Die Wikinger-Saga

„Auf nach Asgard!“ mag der Schrei gewesen sein, mit dem sich ganze Gruppen von Wikingern in die Riemen warfen, um sich mit ihren Abenteuern Einlass in die Hallen des Ruhms zu verdienen.

von KaiM

Bei der „Wikinger-Saga“ haben zwei bis vier Spieler nun die Chance, eine Gruppe tollkühner Helden durch sagenhafte Lande bis hin zur Regenbogenbrücke zu führen. Am Schluss soll sich schließlich entscheiden, welche der Horden am ehrenvollsten war und in Asgard einziehen würde.

Zu Beginn hat man nur eine kleine Truppe wackerer Wikinger und startet in sanften Landen zum ersten Teil der Reise. Jeder Spieler setzt die Teilnehmer seiner Gruppe ein, um Ruhm und Ehre zu erhalten, aber auch Gold, die Gunst der Götter oder andere Vorteile. Am Ende jedes Abenteuers schließen sich der Gruppe weitere Recken an, die sich jedoch nur durch das erbeutete Gold anheuern lassen. Außerdem sind die Reisen gefährlich und leider muss immer mindestens einer der Gruppe vorauseilen und sich für die letzte Schlacht wappnen, die auf dem Weg nach Asgard geschlagen werden muss.

Dadurch verändert sich jede Gruppe ständig, und von Abschnitt zu Abschnitt der Reise stehen die Fähigkeiten der unterschiedlichsten großen und kleinen Helden zur Verfügung. In acht beschwerlichen Abenteuern zu Land und auf der See betreten die Gruppen die legendärsten Orte und haben es mit den ungewöhnlichsten Kreaturen zu tun. Den letzten Weg können jedoch nur all die gefallenen Helden gemeinsam gehen, denn über die Regenbogenbrücke Bifröst geht kein lebender Wikinger. Auf diesem letzten Abschnitt kann der Ruhm der Gruppe nochmals gemehrt werden, aber nur die Besten gehen in die Geschichte ein und nur ein Spieler wird den Sieg davontragen.

„Die Wikinger-Saga“ ist für alle Spielerzahlen gleich gut geeignet und dauert laut Packungsangabe um die 60 Minuten. Ich persönlich würde immer etwas mehr Zeit dafür einplanen, insbesondere wenn man die Beschreibungen der Reiseabschnitte vorliest. Diese sind für das Spiel zwar unerheblich, sorgen aber für eine gewisse Stimmung am Tisch. Die Altersempfehlung liegt bei zwölf Jahren, die ich mir hauptsächlich durch das kriegerische Thema erklären kann. Die Mechaniken sind aber überschaubar, sodass auch jüngere Spieler ihren Spaß haben dürften.



Das Material

Jede Menge Dinge stecken in der Box im Schmidt-Spiele-typischen Format. Neben dem Spielplan, einem ominösem Pappstreifen und einem Weiteren in Form eines Langboots fallen sofort die insgesamt 220 Spielkarten ins Auge. Außerdem gibt es noch einen männlichen Wikingeraufsteller, ein paar Marker und Holzfiguren für die Spieler. Die Box ist funktional gut durchdacht, sodass alles seinen Platz findet. Man muss ein wenig Ordnung halten, aber das ist bei diesem Spiel ohnehin unerlässlich, wenn man die nächste Partie nicht erst einige Stunden mit dem Sortieren von Material verbringen möchte. Ich werde allerdings nie verstehen, wie man der Meinung sein kann, es wäre komfortabel, die runden Pappmünzen wie bei einer Kleingeldrolle in einem Tiefziehteil nebeneinanderzustellen. Zumindest meine Finger sind dafür zu ungeschickt, aber das ist nur ein kleiner Makel der sonst gut durchdachten Verpackung.

Die Regeln sind gut geschrieben und helfen, die üppigen Symbole zu verstehen. Man wird gut durch den Spielfluss geleitet und lernt nach und nach die Besonderheiten kennen. Für den schnellen Spieleinstieg gibt es ein zusätzliches Blatt. So ist es möglich, das Tutorial gemeinsam direkt nach dem Auspacken zu spielen und sich anschließend in das wahre Abenteuer zu stürzen. Das funktioniert aus meiner Sicht gut. Für eine volle Partie muss man aber doch einiges an Zeit mitbringen, wenn man die Regeln gemeinsam durcharbeitet. Zusätzlich bietet das Regelheft eine gute Symbolübersicht und ein Glossar der Karten mit Erklärungen zu den Kartentexten, sodass selten eine Frage offen bleibt. Mindestens die Rückseite der Regeln mit der Symbolübersicht sollte man immer griffbereit halten.

Michael Menzel hat alle Figuren und Orte sehr schön illustriert und sorgt für eine mystische Stimmung. Man kann die kalte Luft des Nordens beinahe spüren, den Glanz der alten Götter sehen und den Duft von Abenteuern und legendären Orten beinahe riechen.



In Summe habe ich am Material, den Regeln und der Spielgestaltung nichts auszusetzen. Allerdings finde ich es schwer verständlich, wenn in einem Wikinger-Spiel, bei dem so viel Wert auf die sagenhafte Welt der nördlichen Völker gelegt wurde, Hörner an die Helme gedichtet werden. Ich kann mir das nur als Marketingentscheidung erklären und finde es schade. Mit ein wenig Mühe wäre eine tolle grafische Umsetzung von Cover und Siegpunktsymbol bestimmt auch ohne Hörner gelungen.

Das Spiel

Die Grundmechanik des Spiels ist ein Deckbuilder. Jede Runde werden Karten vom eigenen Stapel gezogen und am Ende eines Abenteuers wird das Deck durch zusätzliche Karten ergänzt. Aber es kommen nicht nur wertvolle Karten hinzu, denn man muss sich auch jede Runde von einer Karte trennen. Anders als in anderen Spielen dieser Art möchte man aber nicht nur störende Karten loswerden. Im Gegenteil, denn man baut sich im Laufe des Spiels ein eigenes Deck für das letzte Abenteuer auf, wobei man auf die Ausgewogenheit des Decks Acht geben muss. Diese Variante des doppelten Deckbuildings finde ich sehr innovativ und gelungen.

Jedes Abenteuer läuft dabei vergleichsweise einfach ab. Auf einer Schrittleiste des Spielplans wird das Abenteuer platziert, welches mit seinen ganz eigenen Belohnungen und möglichen Strafen daher kommt. Zudem enthält es Anweisungen wo noch weitere zufällig gezogene Belohnungen oder Strafen zu platzieren sind. Dann kommen alle Spielfiguren auf eine eigene Leiste (Odins Pfad), die ebenfalls auf dem Spielplan platziert wird. In jeder Runde wird diese Leiste ein Stück nach vorne in Richtung Ziel gezogen. Die Weite wird dabei zufällig über ein eigenes Kartendeck bestimmt. So werden alle Spielfiguren dem Ziel gleichzeitig näher gebracht.



Nun wählen alle Spieler einen Wikinger von der Hand und setzen ihre Spielfigur um ein paar weitere Schritte voran. Landet eine Figur dabei auf einem Feld mit einem Belohnungsplättchen, wird dies sofort ausgeführt. Alle Spieler müssen dabei so lange weitermachen, bis ihre Figur auf der Abenteuerkarte landet, die ihrerseits selbst acht Schritte lang ist. Hat man das Ziel erreicht darf man auch noch weiter machen, aber man kann nie wissen, wie weit die Wikinger auf Odins Pfad als nächstes geführt werden und schießt man über das Ziel hinaus, muss man mit ordentlichen Strafen rechnen. Sobald alle Spieler das Abenteuer abgeschlossen haben, muss man einen der ausgespielten Wikinger in Richtung Walhalla schicken und dieser wartet dann geduldig auf den letzten Einsatz. Anschließend werden neue Wikinger angeheuert, die sich von Abenteuer zu Abenteuer unterscheiden können. Ist auch dies erledigt, begibt sich die Gruppe wieder auf die Reise und das Spiel beginnt von vorn.

Sind schließlich alle acht Abschnitte gemeistert, werden die noch lebenden Wikinger beiseite gelegt, denn nun geht es über die Regenbogenbrücke, die nur die gefallenen Helden betreten dürfen. In diesem zweiteiligen Abenteuer können die Spieler nochmals eine Menge Ruhm ernten oder auch verlieren, und auch die Vorgeschichte der Helden trägt noch zum Endergebnis bei. Schließlich werden alle gesammelten Ruhmespunkte zusammengezählt und derjenige Spieler gewinnt, der am meisten davon gesammelt hat.

Auf den ersten Blick fragt man sich, ob das glückslastige Geschiebe überhaupt Spaß machen kann, aber tatsächlich merkt man schnell, wenn man sein Deck schlecht zusammengebaut hat. Man muss sich also schon überlegen, welche Wikinger man kauft. Außerdem haben die Wikinger alle Spezialfertigkeiten, die besondere Effekte hervorrufen. Zudem haben die Autoren ordentlich was in die Kiste gepackt. Es gibt acht verschiedene Länder im normalen Spiel, die man bereisen kann, und dort jeweils drei verschiedene Abenteuer, die man bestehen kann. Jedes Land bietet andere Wikinger zum Anheuern und da nur drei Länder pro Spiel verwendet werden, gibt es jede Menge Kombinationsmöglichkeiten.



Auch wird durch die Vielfalt der Spezialfertigkeiten ein großer Spielraum für verschiedene Taktiken geboten. Neben dem permanenten Rennen um Geld und Siegpunkte in den einzelnen Abenteuern bietet das Finale auf der Regenbogenbrücke in Richtung Asgard einen spannenden Abschluss, und meist entscheidet sich erst ganz am Ende, wer den Sieg davontragen wird. Hier kommt es ganz auf die gewählte Taktik an, sodass der Punktestand vor dem Finale nie auf einen klaren Favoriten  hinweist. So ergibt sich ein hoher Wiederspielreiz, der durch die unterschiedlichen Kombinationen aus Wikingern in jedem Abenteuer verstärkt wird. Nach anfänglicher Skepsis habe ich einige spannende Partien erlebt und bin noch nicht müde, es wieder zu spielen.

Fazit: Den Autoren Christian Fiore und Knut Happel ist es gelungen, ein einfaches Spielprinzip nicht nur sehr spannend umzusetzen, sondern auch so tief in das Thema einzubetten, dass man sich trotz aller Abstraktheit in die Welt der Wikinger versetzt fühlt. In jedem Abenteuer fiebert man auf die richtigen Karten, verflucht Odins Pfad und hadert mit schlechten Kaufentscheidungen. Ein spannendes Finale ist in jeder Partie vorprogrammiert. Ein tolles, gehobenes Familienspiel, dem bisher viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde.

Die Wikinger-Saga
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren
Christian Fiore, Knut Happel
Schmidt Spiele 2020
EAN: 4001504493691
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 38,49

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