von André Frenzer
Rory Campell hat gleich mehrere Probleme. Nicht nur, dass seine eigenen magischen Fähigkeiten eher auf dem Niveau „gut gemeint statt gut gekonnt“ angesiedelt sind. Nein, er ist auch einen gut klingenden Deal mit dem Schwarzmagier Trenton eingegangen und hat diesem versprochen, ihm zum Geburtstag seines Sohnes eine magische „Torte der Wünsche“ zu backen. Als wäre das vor dem Hintergrund seines chronischen Geldmangels nicht schwierig genug, verliert der Paketbote seine wertvolle Torte auch noch ausgerechnet vor einem Altersheim, deren Insassen sich alsbald genüsslich über den Inhalt des verlorenen Päckchens hermachen. Dies ist die doch recht ungewöhnliche Ausgangslage von Lilly Labords Roman „Die Torte der Wünsche“, doch es geht tatsächlich wesentlich skurriler weiter.
Denn weder will Trenton auf das ihm versprochene magische Gebäckstück verzichten, noch kann Rory ohne Hilfe eine weitere dieser zauberhaften Leckereien herstellen. Da ist es Glück im Unglück, dass sich unter den Einwohnern besagten Altersheimes die backversierte Susan befindet, welche dem ungeschickten Magier – aufgrund einer vagen Mischung aus Sympathie und schlechten Gewissens – fortan zur Hand geht, auch wenn sie zunächst nicht an die verrückten Geschichten über Magie glaubt. Doch auch Trenton beschließt, nicht untätig auf Rory zu warten, sondern beginnt damit, den beiden Bäckern mit seinen eigenen Methoden nachzustellen, um das seltene magische Backbuch aus Campells Besitz an sich zu bringen.
Labord hält sich wenig mit ausführlichem Worldbuilding auf. Die verwendeten Elemente wirken allerdings vertraut und jeder, der bereits eine vage Vorstellung von „Harry Potter“ besitzt, kann sich die Welt hinter „Die Torte der Wünsche“ problemlos vorstellen. So gibt es offensichtlich Magier, welche aufgrund der weisen Entscheidungen eines magischen Rates ihre Kräfte allerdings vor den „normalen Menschen“ geheim halten. Allerdings kennt man sich untereinander und führt so ein Parallelleben zu der normalen Gesellschaft. In England, dort wo „Die Torte der Wünsche“ angesiedelt ist, ist allerdings der magische Rat vor kurzem abgesetzt worden – was wiederum Schwarzmagiern wie Trenton in die Karten spielt, welche ohnehin kein Verständnis dafür aufbringen können, dass Magier nicht längst wie Könige hausen.
Doch diese Konfliktebene wird nur kurz angerissen, denn Labord konzentriert sich in ihrem Roman voll auf den glücklosen Campell, die resolute Susan und den unsympathischen Trenton. Diese Konstellation bietet allerdings auch genügend Stoff für eine herzliche, unterhaltsame und auch ein wenig spannende Geschichte. Damit positioniert sich „Die Torte der Wünsche“ eher als heiterer Wohlfühlroman und nicht als dramatische oder gar brutale Urban Fantasy, wie man sie zum Beispiel von „Harry Dresden“ gewöhnt sein könnte. Diese besondere Nische füllt das Buch souverän aus – die Charakterzeichnung ist so tief wie nötig und so klischeehaft, dass man der Handlung ohne besondere Vorkenntnisse problemlos folgen kann. Damit bleibt „Die Torte der Wünsche“ allerdings auch eher oberflächlich und entwickelt wenig Tiefgang. Abgerundet wird der kurze Roman mit einigen, leider nicht magischen Backrezepten.
Lilly Labords Schreibstil ist flüssig und unkompliziert, mitunter sogar ein wenig simpel, aber immer unterhaltsam und bildreich. Ein wenig gehadert habe ich mit den extrem kurzen Kapiteln – teilweise werden sogar längere Szenen in mehrere Kapitel unterteilt. Mich hat das immer ein wenig aus dem Lesefluss gerissen, auch und vor allem, weil sich mir der Sinn hinter diesen kurzen Kapitelchen nicht erschließen mag. Wer darüber hinwegliest, erhält aber eine definitiv herzliche Wohlfühlgeschichte mit Urban-Fantasy-Elementen, welche mit ihrer überraschenden Prämisse und ihren skurrilen Ideen zu überzeugen weiß.
Fazit: Handwerklich solide und voller netter Ideen, ist „Die Torte der Wünsche“ ein Urban-Fantasy-Roman zum Wohlfühlen. Wer eine heitere Geschichte dieses Genres ohne sonderlichen Tiefgang sucht, wird hier fündig.
Die Torte der Wünsche
Urban-Fantasy-Roman
Lilly Labord
Lindwurm Verlag 2023
ISBN: 978-3-910279-14-8
232 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: 13,00 EUR
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