Die Drachenchronik III: Drachenschwur

Die Helden haben die Birscha-Rolle endlich entschlüsselt, auch wenn ein Großteil des Wissens noch verborgen in ihren Gedanken weilt. Die Konfrontation mit der großen Widersacherin im Hintergrund haben sie überstanden, und nun gilt es, weitere Spuren der Drachenchronik zu verfolgen und die Pläne der Feinde zu kreuzen und zu verhindern. Ein Pakt mit dem mächtigen Kaiserdrachen Agapyr und die Reise in die uralte Festung Drakonia stellen die Helden vor neue und große Herausforderungen.

von Ansgar Imme

 

Die Hälfte der großen, aktuellen „DSA“-Kampagne um Drachen und deren Hinterlassenschaften liegt hinter den Spielern, Helden und den Spielleitern. Bisher war die Bilanz eher ernüchternd, obwohl das erste Mal eine sehr zeitgenaue und vorausschauende Planung der Kampagne durch die zuständige Kampagnen-Redaktion Stefan Küppers, Patrick Fritz und Daniel Simon Richter vorgenommen wurde. Und so kann man bisher nicht von "TNBT – The next big thing" sprechen, unter dessen Arbeitstitel die Kampagne lange lief. Inhaltliche Schwächen mit zu vielen Zufällen, fehlende Zusammenhänge von einzelnen Abenteuern zur Kampagne (Teil 2 in Band 1 und Teil 3 in Band 2) sowie oft nur eine zuschauende Funktion für die Spieler und Helden hinterließen einen eher durchwachsenen Eindruck. Und so stellt sich die Frage, ob sich Band 3 darin einreiht oder endlich einen Höhepunkt setzt.

Handlungs- und Abenteuerüberblick

Der dritte Band der Drachenchronik „Drachenschwur – An den Ort des Ursprungs“ umfasst die Abenteuer „Feuerbündnis“ von Armin Bundt, „Hort der Erinnerung“ von Michael Masberg und „Ins Nest der Feinde“ von Sebastian Thurau. Die beiden ersten Abenteuer können dabei in beliebiger Reihenfolge gespielt werden, auch wenn es sich aus dramaturgischen Gründen anbietet, zunächst zum „Feuerbündnis“ zu bitten. Darüber hinaus enthält der Band weiteres Hintergrundmaterial zur Kampagne, vor allem in Form eines Präludiums vor den Abenteuern, sowie eine ausführliche Beschreibung des Konzils der Elemente zu Drakonia.

Die Einleitung bietet Informationen zu einigen Drachen, deren Namen die Helden im zweiten Teil der „Drachenchronik“ erfahren haben sowie Wissen, das sie über andere Institutionen wie Kirchen oder Magierakademien erfahren können. Dazu wird auch dargestellt, was die Helden über ihre Widersacherin Pardona sowie die Kraftlinienmagie in Erfahrung bringen können und wie der alte Erzfeind der Drachen – die Zwerge – reagieren und ihnen helfen können. Zuletzt sind zwei Kurzszenarien um junge, alte Kaiserdrachen enthalten, mit denen auch Pardona ihre Pläne verfolgt.

Im ersten Abenteuer „Feuerbündnis“ von Armin Bundt (bekannt durch etliche Abenteuer in den verschiedenen Anthologien und erfolgreiche Teilnahmen an den „DSA“-Abenteuerwettbewerben) treffen die Helden erneut auf den alten Kaiserdrachen Apep, der sich ihnen in Form eines Boten offenbart und sie bittet, seinen Bruder Agapyr aufzusuchen, von dem er befürchtet, dass dieser sich mit Pardona verbünden will. Dabei gilt es zunächst, den Geburtsort Apeps und Agapyrs zu ermitteln, an dem Agapyr heute noch herrscht – das sogenannte Gelegetal. Dort entdecken die Helden schließlich auch das mysteriöse Kloster Tarf El’Hazarqur Mor und eine glühende Feuerföntäne, die uralte Erinnerung Apeps. Neben vielen spektakulären Entdeckungen können sie im Kloster schließlich Erkundigungen einziehen und treffen dort auch auf den Erzmagier Thomeg Atherion, Spektabilität der Akademie Fasar, sowie Nijar ben Yakubanim, Sohn des Sultans und Herrschers von Rashdul, dem legendären Hasrabal. Doch jemand im Kloster spielt falsch, und die Helden müssen den falschen Einflüsterer Agapyrs enttarnen, wenn sie das Feuerbündnis mit dem Kaiserdrachen schmieden wollen.

Der „Hort der Erinnerung“ von Michael Masberg (ebenso wie Bundt Verfasser einiger Anthologie-Abenteuer und Mitarbeiter an Regionalbänden) treibt die Helden zum Ursprung der Drachen, in die sagenumwobende, uralte Festung Drakonia, hoch im Raschtulswall gelegen, kurz vor dem Ende der Welt. Alle Hinweise, die sie erhalten haben, und die Entschlüsselung der Birscha-Rolle deuten darauf hin, dass sie ihre Fragen nur in Drakonia lösen können. Während die Helden noch am Erforschen der riesigen und nahezu unendlich scheinenden Hallen sind, scheint eine dunkle Macht ihnen Böses zu wollen, und einige der anwesenden Magier und Druiden verbergen Wissen vor ihnen. Doch als es zum Mord an einem der Großmeister kommt, müssen die Helden schnell handeln, denn ihre Gegner scheinen auch hier die Finger im Spiel zu haben. Schließlich müssen sie sich uralten Prüfungen stellen und machen eine im wahrsten Sinne gigantische Entdeckung, die sie zur Halle des Bundes führt.

„Ins Nest der Feinde“ von Sebastian Thurau (Verfasser mehrerer Anthologie-Abenteuer und des unorthodoxen Solos „Die schwarze Eiche“) begeben sich die Helden im abschließenden Teil. Sie haben erfahren, dass die Drachenkultisten ein finsteres Ritual planen, und alles deutet auf die Oase Yiyimris hin, im Norden der Khomwüste. Auf dem Weg dorthin können sie sich einer Gruppe Zwerge anschließen, die als Drachenjäger in dieselbe Richtung reisen. Das Eindringen und Ermitteln in Yiyimris stellt die Helden schließlich vor eine große Herausforderung, denn Ungläubige sind in der Oase nicht erwünscht und werden nicht hereingelassen. Und nicht nur dass die Spurensuche schwierig fällt, auch scheint jemand bereits gewartet und es auf sie abgesehen zu haben. Als die Hinweise sich verdichten, können die Helden schließlich den Spuren in die Khom folgen und in einem verborgenen, kaum zugänglichen Wadi warten die Kultisten und schließlich eine große Überraschung, die sie mit Schrecken aus einer anderen Zeit konfrontiert.

Aufmachung, Layout und Bewertung

Auch in diesem Band wird der „DSA“-typische Stil und Aufbau geboten. Man merkt, dass es sich um Abenteuer für fortgeschrittene Spielleiter handelt, da doch viele Flexibilitäten und Freiheiten vorhanden sind und Vorlesetexte eher vermieden werden. Wenn sie auftauchen, dann leider in zu großer Ausführlichkeit, vor allem im zweiten und dritten Abenteuer. Mit 152 Seiten liegt wieder ein ordentlicher Brocken vor, und dieses Mal wird der Platz auch nicht mit unwichtigen Informationen verschwendet, sondern stets sinnvoll genutzt. Die Illustrationen wissen nahezu durchgängig zu gefallen, allerdings wirken die Portraits der NSCs teilweise etwas ähnlich.

Zu Beginn erhält der Leser einige Informationen, falls sich die Spieler und Helden über Drachen, Pardona oder Kraftlinienmagie informieren wollen. Dazu werden verschiedene Institutionen genannt, die weiterhelfen können und deren Wissensstand. Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf den Kirchen, Zauberkundigen und Zwergen. Hier wird nicht zu viel und nicht zu wenig geboten, sondern in Kurzform vertiefendes Material aufgearbeitet, falls die Spieler diesen Spuren folgen. Dazu sind zwei Mini-Szenarien enthalten, in denen die Helden auf Kaiserdrachen treffen können. Beide sind optional und können, müssen aber nicht gespielt werden. Sie geben Hinweise auf die Gegner und verknüpfen mit der späteren Handlung in Band 4, können aber auch weggelassen werden, ohne dass wesentliche Infos fehlen.

Das erste Abenteuer von Armin Bundt bietet endlich all das, was man sich unter der Drachenkampagne vorgestellt hat: einen exotischen, aber auch gefährlichen Handlungsort, eine spannende, schwer vorhersehbare Handlung (auf die die Helden genügend Einfluss nehmen können), interessante, undurchschaubare, gefährliche Nichtspielercharaktere (die je nach Verhalten der Helden auch agieren), Geheimnisse und Mysterien aus Jahrtausenden und natürlich einen Kaiserdrachen, mit dem nicht nur geredet wird, sondern mit dem es auch mal zur Sache geht und bei dem nicht klar ist, ob er sich für oder gegen die Helden entscheidet und dementsprechend im abschließenden Band auf deren Seite oder der Seite der Feinde steht. Armin Bundt bietet einfach eine schöne, runde Mischung aus rotem Faden und vielen, vielen Freiheiten und Möglichkeiten für die Spieler. Schwierigkeiten für den Spielleiter bieten sicherlich die etlichen Nichtspielercharaktere, wobei dies sicherlich dadurch zu lösen ist, dass man sich auf die in den Vordergrund drängenden drei Hauptcharaktere konzentriert. Die Spieler werden zudem durch die Konfrontation mit Agapyr, dem Drachen, aufs Äußerste gefordert werden und können im schlimmsten Fall das Zeitliche segnen. Minimale Kritik oder eher Zweifel mag vielleicht nur daran erlaubt sein, dass ein leibhaftiger, alter Kaiserdrache auf das Einflüstern eines geringeren Wesens „hereinfällt“, aber wieso sollte nicht auch ein Drache seine Schwachstellen haben?

Das zweite Abenteuer von Michael Masberg stellt im Wesentlichen eine klassische Detektivgeschichte dar, die mit einer epochalen und monumentalen Entdeckung abschließt. Auch hier kann man das Potpourri aus Handlungsort, Handlung, Charakteren und erst recht der gigantischen Entdeckung nur loben. Die Spieler haben zunächst die Möglichkeit, nach den Drachennamen oder anderem zu forschen, zu entdecken und die riesige Festung zu erkunden und ihrem Forscherdrang freien Lauf zu lassen. Schwierig kann bei der Erkundung der riesigen Anlage sicherlich das fehlende Kartenmaterial werden (das bewusst von den Autoren nicht geliefert wird, um das Mysterium der gigantischen Anlage zu wahren, in der stets neue Kammern und Hallen entdeckt werden können). Hier ist die Improvisationsgabe des Spielleiters gefragt. Doch nach und nach setzen Gefahren und Ereignisse ein, und die Helden müssen die Gegner stoppen, ehe es zu spät ist. Dabei droht ihnen nicht nur von einer Seite Gefahr, sodass auch die Handlung nicht zu schnell durchschaubar ist. Die Entdeckung der Drachenchronik und der Halle des Bundes ist allerdings durch ein bestimmtes Ereignis gebunden und kann nicht frei von den Spielern und Helden angegangen werden, die folgenden monumentalen Entdeckungen sollten die Spieler aber über diese kleine Einbahnstraße hinwegtrösten. Denn der Abschluß und die Entdeckung sind im wahrsten Sinne gigantisch. Abschließend lässt sich sicher darüber streiten, ob die Beschreibung Drakonias an dieser Stelle gut aufgehoben ist und nicht besser an einen neutraleren Ort gepasst hätte, denn Spielleiter, die sich nur für die Beschreibung der Festung interessieren, müssten dafür das ganze Abenteuer erwerben.

Das dritte Abenteuer von Sebastian Thurau kann mit seinen beiden Vorgängern allein ob der Schauplätze nicht mehr mithalten, aber das wäre vielleicht auch zu viel verlangt gewesen. Dabei ist das Abenteuer durchaus solide, vor allem der erste Teil in Yiyimris weiß durch gute Szenen zu glänzen. Die Herausforderungen sind groß, und die Spieler müssen sich gut überlegen, wie sie hier vorgehen. Hier sind Heimlichkeit und List gefragt, und es bieten sich viele Freiräume, wie die Helden vorgehen können, auch wenn es natürlich Tipps vom Autor gibt, welche Möglichkeiten bestehen und wo Schwierigkeiten auftreten können. Ärgerlich ist dagegen die gezwungene Begegnung vorab mit dem Weisen Abu Khômchra, der ihnen aus einer Vision heraus ein Artefakt übergibt, was natürlich in Band 4 nötig ist. Das sind Szenen, die einfach unelegant gelöst sind, auch wenn vermutlich der Autor weniger dafür kann als die Kampagnenredaktion, die das vorgab. Die Auflösung des Abenteuers in einem kleinen Wadital in der Wüste bietet zudem den Konflikt, dass die Spieler vielleicht zu schnell eingreifen und weniger beobachten oder sich einschleichen, wie vom Autoren angenommen. Aber wenigstens präsentiert er dafür eine – wenn auch einfache – Lösung. Das Ende wirkt hingegen nicht richtig rund, die Motivation der Helden, eine bestimmte, vom Abenteuer geforderte Handlung zu vollziehen, nicht richtig überzeugend. Hier muss man gegebenenfalls als Spielleiter durch Zwang nachhelfen (Helden stolpern rein, werden reingerissen etc.). Das Abenteuer fällt wie gesagt gegenüber den beiden anderen etwas ab, ist aber trotzdem noch auf einem guten, soliden Niveau mit ausreichenden Freiheiten.

Fazit: Warum nicht gleich so? Packende, spannende Abenteuer, die enorm viel Freiraum bieten und doch einen roten Faden haben. Intrigen und Epos, Mysterien aus Jahrhunderten und Jahrtausenden, an die Grenzen gehende Herausforderungen und befriedigende Triumphe – eine ideale Mischung, die alles das bietet, was man sich eigentlich schon ab dem ersten Abenteuer gewünscht hat. Eine ganz runde Sache!


Die Drachenchronik III: Drachenschwur
Abenteuerband
Patrick Fritz, Stefan Küppers, Daniel Richter (Red.)
Ulisses Spiele 2010
ISBN: 3868890416
152 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

bei amazon.de bestellen