Die J.R.R. Tolkien-Gemälde von Greg und Tim Hildebrandt

In den Jahren 1976, 1977 und 1978 entstanden drei Merchandising-Produkte, die unter Liebhabern von „Der Herrn der Ringe“ heute Kultstatus genießen. Es handelt sich um die „Der Herr der Ringe“-Kalender der Gebrüder Hildebrandt, zweier amerikanischer Künstler, die durch selbige – wie auch ihre „Star Wars“-Illustrationen – zu Weltruhm gelangten. Dieses Buch – eine ergänzte und aktualisierte Ausgabe des 2001 erschienenen „Greg und Tim Hildebrandt. Die Tolkien-Jahre“ – ist eine Erinnerung von Gregory Hildebrandt Jr., ein Werkstattbericht und eine nostalgische Rückschau auf wilde Tage fantastischen Kunstschaffens.

von Bernd Perplies

Smaug, der Seestadt in Schutt und Asche legt, begrüßt den Leser auf dem Cover des quadratischen Hardcoverbands. Schon dieses Bild zeigt, mit welcher Liebe zum Detail und mit welchem Gefühl für Proportionen, Dynamik, Bildaufbau und Lichtspiel die Brüder ihre fantastische Kunst betrieben. Auf den folgenden 152 Seiten nimmt uns Gregory Hildebrandt Jr., der Sohn von Greg Hildebrandt, auf eine Reise mit zurück in die 1970er, als zwei damals noch recht unbekannte Zwillingsbrüder bei Ian Summers, einem Redakteur bei Ballantine Books auftauchten, weil sie gehört hatten, dass der Verlag einen „Der Herr der Ringe“-Kalender machen wollte. Mit zwei Mülltüten voll Konzeptzeichnungen platzten die bärtigen, durchnässten und ebenso heruntergekommen wie liebenswert wirkenden Typen in sein Büro im Verlag – und wurden vom Fleck weg engagiert. So erzählt es zumindest Summers im Vorwort.

Drei Jahre lang holten die beiden die Welt von Mittelerde dann in ihr Atelier in einem viktorianischen Haus in der Kleinstadt West Orange in New Jersey. Und Gregory war als fünfjähriger Knirps mit dabei. Er erlebte seine Mutter als wunderschöne Galadriel posierend, Onkel und Vater in Dutzenden Lakenkostümen und als Gandalf, Aragorn oder Boromir heroisch die nächste Wand erspähend und auch er selbst durfte als Hobbit mehr als nur ein paar Mal Modell stehen, sitzen und liegen – eine Erfahrung, von welcher der Autor im Rückblick mit Humor und einem guten Maß an Wehmut zu berichten weiß.

Das Buch ist über weite Strecken nach einem bestimmten Muster aufgebaut. Jeweils auf einer Doppelseite wird ein Gemälde der Gebrüder Hildebrandt vorgestellt. Ergänzt wird das Hauptbild durch Fotos, die als Zeichenvorlage dienten, Skizzen, kurze Zitate der Brüder zu dem speziellen Werk und einen Begleittext des Autors, der das Bild manchmal interpretiert, häufiger jedoch eine Anekdote aus der Entstehungszeit zum Besten gibt und manchmal auch einfach über das Leben, das Malen und die Welt der Fantasie philosophiert. Auf diese Weise entsteht im Laufe der Lektüre ein mit viel Liebe angefertigtes Mosaik, das einen Eindruck davon vermittelt, wie die Brüder in den 1970ern arbeiteten und wie vielleicht überhaupt Künstler an ihre Werke herangehen. Dabei werden die Gemälde der Brüder oft auf Größe einer Seite – und somit schön detailliert – präsentiert. Herausragende Werke sind auch auf einer Doppelseite zu bewundern.

Im Anschluss an die gut 100 Seiten umfassende Vorstellung der Kalender folgt noch ein längerer Abschnitt mit kommentierten Konzeptzeichnungen, Entwürfen für einen vierten Tolkien-Kalender, Auftragsarbeiten für Sammler und Liebhaber – ja, manche Fans haben sich tatsächlich als Tolkiens Figuren von den Hildebrandts malen lassen – und einigen Speicherfunden angefangener, aber nie beendeter Werke. In diesem Bereich herrschen die Bilder vor und die Texte werden kürzer, aber auch die knappen Kommentare, die noch beigefügt wurden, bieten interessante Eindrücke. Hier sprechen Leute, die nicht sich selbst beweihräuchern wollen, sondern die etwas über ihre Kunst zu sagen haben.

Fazit: „Die J.R.R. Tolkien-Gemälde von Greg und Tim Hildebrandt“ ist ein wundervolles Buch, das einfach zum Blättern und Stöbern einlädt. Dadurch, dass jeder Kalendereintrag mehr oder weniger für sich steht, muss man es auch gar nicht von vorne bis hinten am Stück lesen, sondern kann immer mal wieder hineinschauen und sich von den außergewöhnlichen Bildern und den kurzen, nostalgischen Erinnerungen in eine Welt entführen lassen, in der zwei Männer wahrhaftig ihren Traum gelebt und Tolkiens Mittelerde zum Leben erweckt haben. Für Tolkien-Fans im Besonderen, aber auch für Liebhaber fantastischer Kunst im Allgemeinen ein wirklich schönes Buch. So, und nun wünsche ich mir den Ergänzungsband „Star Wars: The Art of the Brothers Hildebrandt“, damit auch die Science-Fiction-Freunde auf ihre Kosten kommen.


Die J.R.R. Tolkien-Gemälde von Greg und Tim Hildebrandt
Sachbuch
Gregory Hildebrandt Jr.
Panini Books 2013
ISBN: 978-3-8332-2618-2
152 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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