Das Königreich Abrogan wird im Norden durch den dunklen Schleier begrenzt. Noch niemand, der ihn durchschritten hat, ist je zurückgekehrt. Als der junge Schweinehirte Wex wegen seines Zeichentalents aufgefordert wird, bei der Vermessung der Grenze zu helfen, freut er sich, sein ärmliches Dorf zu verlassen. Doch dann stellt sich heraus, dass er mit seinen Strichen auf der Landkarte den Schleier zurückdrängt. Dahinter wartet ein Land voller Abenteuer, neuer Gefährten, unbekannten Gefahren – und ein alter, von Rachegedanken zerfressener Feind.

Wex’ Reise beginnt recht schnell. Zu Beginn lernt der Leser sein bisheriges Leben als Schweinehirte in Zornfleck kennen, in dem er ein ruhiges, aber eben auch nicht besonders interessantes Leben führt. Doch schon nach verhältnismäßig wenigen Seiten ist er mit der Expedition unterwegs in die Zornberge. Die Expeditionsgruppe ist nicht allzu groß, und es gelingt dem Leser recht mühelos, den Überblick über die verschiedenen Charaktere zu wahren. Im Laufe des Buches treten immer weitere Protagonisten und Antagonisten auf, während es auch einige „Redshirts“ einfach nicht bis ans Ende des Buches schaffen.

Das Buch entwickelt sich sehr schnell zu einem echten Abenteuerbuch und der Leser sollte sich darauf einstellen, dass die meisten Bewohner des Landes jenseits der Zornberge vor allem daran interessiert sind, Wex oder andere Mitglieder des Grenzvermessungstrupps zu töten, was nicht selten auch gelingt. Allmählich entwickelt sich die Geschichte zu einem Katz-und-Maus-Spiel, in dem die Gruppe vor einem intelligenten Feind quer durchs Land fliehen muss. Kämpfe, Listen und strategische Überlegungen dominieren daher die Handlung.

In „Die Karte der Welt“ hat Royce Buckingham eine schicke, aber nicht unbedingt ins Staunen versetzende Fantasy-Welt erschaffen, in welcher der Leser gut den Überblick behalten kann. Die Handlung fokussiert sich vor allem auf das Abenteuer einer Expedition in ein unbekanntes, gefährliches Land. Kampf und Flucht dominieren die Geschichte, während Emotionen eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Vor allem ist es der Schreibstil Buckingshams, der die Leserschaft polarisieren dürfte. Möglicherweise liegt es auch nur an der Übersetzung, was herauszufinden wohl nur möglich ist, wenn man auch das Original liest und dann vergleicht. Auf jeden Fall gibt es immer wieder Stellen im Text, an denen man glaubt, ein seichtes Jugendbuch zu lesen, nur um dann wenige Seiten weiter von der detaillierten Schilderung schockiert zu werden, in der die Leiche eines Kindes als Wurfgeschoss missbraucht wird. Wieder einige Seiten später reizt die Schilderung der Dumpfheit der Düsterlinge den Leser zum lauten Lachen. Zitat:

•    Was macht ihr am Liebsten?
•    Fressen!
•    Und wenn ihr nicht fresst?
•    Jagen!
•    Und wenn ihr nicht jagt?
•    Schlafen!
•    Und was kommt nach dem Schlafen?
•    Fressen!

Vielleicht ist es aber gerade dieser Schreibstil, der den Leser das Buch luftig leicht konsumieren lässt und am Ende auch den Spannungsbogen hinreichend unterstützt, um das Finale auch zügig erreichen zu wollen.

Fazit: Abrogan, die Welt Royce Buckinghams, die ein junges Zeichentalent mit seinem Blut verändern kann, bietet für jedes Alter und jeden Fantasy-Fan durchaus ein Lesevergnügen. Wer nicht auf eine bestimmte „Art“ von phantasievoller Geschichte festgelegt ist, sondern gerne mal selbst den Entdecker spielt, kann und wird mit diesem Buch nichts falsch machen. Die Geschichte ist abgeschlossen und doch bietet das Ende Potenzial für mehr. Noch ist der Schleier vorhanden und kann weiter verschoben werden. Und ob Wex am Ende eventuell doch der offizielle Kartograph des Fürsten wird, ist noch nicht endgültig entschieden.