Die Winterkönigin 3: Tod in der Tundra

Das wesentliche Element des Abenteuerpfades „Die Winterkönigin“ ist es, die unterschiedlichsten, exotischen Schauplätze für die Kampagne zu besuchen. Dabei gilt es stets, der Spur Baba Jagas zu folgen, um das Verschwinden der Hexenkönigin aufzuklären. Die Charaktere haben sich im zweiten Teil der Hütte bemächtigt und treten nun im dritten Teil ihre Reise erst richtig an.

von Tobias Dworschak

 

Das Abenteuer kommt mit 100 vollfarbigen, professionell layouteten Seiten im zweispaltigen Satz daher. Neben dem Text finden sich am Ende Karten der Schauplätze, wegen der fehlenden Beschriftung durchaus geeignet als Handouts für die Spieler. Beim ersten Durchblättern scheint der Band etwas textlastig zu sein. Zwar gibt es hier und da wirklich gelungene Illustrationen, doch hätte es davon gerne mehr sein dürfen.

Autor des Abenteuers ist Tim Hitchcock, ein wahrer „Pathfinder“-Veteran, der auf eine beeindruckende Veröffentlichungsliste blicken kann, darunter auch viele wirklich spannende und originelle Abenteuer.

Neben dem dritten Teil des Abenteuerpfades enthält das vorliegende Heft erneut ergänzende Artikel. Neben Schätzen und NSC aus dem Abenteuer, die auf acht Seiten Raum für einen ausgereiften Hintergrund nebst Motivation und Rolle in der Kampagne haben, stehen diesmal vor allem der Dämonenherrscher Kostschitschie und der Landstrich der Dvezdamarsch im Vordergrund.

Kostschitschie ist der Dämonenherrscher der Rache, der zum einen eine offene Rechnung mit Baba Jaga hat, zum anderen vor allem von Frostriesen, Eistrollen, Hügelriesen und dergleichen verehrt wird; also Kreaturen, die in diesem Abenteuer eine Rolle spielen. Die Beleuchtung Kostschitschies und seines Hintergrunds ist von gewohnt guter Qualität. Wir lernen das Leben des einstigen Kriegsherren kennen, die Aufgaben seiner Priester, Feiertage, Gebote und so weiter. Der konkrete Bezug zur Kampagne fehlt mir etwas, aber zur Erweiterung des Pantheons der Dämonenherrscher finde ich den Text gelungen.

Im Gegensatz dazu kann ich die fünf Seiten „lange“ Beschreibung der Dvezdamarsch unmittelbar im Abenteuer einsetzen und so die Reise der Charaktere von der Tanzenden Hütte der Baba Jaga nach Khasakh ausgestalten. Ich lerne Stämme kennen, die in der Marsch leben, erfahre etwas über die Geschichte des Landstrichs und über die Seuchen, die auch den Kontinent Iobaria zu kennzeichnen scheinen und bekomme neben einem großen Dorf spannende NSC, die ich einsetzen kann. Trotz der Kürze des Artikels finde ich hier genug Inspiration, um auch auf Umwege der Spieler reagieren zu können.

Das Abenteuer „Tod in der Tundra“ selbst – und damit folgt die obligatorische Spoilerwarnung! – ist in drei Teile gegliedert, wovon der erste in der Hütte spielt. Die Hütte nimmt – und insofern greife ich den folgenden Abschnitten des Abenteuerpfades vor – je nach Aufenthaltsort eine andere Konfiguration an. Da es sich um ein mächtiges Artefakt handelt, muss sie sich auch nicht um räumliche Begrenzungen kümmern. Das Ziel der Charaktere ist es, durch die Gegend zu reisen, jeweils Gegenstände zu sammeln, die sie in den Kessel der Hütte (die einzige wirkliche Konstante in den Konfigurationen) werfen, um so zum nächsten Ort zu reisen.

Das Erforschen der Konfigurationen dient vielleicht als Substitut für die spannenden Reisen an sich. Oder dazu, die Magie der Hütte zu unterstreichen oder dazu, noch etwas mehr Abenteuer zu füllen. Kurz: Für mich hätte es das nicht gebraucht. Mein Hauptproblem damit ist, dass sich die Reisen so nicht als Reisen anfühlen. Die Charaktere steigen in die Hütte, werfen Schlüssel in einen Kessel und sind woanders, wo sie die nächsten Schlüssel suchen. Dass diese Orte – wie im vorliegenden Teil – andere Kontinente oder – später – andere Planeten oder Dimensionen sind, spielt insofern keine Rolle, weil das Hinkommen nicht die eigentliche Herausforderung ist. Für mich werden ungewöhnliche Schauplätze auch dadurch ungewöhnlich, dass es schon ein Abenteuer ist, sie überhaupt zu erreichen. In diesem Sinne spreche ich dann von Substitut durch das Erforschen der Konfiguration.

Isoliert betrachtet ist das in dem Abenteuer hier gelungen, bietet es doch eine Mischung aus Rätseln und kämpferischen sowie rollenspielerischen Herausforderungen. Haben die Charaktere erst einmal herausgefunden, welche Schlüssel sie nun suchen müssen, können sie die Hütte verlassen und sich auf dem fernen Kontinent Iobaria der Zentauren erwehren.

Der Hauptteil des Abenteuers spielt in einem Dungeon, der sich in drei monumentalen Statuen verbirgt. Auf dem Weg dorthin – dem zweiten Teil des Abenteuers – geht es durch eine winterliche Wildnis, die mit Hilfe des Hintergrundartikels aus dem Heft weiter mit Leben erfüllt werden kann.

Der Dungeon bietet vor allem gewohnte Kost, die für meinen Geschmack zu sehr an die Grenzen einer glaubhaften Bevölkerung geht; neben den Kreaturen, die im Laufe der Zeit dort gefangen genommen wurden oder andere Weise dorthin gelangt sind, ist der Dungeon jüngst von einem Zentauren mit seinen Frostriesen-Verbündeten überrannt worden. Das ist eine bunte Mischung unterschiedlicher Gegner, die unterschiedliche Anforderungen an die Gruppe stellen, wirkt aber auf mich zu sehr zusammen gewürfelt.

Spannend wird dieser Hauptteil vor allem dadurch, dass der Dungeon – der aus drei unterschiedlichen Bereichen (einer für jede Statue) besteht – eine Wächterin hat und diese in eine uralte Intrige verwickelt ist. Die Charaktere haben hier vielfältige Möglichkeiten, rollenspielerisch aktiv zu werden. Sie können so auch eine Menge über Baba Yaga und die Spieltwelt erfahren. Die drei Statuen – übrigens von der Hexenkönigin geschaffen – sollen die drei unterschiedlichen Phasen im Leben einer Frau darstellen: die Maid, die Mutter und das alte Weib. Passend zu dieser Darstellung verändert sich auch die Wächterin des Dungeons und passend dazu präsentieren sich auch die Teile des Dungeons selbst. Das ist aus meiner Sicht originell designt.

Fazit: Wenn ich die Teile des Abenteuers isoliert betrachte, bietet jeder Stoff für viele spannende Spielabende. Jeder Teil bringt neue Herausforderungen mit sich und liest sich so spannend, dass ich den Abenteuerpfad trotz meiner Vorbehalte gerne mal spielen würde. Der größten Vorbehalt hier: Die Reise zu exotischen Orten fühlt sich nicht so an. Und die Suche nach Baba Jaga wirkt zu sehr nach einem künstlich (auf sechs Teile) ausgedehnten Abenteuerpfad, in dem es nur darum geht, an einem Ort die Schlüssel zu finden, um am nächsten Ort die nächsten Schlüssel zu finden und so weiter – wie eine Matrjoschka …


Die Winterkönigin 3/6 – Tod in der Tundra
Pathfinder-Abenteuerpfad
Tim Hitchcock u.a.
Ulisses Spiele 2014
ISBN: 978-3-95752-003-6
96 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 22,95

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