Die Vampire

Was wäre, wenn Abraham Van Helsing versagt hätte und es ihm nicht gelungen wäre, den König der Vampire – Dracula – zu töten? Wie würde eine Welt aussehen, in der Dracula leben und Van Helsing den Tod fände? Und was wäre, wenn die Vampire nicht mehr im Verborgenen leben müssten?

von dark_angel

 

„Die Vampire“ von Kim Newman ist kein neuer Roman des britischen Autors, sondern beinhaltet seine früheren Werke „Anno Dracula“, „Der Rote Baron“ und „Dracula Cha-Cha-Cha“, die aufeinander aufbauen. Letzteres Werk ist nun zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt worden und bis dato nur in „Die Vampire“ enthalten.

Ausgangspunkt des Vampir-Epos ist, dass – anders als in Bram Stokers Roman „Dracula“ – es Van Helsing nicht gelungen ist, Dracula zu töten. Der Autor Kim Newman hat eine Parallelwelt erschaffen, in der Vampire unter den Menschen leben und teilweise sogar mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Er verknüpft Realität geschickt mit Fiktion und lässt nicht nur wahre Personen auftreten, sondern auch fiktive – aus anderen Romanen entstandene – Persönlichkeiten. So ist etwa nicht nur die Rede vom realen Inspektor Frederick Abberline, der seinerzeit mit dem Fall Jack the Ripper betraut war, sondern auch vom fiktiven Inspektor Lestrade oder Sherlocks Holmes’ Bruder Mycroft. Der Leser darf also immer wieder gespannt sein, welche Persönlichkeiten ihm im Laufe des Buches begegnen und miträtseln, ob er sie kennt. Genau so spannend und interessant ist jeweils der historische Hintergrund, dessen sich Kim Newman bedient und für seine Zwecke geschickt abzuändern weiß.

Anno Dracula

Der Roman spielt im London des Jahres 1888. Dracula ist durch die Heirat mit Königin Victoria zum Prinzgemahl aufgestiegen und herrscht über das gesamte englische Empire. Van Helsing wurde gepfählt und weitere Anhänger fanden entweder den Tod oder wurden eingesperrt (wie Bram Stoker).

Vampire sind nicht mehr dazu verdammt, sich im Verborgenen aufzuhalten, sondern stehen von nun an über der menschlichen Rasse. Bei vielen Menschen scheint es gar zum guten Ton zu gehören, sich mit Absicht in einen Vampir verwandeln zu lassen. Denn schließlich ist ja nicht nur Königin Victoria ein Vampir, sondern auch der Premierminister und andere hoch gestellte Persönlichkeiten.

Der Vampirismus hat jedoch auch seine Schattenseiten, wie man es im Elendsviertel Whitechapel deutlich zu sehen bekommt. Nicht nur sterbliche Prostituierte versuchen sich über Wasser zu halten, sondern in gleicher Weise auch die unsterblichen Frauen, die für ein paar Schluck Blut ihren Körper anbieten. Und in genau dieser Gegend macht nun ein Mann Jagd auf Vampir-Prostituierte und weidet sie auf grausame Weise aus. Sein Name: Jack the Ripper.

Nicht nur die Regierung oder die Polizei stehen unter Druck, den Mörder zu fassen. Der Diogenes-Clubs schickt seinen besten Mann – Charles Beauregard – ins Rennen. Zusammen mit der schönen Vampirin Geneviève Dieudonné macht sich Charles auf die Suche nach dem brutalen Mörder.

Der Rote Baron

Seit der Schreckensherrschaft von Dracula sind nun mehr 30 Jahre vergangen. Dracula wurde zwar aus England vertrieben, ist aber nicht besiegt. In „Der Rote Baron“ hat sich Dracula mit Kaiser Wilhelm II. verbündet und sozusagen den 1. Weltkrieg herbeigeführt. Der Roman spielt im Jahre 1918 in den Ländern Frankreich und Deutschland. Eine von Draculas mächtigsten Waffen ist der Rote Baron – Manfred von Richthofen – und seine Flugstaffel. Im Auftrag des Diogenes-Clubs soll Edwin Winthrop den Feind ausspionieren und zu Fall zu bringen.

Dracula Cha-Cha-Cha

In Rom im Jahre 1959 beabsichtigt Dracula, die Prinzessin Asa Vajda zu heiraten. Zu diesem Anlass reist nicht nur die High Society der Vampirgesellschaft an. Der Diogenes-Club hofft, Graf Dracula nun endgültig besiegen zu können. Mit diesem Auftrag betraut ist der britische Geheimagent mit der Lizenz zum Töten. Sein Name: Bond. Doch gleichzeitig geschehen unheimliche Morde in der ewigen Stadt. Es scheint, als hätte es der scharlachrote Henker auf Vampirälteste abgesehen. Kann der Mörder gefasst werden?

Fazit: Kim Newman ist eine Vampirgeschichte gelungen, die vermischt mit historischen und fiktiven Fakten, durchaus zu überzeugen weiß. Der Leser wird jedoch ein wenig in die Irre geleitet, wenn er darauf hofft, dass Dracula selbst eine Hauptrolle darin spielt. Denn das tut er nicht. Dracula ist zwar während der ganzen 1280 Seiten Gesprächsstoff unter den handelnden Personen und dadurch auch immer präsent, seine wirklichen Auftritte begrenzen sich jedoch auf ein Minimum. Auch der Einstieg in die Geschichte erfordert etwas Geduld aufgrund der Flut neu auftauchender Charaktere, die der Leser sich erst einmal merken muss, bevor er sie und deren Hintergründe überblicken kann. Wer jedoch am Ball bleibt, wird mit überaus glaubwürdigen und abwechslungsreichen Charakteren belohnt und einer Geschichte, die sowohl ambitioniert als auch anspruchsvoll, innovativ und spannend ist. Ein Geniestreich durch und durch.


Die Vampire
Mystery/Horror-Roman
Kim Newman
Heyne Verlag 2009
ISBN: 978-3-453-53296-0
1280 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 15,00

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