von Tobias Dworschak
Wie alle Ausgaben des Abenteuerpfades umfasst auch der vierte Teil 100 Seiten, worin die wichtigsten Karten enthalten sind. Darstellung und Layout genügen dem gewohnt hohen Niveau. Das kalte Blau setzt die richtige Stimmung für das Abenteuer. NSC sind durch gelungene Illustrationen dargestellt, ansonsten hätten es gerne auch mehr Bilder sein dürfen. Dies umso mehr, als dass das Abenteuer die Charaktere auf einen fremden Planeten entführt und ich hier eine bildliche Darstellung der Besonderheiten immer hilfreich finde.
Matthew Goodall hat vor allem mit seinem Beitrag zum Abenteuerpfad „Unter Piraten“ auf sich aufmerksam gemacht, ist aber nach dem vorliegenden Heft eher ruhig geworden was „Pathfinder“-Publikationen betrifft. Das ist insofern schade, als dass der Autor bisher mit einigen sehr guten Ideen glänzen konnte. 2010 gewann er den RPG-Superstar-Wettbewerb von Paizo.
Flankiert wird das Abenteuer „Frostige Fremde“ wie gewohnt von einer Galerie wichtiger NSC – seien es Freunde oder Feinde –, einer Sammlung ungewöhnlicher, neuer Schätze und einem Bestiarium. Daneben glänzt in dem vorliegenden Band mit „Planet der Drachen“ eine sehr ausführliche Beschreibung des fernen Planeten Triaxus. Doppelt so umfangreich wie andere Hintergrundartikel (weil es in diesem Band keinen zweiten gibt), hat die Beschreibung angenehm viel Raum, um es mir als Spielleiter zu erlauben, den Planeten gut vorzubereiten und mir Gedanken darüber zu machen, wie ich meinen Spielern ein Gefühl von Fremde vermitteln kann.
Wenden wir uns – nach der obligatorischen Spoilerwarnung und dem Hinweis darauf, dass derjenige, der das Abenteuer noch als Spieler erleben möchte, zum Fazit springen möge – dem Abenteuer zu.
Wie üblich gilt es für die Charaktere zunächst, sich in der veränderten Konfiguration der Hütte zurecht und dort die Hinweise darauf zu finden, welche Gegenständen für die Fortsetzung der Reise benötigt werden. Diesmal präsentiert sich die Hütte als weitläufiger Garten, in dem Baba Yaga unterschiedliche Kräuter und Kreaturen gesammelt hat. Unter letzteren können die Charaktere Verbündete gewinnen; letztlich geht es aber vor allem darum, die Hinweise zu entdecken.
Auf mich wirkt dieser Hütten-Teil etwas aufgesetzt und ich bin unsicher, ob er wirklich erforderlich ist, um die Eigenartigkeit der Hütte zu illustrieren. Schwierig ist auch, dass die Charaktere die Möglichkeit haben, einen extradimensionalen Händler zu befreien, der künftig bereit ist, die gefundenen Schätze zu kaufen und gegebenenfalls auch neue Ausrüstung heranschaffen kann. Quasi der praktische Taschenhändler in Baba Yagas Hütte.
Den Charakteren sollte klar werden, dass sie für die nächste Etappe zwei Dinge benötigen: einen zweiköpfigen Adler und ein Bärenfell. Kurz danach wird ihnen klar werden, dass sie Golarion verlassen haben und sich auf dem Planeten Triaxus befinden, der gerade eine langanhaltende Winterphase durchläuft.
Die Charaktere sind zudem mitten in einen Konflikt zwischen der Legion der Drachenreitern und der Barbarenarmee des Drachenkriegsherrn Yrax geraten. Zu allem Überfluss befinden sich die gesuchten Schlüssel zum einen in der belagerten Burg Hornwall, zum anderen im Palast des Kriegsherrn, sodass die Charaktere gar keine Wahl haben, als sich an diesem Konflikt zu beteiligen.
Dabei fällt zuallererst sehr positiv auf, dass Matthew Goodall den Charakteren hier die freie Wahl der Seiten lässt. Schließen sie sich den Drachenreitern an oder unterstützen sie die Bemühungen zur Erstürmung der belagerten Burg? Die Charaktere können auch versuchen, neutral zu bleiben und die Burg zu infiltrieren. Für all diese Möglichkeiten bietet das Abenteuer Auswirkungen und Begegnungen, sodass ich als Spielleiter stets ein gutes Bild davon habe, welche Konsequenzen das Tun der Charaktere hat. Das ist nicht immer im Detail gut gelöst, aber etwas zusätzliche Arbeit kann ich mir als Spielleiter noch machen.
Die Charaktere sind nicht darauf festgelegt, zuerst die Ereignisse um die Belagerung zu lösen, sondern könnten sich auch zunächst dem Palast zuwenden (wodurch ich natürlich die Stärke der Begegnungen anpassen muss). Das Abenteuer ist voll von einzigartigen Charakteren, die sich an die Seite der Helden schlagen oder gegen sie stellen können. Als Spielleiter steht mir hier insgesamt ein großer Fundus an Requisiten zur Verfügung, um das Abenteuer auf Triaxus zu erzählen. Gerade auch die Beschreibung der Welt und fokussiert der Region, in dem die Spieler sich aufhalten, unterstützen mich dabei gut. Das Maß der Freiheit wirkt überraschend groß.
Was mir dann wieder nicht so gut gefällt ist die Art, wie die Schlacht um die Burg gelöst wird – natürlich aus einer Reihe von Begegnungen. Der Anführer der jeweiligen Seite schickt die Charaktere gerade dort hin, wo sie gebraucht werden; ein wenig fehlt mir aber beim Lesen die Verknüpfungen der einzelnen Begegnungen. Hier ist sicher eine ergänzende Darstellung der Schlacht notwendig. Und um ehrlich zu sein, hätte ich mir hierzu noch den einen oder anderen Hinweis gewünscht.
Apropos fehlen: Zwar ist der Palast des Drachenkriegsherrn Yrax ausführlich beschrieben, allerdings fehlt selbst eine Karte der ihn umgebenden Stadt völlig. Sicherlich kann ich mir als Spielleiter das Anschleichen in eine fremde Stadt ausdenken; die Unterstützung durch eine Karte würde mir dabei aber wertvolle Dienste leisten. Und diese wäre mir lieber gewesen als die Ausarbeitung zweier möglicher Begegnungen mit Wachen.
Überrascht hat mich der kurze Hinweis darauf, wie ich die Fremdartigkeit des Planeten darstellen kann. Im Grunde lautet der einfache Tipp: verliere dich nicht im Großen, sondern achte auf Details. Der Geschmack des Essens, der optische Effekt eines bekannten Zaubers, die Kleidung. Ich glaube, gerade mit Details lassen sich die Unterschiede zu Golarion gut betonen. Hinzu kommen die wirklich gut ausgearbeiteten Nichtspielercharaktere, die mir als Spielleiter die Möglichkeit geben, die Besonderheiten weiter herauszuarbeiten.
Fazit: Mittels der Hütte von Baba Yaga ist es trivial, einen fremden Planeten zu erreichen. Das, was die Charaktere dort erleben, könnte mangels der Herausforderungen einer solchen Reise auch in einem vergessenen Tal stattfinden. Das ist schade. Meines Erachtens leidet der Schauplatz darunter, den ich ansonsten sehr gelungen finde. Das Abenteuer gibt den Spielern große Freiheiten und dem Spielleiter Mittel, um darauf angemessen zu reagieren, ohne sich selbst Gedanken über jeden anderen Weg machen zu müssen. Das beansprucht viel Platz auf den Seiten, der für mich am Ende fehlt. „Frostige Fremde“ ist der zweite Band des Abenteuerpfades, der in mir den Wunsch geweckt hat, den Abenteuerpfad zu spielen.
Die Winterkönigin 4/6 – Frostige Fremde
Pathfinder-Abenteuerpfad
Matthew Goodall u.a.
ISBN: 978-3-95752-004-3
96 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 22,95
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