Die Schamanenbrücke

Nevare wird Reiter bei der Kavalla, so wie es ihm vorherbestimmt ist. Doch noch während seiner Ausbildung im Hause seines Vaters gerät er zwischen die Fronten zweier Welten. Dort wird er mit einer Magie konfrontiert, die eigentlich nicht für sein Volk bestimmt ist.

von Sabine Dingeldein

 

Als zweiter Sohn seiner Vaters ist Nevares beruflicher Werdegang bereits entschieden – so wie der seiner anderen Brüder sowie aller jungen Männer in Gernien. Als zweiter Sohn ist es sein Schicksal, als Soldat dem König zu dienen. Da bereits sein Vater als Reiter in der Kavalla diente, bevor er später nachträglich in den Adelsstand erhoben wurde, ist es auch Nevare vorherbestimmt, als Reiter seinen Dienst am Vaterland zu tun.

Nach einer jahrelangen und strengen Ausbildung durch seinen Vater und diverse Hauslehrer, steht Nevare schließlich kurz vor seiner Aufnahme an der Akademie. Doch zuvor soll er bei einem alten Feind seines Vaters, dem Kidona-Krieger Dewara, noch lernen, wie ein Krieger in der freien Natur zu überleben. Zum Abschluss dieser Ausbildung nimmt Nevare an einem Ritual teil und taucht in die Geisterwelt der Kidona ein. Dort kämpft er für Dewara gegen die Baumfrau, die Nevare jedoch auf ihre Seite zieht und ihn mit der Magie ihres Volkes „infiziert“. In dem Glauben, alles sei nur ein Rauschtraum gewesen, kehrt Nevare in seine Familie zurück und beginnt seine Reise an die Akademie als wäre nichts gewesen.

Das erste Jahr an der Akademie in Alt-Thares ist hart für Nevare und seine neuen Freunde. Als Söhne einfacher Soldaten, die erst nachträglich vom König in den Adel erhoben wurden, begegnen die Angehörigen des alten Adels ihnen mit einer Mischung aus Misstrauen und offener Abneigung. Als sich das erste Lehrjahr der jungen Männer seinem Ende neigt, kommt es zur Katastrophe: Eine seltsame Seuche, Fleckfieber genannt, bricht in der ganzen Stadt aus. Überall sterben Männer und Frauen an der fremden Krankheit, die bisher nur von den Grenzgebieten bekannt war. Auch Nevare erkrankt schwer. Gefangen zwischen Leben und Sterben betritt er erneut die Welt der Baumfrau und erkennt sie als Urheberin des Fiebers. Sie will Rache für die Zerstörung des ursprünglichen Lebensraumes ihres Volkes und sinnt nach der Ausrottung aller Menschen, die sich von der Natur abgewandt haben. Nevare ist gezwungen, gegen sie in der Geisterwelt zu kämpfen, um das Leben seiner Kameraden und seiner Verwandten zu retten.

Ein fortschrittliches Volk bedrängt indigene Völker, um sich deren Rohstoffe anzueignen und den eigenen Fortschritt weiter zu mehren. Dies führt zu Krieg, Verdrängung und Vernichtung. Dazwischen ein Junge, später ein junger Mann, der brav in die Stapfen seines Vaters tritt, weil der liebe Gott das so will. Kombiniert mit den typischen Problemen eines Heranwachsenden (Freundschaften, die erste Liebe) und den bösartigen Intrigen auf der Akademie könnte „Die Schamenenbrücke“ durchaus ein spannender Roman sein, und an vielen Stellen im Buch ist dies durchaus auch der Fall – aber leider fehlen der Handlung vor allem Tempo und Tiefgang. Störend ist hier vor allem Nevares Profillosigkeit. Er, der eigentliche Held, ist größtenteils damit beschäftigt, mit sich, den Erwartungen seines Vaters und seiner Zukunft zu hadern. So gewinnt die Geschichte erst spät an Fahrt und ihr Held an Kontur, sodass es am Ende durchaus noch zu einem gelungen Show-Down kommt.

Fazit: Anspruchvolle, packende Fantasy ist leider anders. Für Mußestunden empfehle ich deshalb, lieber zu einem anderen Buch zu greifen. Als Inspiration für ein selbst konzipiertes Pen-&-Paper-Abenteuer ist die Geschichte jedoch trotzdem hervorragend geeignet, denn sie enthält viele lohnende Anregungen, die unbedingt weitergesponnen werden sollten.


Die Schamanenbrücke
Fantasy-Roman
Robin Hobb
Klett-Cotta 2009
ISBN: 978-3608938128
670 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 24,90

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