DSA 107: Löwin und Mantikor

Die Amazonen von Yeshinna sind ein stolzes kleines Volk. Im strengen Glauben an die Kriegsgöttin Rondra leben sie auf ihrer Burg in den Drachensteinen und scheren sich normalerweise kaum um die Belange der sie umgebenden Herzogtümer Weiden und Tobrien. Nicht nur deshalb haben sie sich in den vergangenen Jahrhunderten viele Feinde gemacht, denen der schlagfertige Kriegerinnenbund unter ihrer Hochkönigin Gilia ein Dorn im Auge ist. Kaum, dass die Bedrohung durch die Schergen des Dämonenmeisters Borbarad schwächer geworden ist, flammen alte Feindschaften wieder auf.

von Henning Mützlitz

 

Inhalt

Als eines Tages die Salzlieferungen ausbleiben, die die Festung Yeshinna dringend für den nahenden Winter benötigt, schicken die Amazonen die beiden Botinnen Inja und Zahira aus, um der Sache nachzugehen. Sie sollen den Weidener Händler zur Rede stellen, der sonst so verlässlich das Salz zum Pökeln geliefert hat. Doch Zahira wird bei einem brutalen Überfall getötet, und ihre Schülerin Inja überlebt nur aufgrund des Eingreifens einer Gruppe Söldner, die zufällig des Weges kommt. Zum ersten Mal außerhalb der Burgmauern auf sich alleine gestellt, muss sich die junge Amazone entscheiden, ob sie den Vorfall ihrer Oberin meldet oder der Sache selber auf den Grund geht.

Erethia, die Anführerin der Söldner, bietet ihr ihre Hilfe an, da sie von einem der Räuber verletzt wurde, und diesen nun zur Strecke bringen will. Zusammen reisen sie in Richtung Braunsfurt, quer durch die ländliche Gegend Weidens, des nördlichsten Herzogtums des Mittelreichs. In der Kleinstadt treffen Erethias Freundin Alena, die für sie Nachforschungen über den Händler anstellt. Immer wieder werden sie auf ihrer Reise, auf der sie sich nicht nur mit chauvinistischen Weidener Landadligen und Rinderbaronen herumschlagen müssen, von der neugierigen Bardin Elida Kauzinger genervt, die Gefallen an der mysteriösen Geschichte rund um den Überfall gefunden hat.

Nach und nach kommen mehr und mehr Details einer Verschwörung gegen die Amazonen von Yeshinna ans Licht. Die Urheber werden in der Herzogenstadt Trallop vermutet, weswegen sich die beiden grundlegend verschiedenen Frauen auf den Weg dorthin machen. Inja ahnt noch nicht, dass viele der Personen, denen sie unterwegs begegnen, tief in die Sache verwickelt sind.

Eine Geschichte für Einsteiger

Jochen Hahn und Karsten Kaeb erzählen mit „Löwin und Mantikor“ eine Geschichte aus der Weidener Provinz. Der Großteil des Romans wird aus der Perspektive der jungen und noch etwas weltfremden Amazone Inja erzählt, die mit ihrer Naivität das völlige Gegenstück zu ihrer Gefährtin, der abgebrühten Söldnerin Erethia, darstellt. Genau von diesem Gegensatz der beiden Frauen lebt das Buch im Wesentlichen. Obwohl sich beide dem Kampf als Profession verschrieben haben, kommt es immer wieder zu gegensätzlichen Meinungen darüber, wie bestimmte Probleme zu lösen sind: dort die geradlinige Rondra-Gläubige mit ihrem festen Ehrbegriff und auf der anderen Seite die zum Zynismus neigende Söldnerin, die für klingende Münze fast alles tun würde – Löwin und Mantikor. Ziemliche Stereotypen zwar, aber aufgrund ihrer detailverliebten Ausarbeitung lässt sich dies gerade noch verzeihen.

Eben jene Ambivalenz ist es auch, die die Geschichte am Leben erhält, denn der eigentliche Aufhänger für die Story, das Ausbleiben der Salzlieferungen an die Amazonen, lässt nicht wirklich Spannung aufkommen. Vermutet man zu Beginn noch eine weitreichende Verschwörung dunkler Kräfte hinter der Sache, entpuppt sich das Ganze bald als recht harmlose Intrige konservativer Kräfte, denen der strenggläubige Frauenbund schon immer ein Dorn im Auge war. Sicher erwartet man kein Heldenepos, das das Antlitz Aventuriens verändert, aber ein wenig mehr sollte die Handlung eines Romans schon hergeben, wenn sie den Leser fesseln soll. Auch das Ende des Buches verdient eher Anerkennung ob seines pädagogisch wertvollen Ansatzes anstatt seines fulminanten Showdowns.

So eignet sich die Geschichte wohl am ehesten für Einsteiger in das „DSA“-Universum, zum Beispiel für Jugendliche, die gerade mit dem Pen&Paper-Rollenspiel begonnen haben oder deren Interesse an Aventurien erstmals durch das Computerspiel „Drakensang“ geweckt wurde. Sprachlich werden keine großen Anforderungen gestellt, manche Passagen wirken sogar etwas hölzern und unbeholfen. Eine gute Lesbarkeit ist dennoch gegeben.

Auch die Einbettung in den aventurischen Hintergrund verlangt kein jahrelanges Studium umfangreicher Regionalspielhilfen: Die Region Weiden als Setting ist überschaubar und deutlich an das irdische Mittelalter angelehnt. Zudem werden viele Begrifflichkeiten, die jeder alte „DSA“-Hase zu seinem Grundwortschatz zählt, erläutert. Das Lektorat durch den ehemaligen „DSA“-Chefredakteur Florian Don-Schauen sorgt hier dafür, dass die aventurische Stimmigkeit gewahrt bleibt, ein Aspekt, der lobenswerterweise zur Regel zählt, seit die „DSA“-Romane bei Fanpro erscheinen.

Zur Ausstattung

Eine der Stärken des Romans, nämlich die gute Lesbarkeit für „DSA“-Neulinge, ist hinsichtlich der Ausstattung auch eine seiner größten Schwächen: Warum gibt es keine Regionalkarte von Weiden? Die Region ist für Unwissende nicht einmal auf der ohnehin kaum zu gebrauchenden Aventurienkarte zu finden. Für Neulinge spielt die Geschichte also im luftleeren Raum! Auch das Glossar zu Göttern, Geographie, Maßen und Währungen fehlt – ein weiterer Punkt, der ärgerlich ist und bei dem der Leser (und potentielle neue, junge „DSA“-Fan) alleine gelassen wird! Stattdessen findet sich eine Dramatis Personae, die man sich angesichts der überschaubaren Anzahl an Personen sowie der recht einfach gestrickten Handlung hätte sparen können. Hier wurde eine Chance zur Neuleserbindung seitens des Verlages vertan!

Fazit: „Löwin und Mantikor“ erzählt eine Geschichte abseits der großen Brandherde aventurischer Geschichte. Die Hauptcharaktere, und hier vor allem die Amazone Inja, werden zwar ziemlich klischeehaft, aber recht glaubwürdig und liebevoll entwickelt, während die Handlung leider deutlich an Spannung zu wünschen übrig lässt. Auch die sprachliche Ausgestaltung kann insgesamt nicht richtig überzeugen. So eignet sich der Roman am besten für Einsteiger, „DSA“-Veteranen werden dagegen wohl etwas enttäuscht sein.


Löwin und Mantikor (DSA-Roman Nr. 107)
Rollenspiel-Roman
Jochen Hahn, Karsten Kaeb
Fantasy Productions 2009
ISBN: 9783890642499
282 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,00

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