Personen ganz selbstverständlich auf die Bühne und in die Handlung treten lässt, als wären diese dem Leser ganz selbstverständlich und bekannt.

Die Geschichte selbst muss um des Romans und aus der Sichtweise Answins Willen von der Autorin etwas angepasst werden und wird an einigen Stellen neu interpretiert, doch gravierende Änderungen finden nicht statt. Für Altkenner ist es sicherlich auch in diesem Roman problematisch, dass die Hauptfigur Answin von Rabenmund fast durchgehend sympathisch herüberkommt und fast alle seine Pläne und Entscheidungen nachvollziehbar sind, kennt man ihn doch aus der offiziellen „DSA“-Historie anders und eher als Bösewicht. Doch gerade als Neuinterpretation beziehungsweise als andere Sichtweise – nämlich Answins Sicht – bekommt dies seine besondere Würze und öffnet dem Leser wirklich einen neuen Blickwinkel – so zum Beispiel die Ereignisse und Folgen rund um das alte Abenteuer „Die Verschwörung von Gareth“ und der Verlust von Aranien für das Reich. Zudem bleibt Answins trotz aller Sympathien ein Mensch, der auch seine negativen Seiten hat und der Fehler macht – gerade in seinem privaten Umfeld, wo er Menschen verletzt.

Fast zu zweiten Hauptfiguren werden der Kaiser Hal und Rabenmunds Gegenpart Dexter Nemrod. Vor allem Dexter Nemrod erhält ausreichend Beschreibungen, die seine Motive nachvollziehen lassen und einen charakterlichen Tiefgang mit allen Facetten ermöglichen. Obwohl so in offiziellen Publikationen des Rollenspiels nie beschrieben und erwähnt, sind die Verhaltensweisen doch trotzdem möglich und nachvollziehbar und erlauben auch hier wie bei Answin eine neue Sichtweise, die durchaus wahr sein könnte. Der Kaiser dagegen gibt ein unsympathisches Bild ab und kommt an vielen Stellen zu negativ rüber, sodass man Answin fast durchgängig wünscht, seine Pläne mögen aufgehen oder er möge das spezielle Geheimnis verraten, was er mit Hal teilt. Auch wenn der Kaiser Hal in der Vergangenheit in Rollenspielpublikationen zu positiv betrachtet wurde, ist dies manchmal etwas zu übertrieben, wenn auch notwendig, um Answins Motive besser klar werden zu lassen. Dies ist aber auch der einzig kleine Kritikpunkt an einem erneut fantastischen Roman der Autorin!

Fazit: Auch der zweite Band hält das hohe Niveau! Geradezu strotzend vor Detailreichtum, Spannung und einer exzellenten Einarbeitung in den aventurischen Hintergrund hat Michelle Schwefel erneut einen grandiosen Roman geschaffen, der einen Seite um Seite lesen und blättern lässt. „DSA“-Geschichte auf allerhöchstem Niveau!


Answin von Rabenmund II: Verrat (DSA-Roman Nr. 116)
Rollenspiel-Roman
Michelle Schwefel
Fantasy Productions 2010
ISBN: 3890644554
400 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 10,00

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