DSA 106: Todesstille

Das Bornland im Nordosten Aventuriens ist kalt, unwirtlich und bisweilen grausam. Mittendrin liegen die Rotaugensümpfe, um die alle Reisende gemeinhin einen großen Bogen zu machen pflegen. Ausgerechnet in deren Herz errichten einige Geweihte des Totengottes Boron einen Tempel in der verlassenen Burg Dornblut. Doch statt Stille und Abgeschiedenheit erwachen dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit wieder zum Leben und bringen den Geweihten und deren Leibeigenen Tod und Verderben.

von Henning Mützlitz

 

 

Inhalt

Der junge Bronnjarensohn Wulfjew zieht mit einigen Ordenbrüdern und -schwestern nach Burg Dornblut mitten in den verderbten Rotaugensümpfen. Wulfjews Vater hatte im Krieg gegen Uriel von Notmark und dessen Verbündete die dortigen Bronnjaren besiegt und deren Stammsitz der Boronkirche vermacht. In Ruhe und Einsamkeit wollen die Geweihten dort ihrem Dienst an dem Gott des Todes und Schlafes nachgehen. Schon kurz nach ihrem Eintreffen bemerken die Borondiener merkwürdige Verhaltensweisen bei den Leibeigenen, die ehemals den Dornbluts dienten. Dennoch gelingt es, sich miteinander zu arrangieren.

Kurze Zeit später treffen die beiden von ihren Herren entflohenen Leibeigenen Svetjana und Lonnet auf der Burg ein und werden aufgenommen. Auch mit einer jährlich anreisenden Norbadensippe sowie den benachbarten Goblins kann man sich arrangieren, allen Vorurteilen zum Trotz. Als die Geweihte Imalia jedoch eine geheime Kammer in einem Turm der Burg entdeckt, in der seltsame, gar blasphemische Schriftzeichen an den Wänden zu entdecken sind, und Wulfjew wegen dem Mord an seinem Hund ein Exempel an den Goblin statuiert, ereignen sich rund um die Burg immer wieder tragische Ereignisse.

Lonnet wendet sich von seiner geliebten Frau ab, die Familie eines anderen Leibeigenen wird grausam umgebracht, schließlich erhebt sich der Sumpf mit all seinen Bewohnern gegen die Geweihten und deren Diener. Ein dunkler Schrecken aus der Vergangenheit ist erwacht und plant, grausame Rache an denen zu nehmen, die er für sein Schicksal verantwortlich macht. Für Wulfjew, Imalia und ihre Freunde beginnt ein Kampf gegen Schrecken, von denen sie bisher nichts geahnt haben.

Das Bornland – ein schauriges Setting

Bernhard Craw hat mit „Todesstille“ einen für „DSA“-Verhältnisse eher ungewöhnlichen Roman vorgelegt: Weder handelt die Geschichte von einem unbedarften Junghelden, der mit naiver Einfältigkeit in irgendwelche turbulenten Ereignisse stürzt, noch wird eine bekannte aventurische Persönlichkeit in die Handlung eingebunden oder porträtiert. Abgeschieden von aller Welt wird eine kleine, auf engem Raum zusammenlebende Gruppe relativ „gewöhnlicher“ Menschen in den Mittelpunkt gerückt. Echte Helden sind dabei nicht wirklich zu finden.

Stattdessen bedient sich der Autor eines Settings, das bereits häufiger für aventurische Romane mit Horror-Elementen herhalten musste: Das Bornland mit seiner archaischen Feudalstruktur und den Weiten voller dunkler Wälder und alter Gefahren. Land und Leute sind sehr stimmungsvoll beschrieben, und auch sprachlich weiß sich der Autor den Gegebenheiten des ländlichen Bornlands anzupassen. Während „Die Zeit der Gräber“ (DSA 5 von 1995) von namenlosen Schrecken in den Totensümpfen handelt, und es in „Das Galgenschloss“ (DSA 33 von 1998) eine Vampirplage zu bekämpfen gilt, lauern in „Todesstille“ ganz andere Gefahren, die ebenfalls stimmig in das Gesamtbild eines düsteren Landes eingefügt wurden.

Dem Autor gelingt es dabei, zunächst eine bedrohliche und düstere Atmosphäre über Burg Dornblut und seiner Umgebung aufzubauen. In ersten Hinweisen erkennt der Leser, mit was er es im Verlauf des Buches zu tun bekommen wird. Hier funktioniert dies alles noch auf eine recht subtile Art und Weise, die man sonst selten in „DSA“-Romanen finden kann. Damit wird allerdings nach etwa der Hälfte des Buches gebrochen. Der Autor setzt hier bereits den Dampfhammer ein und verdeutlicht bei einem grausamen Massaker, das er auch imstande ist, dies verbal umzusetzen. Dies ist ein Knalleffekt, der die mitunter etwas dahinplätschernde Handlung in der ersten Hälfte des Romans zwar von nun an in Fahrt bringt, der Nachteil ist allerdings, dass damit die Messlatte sehr hoch gelegt worden ist, und viele spätere Schockeffekte wie kalter Kaffee wirken. Sinnvoller wäre hier sicherlich gewesen, die stetige Steigerung der Bedrohung und Gefahr weiterzuspinnen, und das volle Potenzial des Schreckens erst am Schluss des Buches einzusetzen.

Craw geht mit seinen Figuren äußerst hart um, kaum einer von ihnen werden extreme körperliche oder seelische Leiden erspart. Vor allem den Leibeigenen, die neben den Boroni im Mittelpunkt des Romans stehen, wird nichts geschenkt, egal ob es die harte Knute ihrer Herren ist oder die Gefahren des Sumpfes, die nach und nach erwachen. Einer nach dem anderen wird zum Opfer. Da die meisten Charaktere zwar bis zu einem gewissen Grad entwickelt werden, aber innerhalb der Handlung ständig die Perspektive wechselt, baut man leider keine allzu große Beziehung zu den Figuren auf, und nimmt letztlich deren Leiden relativ gleichgültig hin. Imalia und Wulfjew, die noch am ehesten als Hauptfiguren gelten können, sind dabei etwas herauszunehmen, allerdings ist Wulfjew von seinem Charakter her kein sonderlich sympathischer Zeitgenosse, sodass auch hier eine Identifikation nur sehr schwierig ist.

Zur Ausstattung

Das Titelbild von Tobias Brenner ist als ansprechend zu bezeichnen, und liefert einen dezenten Bezug zu verschiedenen Aspekten des Romans. Eine etwas dunklere Farbgebung hätte aber nicht schlecht gewirkt, um Aufmachung und Inhalt besser miteinander zu verknüpfen. Ein individuelles Glossar ist zwar vorhanden, es fehlt aber das sonst übliche zu den aventurischen Gottheiten. Da es allerdings fast ausschließlich um Boron geht, ist dieses zu vernachlässigen. Warum es jedoch nicht möglich ist, eine Regionalkarte des Bornlandes abzubilden, ist nur schwer verständlich. Die nichtssagende Aventurienkarte ist (wie auch bei den meisten vorherigen „DSA“-Romanen) ziemlich nutzlos.

Fazit: „Todesstille“ ist trotz einiger ins Auge fallender Schwächen ein durchaus empfehlenswerter Roman, der die Bücher der „DSA“-Reihe um eine neue Facette erweitert: den Horror – mal subtil im Hintergrund, mal blutrünstig mit Schockeffekt. Wer auf Lovecraft oder Cthulhu steht, wird hier sicherlich genauso bedient, wie der „DSA“-Fan, der eher die düsteren Seiten Aventuriens liebt. Wer allerdings eine nette oder lustige aventurische Geschichte für den Sommer sucht, ist dagegen mit anderen Romanen der Reihe sicher besser beraten.


Todesstille (DSA-Roman Nr. 106)
Rollenspiel-Roman
Bernard Craw
Fantasy Productions 2009
ISBN: 9783890642468
378 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,00

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