Die GulliPiratten – Der Schrecken der Kanalisation

Abfälle, die von den Menschen achtlos ins Abwasser geschüttet werden, sind die erklärte Beute der Wesen der Kanalisation. Aber nur ein guter Platz an Bord der Beuteschiffe sichert einem ein Stück der Leckereien und der anderen Schätze, um den eigenen Ruhm zu mehren. Also rasch die richtige Mannschaft angeheuert, und ab in die Kloake.

von Lars Jeske

„Die GulliPiratten“ ist ein überaus interessantes Strategiespiel für 2 bis 5 Spieler mit einem Einstiegsalter ab 10 (laut Verpackung) beziehungsweise ab 12 Jahren (laut Spielregeln). Jeder ist dabei der Anführer einer Kanalrattenbande, die versucht, die besten Schätze abzustauben. Das Spielmaterial findet genügend Platz im Karton wo es sicher verstaut werden kann. Zum Spiel gehören drei Boote, die den Spielplan darstellen, Karten, sowie die Beute- & Bonusmarker. Letztere symbolisieren Weggeworfenes der Oberwelt, etwa Pommes, Nudeln, Puppen und Dosen. Hinzu kommen als Highlight dreißig fein modellierte Figuren aus Plastik. Diese sechs verschiedenen Figuren sind ein besonderer Augenschmaus, tragen sehr zur Atmosphäre bei und sind allein schon die Anschaffung des Spieles wert. Für die maximal zwanzig aktiven Figuren aller Mitspieler gibt es entsprechend farbige Basen (Color-Clicks) in den fünf Farben der Parteien. Sie halten gut unter den Figuren und gehen auch nach mehrmaligem Gebrauch nicht kaputt.

Die Spielregeln, die sich Andreas Pelikan für sein Spiel ausgedacht hat, sind so einfach wie genial und auf der 8-seitigen Anleitung mit vernünftigen Beispielen belegt, sodass man nach einmaligem Durchlesen sofort losspielen kann. Es gilt im Prinzip nur auszuwählen, ob man entweder zwei Karten zieht oder eine Figur in eine der Fregatten setzt. So man durch das Setzen Kapitän geworden ist, muss man in seinem nächsten Zug in See stechen. Ziel des Spieles ist es, am Ende die meisten Siegpunkte erbeutet zu haben. Diese bekommt man durch die Beutestücke, die in 4er-Sets (3x Beute- und 1x Bonusplättchen) offen vor jedem der drei Schiffe treiben. Also heißt es schnell an Bord zu gelangen und dabei möglichst weit vorn zu sitzen, um mehr Auswahl zu haben, wenn es an das Verteilen der Beute geht. Es gibt drei Mannschaftsplätze und einen für den Kapitän. Der Chefsessel kann jedoch erst besetzt werden, wenn Platz 3 belegt ist. Das Platzieren der eigenen Spielfiguren wird eben über die Karten gesteuert, welche passend zum Schiffstyp und der avisierten Position abgegeben werden müssen. Beispielsweise benötigt man eine Karte mit dem Fisch-Symbol um Platz 1 der Mannschaft dieses Bootes einzunehmen oder maximal zwei Karten mit dem Katzen-Symbol für den zweiten Platz der Mannschaft in diesem.

Vielseitigkeit des Spiels

Die erste Strategie ist es, herauszubekommen, wie man es geschickt schafft, Kapitän zu werden, um sich die oft spielentscheidenden Bonusplättchen unter den Nagel reißen zu können. Was den Reiz und Wiederspielanreiz nämlich ausmacht, sind die unterschiedlichen Punkte, die man für die Beutemarker bekommt. Einige bekommen dabei durch die Bonusmarker einen geringen zusätzlichen Wert, andere zählen überhaupt erst durch Bonusmarker. Wer also lieber auf Risiko spielt, kann einen höheren Gewinn einstreichen (oder geht eben leer aus). Somit gibt es verschiedene Strategien, um an seine Siegpunkte zu gelangen, und es ist gegebenenfalls sogar möglich, dass jeder Spieler friedlich seine Marker einsammeln kann und das Spiel eine ärgerfreie Familienrunde wird.

Ein weiterer Aspekt ist, dass pro Beutezug maximal drei Figuren etwas abbekommen und das letzte Crewmitglied leer ausgeht. Allerdings hat man dann immer die Option, da man sich keine Beute sichern konnte und dadurch auch das Schiff nicht verlassen musste, sich einen Platz besser zu positionieren, um bei der nächsten Runde seinen Gewinn zu optimieren. Schließlich sieht man schon den nächsten Beutehaufen den dieses Schiff ansteuern wird – samt Bonusplättchen.

Anfängermodus und Spielregeln für Fortgeschrittene

Die Grundregeln sind so einfach, dass sogar weitaus jüngere Kinder mitspielen können. Für richtige Cracks gibt es jedoch weitere Regeln. Schließlich gibt es nicht umsonst verschiedene Arten von Figuren. Jede der sechs Rassen (Ratte, Kakerlake, Kröte, Waschbär, Schnecke und Wiesel) hat eine andere Spezialfähigkeit, wodurch das Spiel richtig komplex werden kann. Die Sonderfähigkeiten reichen von doppelten Aktionen oder der Gabe, zwei Beutestücke zu nehmen, bis hin zu der Möglichkeit, pro Aktion eine Karte weniger zu zahlen. Auf den Übersichtsbögen sind diese figurenabhängigen Fähigkeiten vermerkt. Die Symbolsprache muss man jedoch erst einmal verinnerlichen, und leider gibt es auch nur zwei Übersichten für die bis zu fünf Spieler.

Normalerweise werden von den sechs Rassen vier zufällig gezogen, und jeder erhält eine von jedem Typus. Als zusätzlicher Passus kann man jedoch auch vier Figuren pro Mitspieler ziehen und dann diese in einer Versteigerung anbieten. Dadurch dauert die Spielvorbereitung zwar etwas länger, die individuell zusammengestellte Pirattenbande ist dies aber durchaus wert und bringt eine weitere Varianz in jede neue Partie.

Fazit: „Die GulliPiratten“ bieten einen kurzweiligen Ausflug in die Welt der Kanalratten. Kinderleichte Regeln und ein frei wählbarer Komplexitätsgrad lassen auch Anfänger oder jüngere Spieler Spaß haben und geben ihnen die Chance, bei diesem Strategiespiel zu gewinnen. Aufgrund der moderaten Spielzeit (etwa 60 Minuten laut Packung, oft deutlich unterschritten) und der geringen Downtime sind die Viecher aus der Kanalisation nicht nur etwas für zwischendurch, sondern besitzen auch einen hohen Anreiz, sich erneut an Bord begeben zu wollen. Eine Empfehlung für Jung und Alt. Anschließend kann man eine Debatte über Umweltschutz und Müllvermeidung starten – oder eben nicht.


Die GulliPiratten – Der Schrecken der Kanalisation
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler
Andreas Pelikan, Marina Fahrenbach
Heidelberger Spieleverlag 2012
EAN: 4015566100022
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 29,95

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