Die Phileasson-Saga

Viele Jahre vor der heutigen Zeit lud die Oberste Hetfrau Thorwals zur Wintersonnenwende Seefahrer, Abenteuer und Glücksritter aus allen Landen in das verschneite Thorwal ein, um deren Geschichten und die Lieder der Skalden zu hören. Doch es kam zum Streit zwischen den beiden berühmtesten Kapitänen Thorwals und vielleicht sogar Aventuriens: Phileasson Foggwulf und Beorn der Blender. Um herauszufinden, wer der größere Seefahrer der beiden sei, rief die Hetfrau Garhelt eine Wettfahrt aus, die die beiden Kapitäne und ihre Mannschaften durch ganz Aventurien führen und dem Sieger den Titel „König der Meere“ verleihen sollte. Vom Norden im ewigen Eis bis zu den dampfenden Dschungeln des Südens entdecken die Helden an der Seite der Kapitäne verschiedene Mysterien und klären das Schicksal der Elfenvölker.

von Ansgar Imme

Vor fast dreißig Jahren erschien mit „Folge dem Drachenhals“ der erste Band der berühmten Tetralogie um den Kapitän Asleif „Phileasson“ Foggwulf und seinen Gegenspieler Beorn „Der Blender“. Der damals noch unbekannte Autor war Bernhard Hennen, der heute durch seine „Elfen“-Romane zu einem der bekanntesten und erfolgreichsten Fantasy-Autoren Deutschlands zählt. Die bei Spielern beliebte Kampagne wurde das erste Mal 1999 leicht überarbeitet und neu aufgelegt und dann noch mal in 2009 ausführlich überarbeitet und für die Regeledition DSA 4.1. veröffentlicht. Aufgrund der großen Nachfrage und dem Ausverkauf wurde die erste Auflage von 2009 im Jahr 2015 angepasst und erneut herausgebracht.

Handlungsüberblick

Die ehemals vier Bände wurden in einer Kampagne zusammengeführt und um viel Hintergrundmaterial ergänzt. So wurden aus den ursprünglich etwa 220 Seiten nun über 330 (wesentlich kleiner bedruckte) Seiten Abenteuer und ergänzendes Material. In insgesamt zwölf göttergefälligen Abenteuern sind die Helden mit Phileasson unterwegs und decken nach und nach immer mehr Hintergründe der elfischen Geschichte auf.

Es beginnt zur Wintersonnenwende in Thorwal, als die beiden berühmten Kapitäne Phileasson Foggwulf und Beorn der Blender aneinandergeraten. Die oberste Hetfrau lobt daher eine Wettfahrt aus, um den „König der Meere“ zu küren. Beide sollen eine neue Mannschaft um sich scharen, um die Aufgaben der Wettfahrt zu lösen. Die Aufgaben sollen die beiden durch Visionen von einer sie jeweils begleitenden Travia-Geweihten erhalten, welche zudem darüber wacht, dass der Wettkampf die Regeln der Ehre einhält. Die Helden können sich Phileasson anschließen und brechen gen Norden zu ihrer ersten Aufgabe auf, um einen sogenannten riesigen zweizahnigen Kopfschwänzler zu fangen. Durch Eiseskälte und eine frostigen Sturm schlagen sich die beiden Mannschaften gen Norden durch. Hier gilt es, einen Pakt mit einem fremden Volk zu schließen, um die Aufgabe zu erfüllen oder in einen Krieg zu geraten.

Bei der Entdeckung eines hochelfischen Heiligtums aktivieren die Helden einen Wegweiser, der sie zu ihrer zweiten Aufgabe in den legendären Himmelsturm, einer uralten elfischen Siedlung im Eis führt, in dem sie das Schicksal und die Geschichte der ehemaligen Bewohner erkunden. Die dritte Aufgabe führt sie zu einer Sippe von Nivesen, denen sie gegen eine lebensgefährliche Seuche und beim Viehtrieb einer riesigen Herde gen Süden helfen müssen. Auf dem Weg treffen sie auch auf eine Hochelfin, die ihnen von der Geschichte des Untergangs der Elfen und einer sinistren Widersacherin berichtet.

Eine erneute Prophezeiung berichtet von einem mehr als 250 Jahre verstorbenen kaiserlichen Feldherrn und seiner berühmten Waffe, die eine Verbindung zu einer Elfengöttin sein soll. Seine Spur wird im Bornland aufgenommen, und der Leichnam samt Vermächtnis muss schneller als Beorn gefunden werden. Der Wettlauf setzt sich mit der fünften Aufgabe fort, wenn die Reise weiter gen Süden ins tobrische Mendena im Mittelreich und nahe Maraskan führt. Der Reißzahn einer Seeschlange muss erobert werden, um das sechste Abenteuer beziehungsweise gegen dessen Gegner bestehen zu können, wenn es eine über 2000 Jahre alte Elfengaleasse zu finden gilt, die von einem Spinnendämon bewacht wird, welcher ein elfisches Artefakt in seiner Gewalt hat.

Zwei mächtige und skrupellose Magier sind ebenso in den Machtkampf verwickelt und Phileasson und seine Mannschaft müssen nicht nur diesen Gegnern auszuweichen, sondern auch schneller als Beorn zu sein, um das Artefakt zu erbeuten. Hoffentlich mit einem der elfischen Artefakte im Gepäck reisen die Gefährten um Phileasson nach Fasar, um aus einem der vielen Propheten den zu finden, der "Wahres spricht" und sie in die Wüste führen soll. Hier erfüllt sich in der verschütteten Elfenstadt Tie’Shianna das Schicksal der elfischen Artefakte, und die Helden erfahren vieles über das Elfenvolk.

In ihrer neunten Aufgabe führen die Helden die Fasarer Bettler aus der Wüste in eine neue Heimat und helfen beim Aufbau ihres Dorfes. Doch ein intriganter Echsenpriester lässt die neue Heimstatt überfallen, sodass ein unsicheres Bündnis eingegangen werden muss, um die Bettler zu retten. Als Belohnung erhalten sie ein Artefakt, dass sie bei ihrer zehnten Aufgabe zu den sagenumwobenen Inseln im Nebel führt, zu denen die überlebenden Elfen Tie’Shiannas geflüchtet sind und wo sie einen Gefährten des letzten Elfenkönigs Fenvarien finden sollen. Doch Beorn ist bereits früher eingetroffen und hat die Elfen gegeneinander aufgewiegelt. Bündnisse sind zu schmieden, und ein Toter ist mittels eines echsischen Rituals wiederzuerwecken.

Im vorletzten, elften Abenteuer kommen die Helden nach langer Zeit wieder nach Thorwal zurück, wo sie begeistert empfangen werden. Der Kerker des Elfenkönigs Fenvarien ist im hohen Norden zu finden, wo man Fenvarien befreien kann. Die letzte Aufgabe gilt der Wiederherstellung der Erinnerungen Fenvariens, doch mit einem letzten Schachzug entführt Beorn den Elfenkönig, wird aber selbst gefangengesetzt. Nach beider Befreiung kommt es zur endgültigen Konfrontation mit der mächtigen Feindin im Hintergrund und dem Kampf gegen den Wahnsinn Fenvariens.

Kritik: Aufmachung, Layout, Inhalt

Einer epischen Kampagne würdig ist mit über 330 Seiten auch der Umfang des Deluxe-Bandes, den es im blauen Kunstleder zu kaufen gibt. Das schlichte Cover wurde nach der ersten Auflage nur geringfügig angepasst, gibt mit dem stilisierten Drachenboot eine schöne Einstimmung. Hier ist weniger sogar mal mehr. Ansonsten kann man sich zu Abwechslung mal über Kartenmaterial wenig beschweren: Natürlich hätte es vielleicht noch die eine oder andere Stadtkarte oder Plan eines Gebäudes mehr sein können, aber die wichtigsten Orte und Gebäude sind vorhanden, ob Himmelsturm, Norburg, Vallusa, Tie’Shianna, die Inseln im Nebel oder etliche Gebäuderisse. Hier handelt es sich weitestgehend um die alten Karten der Ursprungsabenteuer, die schlicht, aber gut nutzbar sind. Dazu wurden auch noch einige wenige Karten neu gezeichnet, die das Spiel deutlich erleichtern (etwa die Seekarte des Sargasso-Meeres, die vorher nur als kurze Beschreibung vorlag und komplett dem Spielleiter überlassen wurde). Auch bei den Illustrationen wurden viele alte verwendet, die zwar nicht unbedingt die heutige Qualität haben, dafür aber durchaus Flair und viel mehr Stimmung verbreiten.

Der Aufbau und die Gliederung sind im Gegensatz zu den Ursprungsbänden natürlich den heutigen Anforderungen angepasst und damit deutlich besser geworden. Es gibt Vorschläge, welche Heldentypen gut in die Kampagne passen und welche sich eher nicht eignen. Neben den Anhängen der einzelnen Abenteuer gibt es zudem die abenteuerübergreifenden Anhänge, Zeittafeln (mit genauen Angaben, wann was etwa in den einzelnen Teilen passiert oder passieren sollte) und eine Übersicht der Meisterpersonen, die das Leiten – auch vorausschauend – deutlich erleichtern. Dazu waren in den alten Abenteuern teilweise viele Informationen auf seitenlangen Fließtexten zu finden, die jetzt in einzelne Blöcke geteilt und damit besser strukturiert wurden. Vorlesetexte und Spielleiterinformationen wurden deutlich getrennt und erleichtern dem Spielleiter die Arbeit.

An den einzelnen Abenteuern wurde im Großen und Ganzen nichts Wesentliches geändert. Es wurden vor allem kleine Questen ergänzt, die Stimmung besser in den heutigen aventurischen Kontext eingepasst (z.B. Namen nicht mehr deutlich irdischen Geschichten entnommen, sondern „aventurisiert“), Übergänge zwischen den Abenteuern besser gestaltet und viele Hintergründe genauer und ausführlicher beleuchtet. Es gibt beispielsweise mehr Informationen zur Stadt Ysilia oder kurze Beschreibungen von mehr als 30 Schiffen, die in der Sargasso-See gestrandet sind. In der Urspungskampagne musste der Spielleiter noch viel selbst ergänzen und vorbereiten, was ihm hier deutlich abgenommen wird.

Die Kampagne bleibt inhaltlich im Ganzen so fantastisch und episch wie schon damals, aber auch eben mit einem klaren roten Faden und an manchen Stellen auch sehr deutlich geführt (die Prophezeiungen sind beispielsweise nun mal eine Vorgabe des Abenteuers, die schwer umgangen werden können). Wer als Spieler nicht die volle Freiheit einer Sandbox erwartet, wird aber trotzdem genügend Freiheiten an vielen Stellen finden, um sich ausleben zu können und das Spielgeschehen in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. Dabei gibt es durchaus auch etliche Stellen, bei denen die Spieler und Helden sogar entscheiden können, auf welche Seite sie sich schlagen, ob sie Bündnisse eingehen, wie sie mit Situationen umgehen und was sich jeweils für Folgen ergeben (was für die damalige Zeit Ende der 1990er für ein Abenteuer eher ungewöhnlich war). Bei Recherchen können sie entscheiden, wo und wie ausführlich sie suchen, was wiederum Auswirkungen auf ihre Erfolge hat.

An manchen Stellen hätte man sich aber noch ein deutlicheres Eingreifen der Überarbeitung gewünscht, beispielsweise bei den vielen (damals üblichen, aber eher unnötigen) Zufallsbegegnungen, die zu Kämpfen führen, was Ende der 1980er/Anfang der 1990er einfach noch automatisch zu Abenteuern gehörte. Auch ein größerer Spannungsbogen im Himmelsturm der Elfen sowie ein klarerer roter Faden zum Ablauf dort wären hilfreich gewesen.

Für ein umfassendes Spielerlebnis sollten die Spieler insgesamt ein Interesse an früher aventurischer Geschichte, vor allem der elfischen Historie, und an Mythen und Mysterien haben. Die Problemlösung der Spieler sollte dazu nicht nur mit der Waffe in der Hand stattfinden, sondern auch Verhandlungen ermöglichen, was natürlich auch entsprechende Charaktere erfordert. Wenn die Spieler Spaß an Rätseln, Erforschung sowie dem Umgang mit anderen Kulturen, vor allem nichtmenschlichen wie Elfen und Echsen, haben, werden sie mit der Kampagne viel Freude haben. 

Fazit: Die „Phileasson-Kampagne“ hat trotz ihres Alters von fast dreißig Jahren nichts von ihrer Qualität und Attraktivität eingebüßt. Auch wenn die Grundidee sich an den Roman von Jules Verne anlehnt, ist doch eine ganz eigene Interpretation entstanden, die eine sehr gute Mischung an Abenteuern und Herausforderungen für Spieler und Helden bietet. Die Überarbeitung hat es dabei geschafft, den Inhalt sowie Ideen zu wahren und nur behutsam kleine Korrekturen und viele Ergänzungen vorzunehmen, das Spielerlebnis noch erhöhen und dem Spielleiter viel Unterstützung bieten. Hier bietet sich Material für unzählige Spielabende und spannende Entdeckungen!


Die Phileasson-Saga
Abenteuerband
Bernhard Hennen (Autor), Philipp Spreckels u.a. (Überarbeitung)
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 3957522161
336 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 49,00

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