von Andrea Bottlinger
Oliver Plaschkas erster Roman „Fairwater – oder die Spiegel der Herrn Bartholomew“ gewann 2008 den Deutschen Phantastik Preis. In Andeutungen und Bildern erzählt er dort eine Geschichte, die der Leser am Ende selbst aus allen gesammelten Puzzleteilen zusammensetzen muss. Die Handlung seines neuesten Werks, „Die Magier von Montparnasse“, ist im Vergleich dazu sehr viel geradliniger und einfacher zu durchschauen. Dennoch kann man den Roman guten Gewissens als literarisch bezeichnen.
Worum es geht
Ravi, ein als Bühnenzauberer getarnter echter Magier, hat für sieben Tage mit seiner Assistentin Blanche ein Engagement im Bobino, einem angesehenen Varieté am Montparnasse in Paris. Am Sonntag, dem 26.9.1926, nach der letzten Vorstellung löst Blanche ein Versprechen ein, dessen Inhalt bis zum Ende im Dunkeln bleibt. Sie fällt in einen magischen Schlaf, aus dem sie am nächsten Morgen erwachen soll. Der allerdings lässt auf sich warten. Stattdessen beginnt der Sonntag erneut, mit dem Unterschied, dass Blanche noch immer schläft und nur Ravi sich an den ersten, eigentlichen Sonntag erinnern kann.
Schnell zieht das seltsame Zeitphänomen weitere Magier an, und Ravi muss zum einen sein eigenes Geheimnis vor ihnen wahren, während er zum anderen versucht herauszufinden, wer von ihnen für den sich wiederholenden Sonntag verantwortlich ist, in dem das Leben immer trüber und stumpfer wird und langsam zu verlöschen scheint.
Ein Roman voller Geheimnisse
Im Gegensatz zu anderen Büchern oder auch Filmen, die sich mit der Thematik des sich wiederholenden Tages beschäftigen, liegt bei „Die Magier von Montparnasse“ der Schwerpunkt nicht auf eben dieser Wiederholung. Der Sonntag, in dem in Variationen immer wieder dasselbe geschieht, stellt nur den Hintergrund für die eigentliche Geschichte dar. Ravi und die anderen Magier erinnern sich an die vorausgegangenen Sonntage. Sie versuchen herauszufinden, was geschehen ist, und wie sie das Phänomen aufhalten können. Dabei umschleichen sie einander wachsam, nie sicher, ob sie den anderen vertraue können und was diese möglicherweise verschweigen.
Die Magier stellen dabei sehr interessante Charaktere dar, über die man im Verlauf der Handlung immer wieder neues erfährt, die einen überraschen können, und von denen jeder seine eigene Persönlichkeit besitzt. Da ist Mister Barneby, ein englischer Gentleman, den man ab und zu in Begleitung einer schwarzen Katze sehen kann, und den eine sehr komplizierte Feindschaft mit der geheimnisvollen Céleste verbindet. Da ist besagte Céleste mit den goldenen Augen, deren Küsse tödlich sind. Und zu guter Letzt reist auch noch der hochmütige Orlando an, der ebenso wenig wie sein zwergenhafter Diener ein Mensch zu sein scheint.
Jeder von ihnen hat ein Geheimnis, das im Verlauf der Handlung aufgedeckt wird. Ein besonderes Highlight in diesem Zusammenhang ist eine Enthüllung über Ravi ganz zum Schluss der Geschichte, die hier natürlich nicht verraten werden soll, die allerdings alle vorherigen Ereignisse noch einmal in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Zusätzlich kann man Anteil am Leben derer nehmen, für die jeder neue Sonntag der erste Sonntag ist: die Kellnerin Justine, dem hoffnungsvollen angehende Schriftsteller Gaspard sowie dem Barmann Alphonse und seiner Frau Esmée. Auch sie spielen letztendlich keine weniger wichtige Rolle als die Magier und bieten gute Identifikationsmöglichkeiten für den Leser.
Was einige Leser aber sicher stören wird, ist die Ich-Perspektive des Romans. Dabei wechselt der Erzähler sehr oft. Mal ist es Ravi, mal Justine, Barneby, Gaspard, Alphonse, Esmée, und selbst Blanche bekommt zwei eigene Kapitel. Dies kann am Anfang sehr verwirrend sein, mit der Zeit gewöhnt man sich aber an die Wechsel. Man erkennt die einzelnen Charaktere an ihrer Sprechweise, und vor allem Blanche hebt sich aufgrund ihrer Situation ohnehin stark von den anderen ab.
Auch mit sonderlich viel Action kann der Roman nicht aufwarten. Um ihn mit Freude zu lesen, sollte man Kapitel voller Dialog und komplizierte Rätsel mögen. Sicher ist es außerdem dem Lesespaß zuträglich, wenn man zumindest einen Teil der literarischen Anspielungen versteht, auch wenn das nicht nötig ist, um der Geschichte an sich folgen zu können.
Fazit: „Die Magier von Montparnasse“ ist vor allem etwas für aufmerksame Leser, die sich für eine Handlung interessieren können, deren Schwerpunkt eindeutig auf den Charakteren und ihrer Interaktion miteinander liegt. Stellenweise ist die Lektüre recht anstrengend, allerdings wird man dafür mit einer sehr interessanten Geschichte belohnt.
Die Magier von Montparnasse
Fantasy-Roman
Oliver Plaschka
Klett-Cotta
ISBN: 978-3608938746
427 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 21,90
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