Die Zombies

Sie werden immer seltener, Wesen der Phantastik, zu denen noch kein Roman mit einem „Die + Volk“-Titel geschrieben wurde. Thomas Plischke, der vor allem durch seine Reihe „Die zerrissenen Reiche“ bekannt ist, hat trotz allem noch eine Lücke in der Reihe der Völker-Romane gefunden und sie geschlossen. Dabei ist ein spannender, unheimlicher und origineller Roman entstanden.

von Andrea Bottlinger

 

Zombies sind allgemein als schlurfende, gammelige Geschöpfe mit sehr begrenztem Wortschatz bekannt, die sich bevorzugt in der Nähe von Einkaufszentren herumtreiben, um darauf zu warten, dass die letzten Überlebenden einen Ausbruchsversuch wagen. Diese Beschreibung trifft nur zum Teil auf die Protagonisten von „Die Zombies“ zu. Auf Einkaufszentren muss der Leser sogar vollständig verzichten.

In seinem Nachwort schreibt der Autor, dass er und sein Co-Autor Ole Johan Christiansen zu Anfang geplant hatten, eine klassische Zombie-Apokalypse zu schreiben. Doch was lässt sich damit noch Neues machen? Letztendlich kamen die beiden von der Idee ab und wählten stattdessen einen Ansatz, der etwas abseits der ausgetretenen Pfade liegt. In dem daraus entstandenen Roman kann der Leser unter anderem das Zombie-Dasein aus der Sicht eines Untoten erleben. Gleichzeitig werden Genre-Kenner in den „Zombies“ einige vertraute Ideen und Szenen wiederfinden. So entsteht ein Roman, der trotz seiner Originalität nicht mit den altbewährten Regeln des Zombie-Genres bricht.

Worum es geht

Lily ist eine Anthropologie-Studentin, die gerade an ihrer Abschlussarbeit zum Thema der Mythen über Untote in aller Welt schreibt. Mit dieser Arbeit macht sie Zombie-Jäger und lebende Tote gleichermaßen auf sich aufmerksam. Ehe sie es sich versieht, ist sie mittendrin in den Mythen, die deutlich mehr Wahrheit enthalten, als sie gedacht hätte, und wird selbst zu einem der Geschöpfe, über die sie zuvor nur geschrieben hat.

Gottlieb ist bis über beide Ohren in Lily verliebt, doch da gibt es ein Problem. Er gehört zu der Familie der Bergers, die seit Jahrhunderten Traditionen pflegt, die eng in Zusammenhang mit Lilys Forschungen stehen. Als sein Vater stirbt und er dessen Platz einnehmen muss, um die Familiengeschäfte zu leiten, geht er nicht davon aus, Lily jemals wiederzusehen.

Zuletzt gibt es da noch den 16-jährigen Ben, der in einem abgelegenen schottischen Dorf lebt, das ein ganz eigenes Glaubenssystem hat. Dort werden die so genannten „Alten“ fast wie Götter verehrt, denen bestimmte Opfer gebracht werden müssen, damit sie das Dorf schützen.

Die drei Handlungsstränge laufen schließlich in einem großen Finale zusammen und ergeben gemeinsam ein äußerst beunruhigendes Bild.

Eine gute Mischung „Die Zombies“ ist vor allem eine gute Mischung zwischen Altbewährtem und neuen Ideen. Es gibt sowohl die dummen, schlurfenden Untoten als auch die intelligenten, die mehr oder weniger unerkannt unter den Menschen leben. Dies alles wird mit den verschiedenen Mythen aus aller Welt in Verbindung gebracht, von denen man in Auszügen aus Lilys Arbeit erfährt und die die Existenz der lebenden Toten umso glaubhafter machen.

Obwohl die Protagonistin des Romans selbst zu einem Zombie wird, verlieren die Untoten nie vollständig ihren Schrecken für den Leser. Lilys Kampf mit dem Hunger und der stückweise Verlust ihrer Menschlichkeit werden sehr eindrucksvoll geschildert. Dabei werden unter anderem für Vampirromane typische Themen aufgegriffen, jedoch deutlich verschärft. Während ein Vampir noch die Wahl hat, seine Opfer am Leben zu lassen, muss ein Zombie seine Beute zwangsläufig mindestens verstümmeln, um zu einer Mahlzeit zu kommen.

So enthält das Buch einige Szenen, die nicht für Leser mit schwachem Magen geeignet sind. Wie Lily eine Taube verspeist, wirkt da noch harmlos im Vergleich zu einer Szene später im Buch, in der man ein bizarres Mannwerdungsritual miterleben darf, das in einem abgelegenen Dorf in Schottland durchgeführt wird.

Besagtes schottisches Dorf gibt allerdings auch Anlass zur Kritik. Sehr spät im Roman wird hier noch ein neuer Charakter eingeführt, aus dessen Sicht erzählt wird. Mit ihm kommen neue Schauplätze und neue Hintergrundiformationen, sodass man das Gefühl hat, man würde einen vollständig neuen Roman beginnen, der nur zufällig ein ähnliches Thema behandelt wie Lilys und Gottliebs Geschichte. Es dauert eine Weile, bis die Zusammenhänge deutlich werden und man wieder vollständig in die Handlung hineinfindet.

Fazit: Abgesehen von diesem einen Kritikpunkt, ist „Die Zombies“ ein packender Roman, der eine interessante Geschichte erzählt. Zombie-Fans ist „Die Zombies“ auf jeden Fall zu empfehlen, aber auch diejenigen Leser, die bisher mit der schlurfenden, hirnlosen Variante der Untonten nichts anfangen konnten, könnten von diesem Roman positiv überrascht werden.


Die Zombies
Horror/Mystery-Roman
Thomas Plischke
Piper Verlag 2010
ISBN: 978-3-492-26746-5
479 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 12,95

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