Christoph Hardebusch ist durch seine Völkerromane zu den Trollen bekannt geworden und setzte seinen Erfolg mit der „Sturmwelten“-Trilogie fort, einer Seefahrergeschichte vor fantastischer Kulisse. Mit seinem neuesten Buch verabschiedet er sich von den vollständig fiktiven Welten, ohne seine Wurzeln ganz zu verleugnen: „Die Werwölfe“ ist ein Völkerroman, der im Europa des 19. Jahrhunderts spielt.

Worum es geht

Als der junge Italiener Niccolo Viviani von seinem Vater auf Grand Tour geschickt wird, bestehen seine größten Probleme aus den Fragen, wie er dem Militärdienst entgehen und um die Hand seiner geliebten Valentine anhalten soll. Dann jedoch lernt er am Genfer See eine Gruppe englischer Dichter um Lord Byron kennen. Die Engländer scheren sich nicht um gesellschaftliche Zwänge. Das ist allerdings noch nicht alles, was sie von anderen Menschen unterscheidet. Als Niccolo ihr Geheimnis erfährt und in ihr Rudel aufgenommen werden soll, zwingt ihn die Einmischung des Vatikans, Valentine aufzugeben und zu fliehen. Von diesem Moment an beginnt eine Suche, die ihm immer mehr über seine eigene Natur enthüllt und bei der er immer wieder bekannten historischen Persönlichkeiten begegnet.

Was Niccolo nicht weiß, ist, dass er Valentine in Gesellschaft eines Vampirs zurücklässt, der ebenfalls schon lange von den Häschern des Vatikans gejagt wird.

Ein phantastischer Roman

Christoph Hardebusch gelingt es, in eine frühere Epoche der phantastischen Literatur zurückzukehren. Er erweckt nicht nur Dichter wie Byron und Shelley wieder zum Leben, indem er ihnen eine nicht unbedeutende Rolle in seinem Roman zuweist, sondern orientiert sich auch sprachlich am Stil der Zeit, ohne jedoch zu sehr von dem abzuweichen, was man als moderner Leser gewohnt ist.

Niccolos Geschichte fügt er mit viel Liebe zum Detail zwischen historische Ereignisse ein, sodass man das Gefühl bekommt, sie wäre Teil eines größeren Ganzen. Dabei konzentriert sich „Die Werwölfe“ stark auf die Charaktere Niccolo und Valentine, auf die Entdeckungen, die Niccolo über sich selbst macht, und auf die Art, wie die Ereignisse Valentine verändern. Eine ganze Länder betreffende Bedrohung gibt es auch, doch wirkt sie im Vergleich zum persönlichen Schicksal der Charaktere unwichtig, und dient mehr dazu, eine glaubwürdige Motivation für Niccolos Gegenspieler zu schaffen.

Die Werwölfe selbst stellen eine faszinierende Mischung aus verschiedenen Mythologien und literarischer Tradition dar. So ergeben sich je nach Kulturkreis sehr unterschiedliche Werwolfbilder, von geachteten Mitgliedern der Gesellschaft bis hin zu bösen Kreaturen, die um jeden Preis vernichtet werden müssen. Selbst zu den Vampiren, von denen die phantastische Literatur schon wahrhaft viele Variationen gesehen hat, fällt Christoph Hardebusch etwas Neues ein, und er macht auch sie damit wieder interessant.

Wer allerdings große Action erwartet, ist mit „Die Werwölfe“ schlecht beraten. Es wird viel Zeit auf Niccolos Reisen und Nachforschungen verwendet, an einigen Stellen sogar ein wenige zu viel Zeit. Leser jedoch, für die eine spannende Handlung nicht unbedingt alle paar Seiten einen Kampf oder eine Verfolgungsjagd braucht, werden die Lektüre dieses Romans sicherlich genießen.

Fazit: „Die Werwölfe“ ist ein spannendes Buch, das altbekannte Elemente mit neuen Ideen belebt. Der Bezug zur Romantik ist nicht nur aufgrund des Erscheinens der englischen Dichter gelungen. Hardebusch-Fans dürften nicht enttäuscht sein, doch auch für Leute, die bisher nichts mit den Werken des Autors anfangen konnten, ist dieser Roman sicher einen Blick wert.