Die Drachenchronik II: Drachenerbe

Die Birscha-Rolle konnte bisher nicht entschlüsselt werden, und es scheint nur einen Mächtigen zu geben, der den Helden antworten geben kann: der Alte Drache Fuldigor. Doch dieser sitzt auf dem Grat kurz vor dem Ende der bekannten Welt, dem Ehernen Schwert. Und so müssen die Helden eine Expedition in das höchste Gebirge Aventuriens unternehmen, und es ist ungewiss, ob sie dieses erreichen und zurückkehren. Denn nur wenig Sterbliche haben diesen Weg je beschritten.

von Ansgar Imme

 

Aus vergangenen Kampagnen hatte die Redaktion des „Schwarzen Auges“ viel gelernt, vor allem in der Veröffentlichungspolitik, und so folgte der zweite Teil von „TNBT – The Next Big Thing“ oder jetzt bekannt unter dem Namen „Die Drachenchronik“ nur wenige Monate nach dem ersten. Dazu erfolgt(e) eine enge zeitliche und inhaltliche Abstimmung zwischen den einzelnen Bandautoren, um Logik- oder Stilbrüche zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren. Während die Kampagnenredaktion Stefan Küppers, Patrick Fritz und Daniel Simon Richter im ersten Band noch drei Abenteuer auf 160 Seiten präsentierte, sind im zweiten Band nur zwei Abenteuer auf rund 140 Seiten enthalten, dafür mit zwei exotischen Schauplätzen und ebenso exotischen Antagonisten – einem Alten Drachen und den Trollen.

Handlungsüberblick

Der zweite Band der Drachenchronik „Drachenerbe – Auf den Weltenwall“ umfasst die Abenteuer „Bis ans Ende“ von Stefan Unteregger sowie „Vermächtnis im Mondschein“ von Katja Reinwald. Dazu gibt es eine kurze Zwischenepisode aus der gemeinsamen Hand der beiden Autoren. Darüber hinaus enthält der Band wieder weiteres Hintergrundmaterial zur Kampagne (welches aber auch kampagnenlosgelöst genutzt werden kann), dieses Mal in Form von Wissen und Legenden über die Drachen, Erlebnisse der sogenannten „Lichtvogel-Expedition“ und Informationen über bekannte Propheten und Orakel.

Im ersten Abenteuer „Bis ans Ende“ von Stefan Unteregger, der bisher einige Abenteuer zu Anthologien beisteuerte, müssen die Helden eine Expedition in das größte Gebirge der bekannten Welt – das Eherne Schwert – ausrichten, um Hilfe vom mächtigen Fuldigor, einem der Alten Drachen, zu erhalten. Doch noch ehe es überhaupt in das gigantische Gebirge geht, gilt es, in Festum Geldgeber und Unterstützung für die lange und gefährliche Reise zu finden. Und auch im Bornland, speziell Notmark als letztem Ort der Zivilisation vor den unbekannten Höhen, müssen Gefahren überwunden werden, die sich auch für die weitere Reise als Hindernisse erweisen können. Im Gebirge schließlich werden die Naturgewalten zum größten Feind: Eiseskälte und vulkanische Hitze warten auf die Helden. Dazu werden diese auch noch mit nur in Legenden und Märchen erwähnten Wesen konfrontiert, ehe sie schließlich dem Allweisen Fuldigor gegenübertreten können. Doch seine Antworten scheinen mehr Fragen aufzuwerfen als Antworten zu bringen.

Als kurze Zwischenepisode zwischen den beiden Hauptabenteuern folgt mit „Neue Freunde, alte Feinde“ aus der Feder beider Autoren mehr eine kurze Szene denn ein Abenteuer, in der die Helden auf die sogenannte „Lichtvogel-Expedition“ treffen und diese vor der Vernichtung durch eine eisige Gefahr erretten. Anschließend können die Mitglieder der Expedition einige wertvolle Informationen preisgeben und die Helden an einen weiteren Ort verweisen, der Geheimnisse lüften kann – Traschmalgor, eine der alten Trollburgen.

Das zweite „richtige“ Abenteuer „Vermächtnis im Mondschein“ von Katja Reinwald (bisher durch die Arbeit zu mehreren Hintergrundbänden und einigen Anthologie-Abenteuern in Erscheinung getreten) führt die Helden tief in die Trollzacken, ein weniger mächtiges, aber trotzdem unwirtliches Gebirge. Während es zunächst gilt, den Gefahren des Gebirges zu trotzen und den Weg in die alte Trollfestung zu finden, wartet am Eingang zur Festung eine erste Bewährungsprobe. Wenn sie ihren Mut bewiesen haben, können die Helden die Trolle kennenlernen und versuchen, in der uralten Trollburg Hinweise auf das Wirken ihrer Gegner und Antworten um die Drachen zu finden. Als sie am Rande eines Vulkans eine Entdeckung zum Vermächtnis der Trolle machen, haben dunkle Mächte ihren Weg in die Festung der Trolle gefunden. Doch während die Trolle und Helden versuchen, einen Angriff von Nekromanten abzuwehren, hat eine alte Widersacherin Einlass gefunden und entfesselt einen Geistersturm, um an die letzten Geheimnisse eines sehr alten und toten Trolls zu kommen.

Aufmachung, Layout und Bewertung

Am „DSA“-typischen Stil und Aufbau hat sich auch in diesem Band nichts geändert, wobei sich auch hier die Vorlesetexte noch weitestgehend in Grenzen halten, mit Ausnahme der Höhepunkte und Schlussszenen der Abenteuer, doch dazu später mehr. Mit 143 Seiten sind es knapp 20 Seiten weniger als im ersten Band, obwohl man sich oft wünscht, es wäre noch gekürzt oder vielmehr der Platz für Wichtigeres verwendet worden. Die kleineren Illustrationen sind zum Teil aus alten Publikationen, die großen Illustrationen von bis zu einer halben Seite sind neu und von sehr guter Qualität.

Eine ausführliche Einführung und Ablauf der Kampagne ist in diesem Band nicht nötig, dafür erhält der Leser eine rund zwanzigseitige Ausführung rund um das Thema Drachen und Pyrdacor, beleuchtet aus Sicht verschiedener Staaten und Kulturen wie Mittelreich, Tulamiden usw. sowie verschiedener Berufe wie Magier, Geweihte usw. Während man dies so liest und liest und liest, fragt man sich irgendwann, warum so eine lange Einleitung zu Drachen sein muss, und erst recht, warum sie sich in diesem Band befindet. Dieses sehr ausführliche Hintergrundmaterial (und dieselbe Problematik gab es mit der Drachenei-Akademie im ersten Band und wird es in anderer Form auch im dritten Band geben) hätte entweder als Einleitung vermutlich auch besser in den ersten Band oder in einen generellen Hintergrundband gepasst. Beim Anhang zu den Orakeln und Propheten stellt sich – bei aller Qualität und Spielnutzen für andere Spielabende – noch vielmehr die Frage, warum auch dieses Spielmaterial gerade in diesen Band gequetscht wurde. Hier bekommt das Abenteuer zu viel Spielhilfen- und Hintergrundcharakter. Hingegen fehlen stattdessen, und hier wäre der Platz dafür angemessen gewesen (und hätte vermutlich nicht mehr als insgesamt 2 Seiten gekostet), einige Übersichtskarten sowohl für das erste als auch zweite Abenteuer, die grob die Wege der Helden kennzeichnen, sowie vielleicht grobe Karten zu einigen Orten wie Notmark oder die Grotten der Blauen Mahre im ersten Abenteuer.

Das erste Abenteuer aus der Hand von Stefan Unteregger versucht zunächst, einige erfolgreiche Muster aus dem Vorband und dem dortigen ersten Abenteuer, das sich auch um eine Expedition drehte, zu kopieren. Die Helden beziehungsweise Spieler müssen verhandeln, Unterstützung organisieren, Geldgeber finden und Informationen zusammentragen. Je nachdem mit wem sie schließlich ins Geschäft kommen, fällt auch die Unterstützung aus, die den Helden Vorteile während der kommenden Reise gewährt. Hier sind große Freiheiten für die Spieler vorhanden, die allerdings aufgrund der Offenheit auch einen erfahrenen Spielleiter erfordern. Irritiert ist man allerdings über eine notwendige Begegnung mit einer Meisterperson, die die Gruppe auf jeden Fall begleiten soll oder vielmehr muss (aus Sicht des Autoren und der Bandredaktion). Eine wirkliche Konsequenz, wenn sie fehlen würde, ergibt sich aber im gesamten Abenteuer nicht wirklich, außer dass durch eine Verknüpfung spätere Ereignisse in der Spielwelt vermutlich eingeleitet werden. Doch mit dem Abenteuer hat dies nichts zu tun. Auch die folgenden Reisepassagen, vor allem in Notmark, sind sehr frei gehalten und bieten wieder verschiedene Optionen, die verschiedene Konsequenzen haben und so ein hohes Maß an Freiheit bieten. Während im ersten Band aber stets Gegner, teilweise im Geheimen, wirkten und auch ähnliche Ziele wie die Helden verfolgten, fehlen diese hier gänzlich. Dabei hätte es zumindest im Bornland die Möglichkeit gegeben, die Drachenkultisten nochmals auftauchen und somit für Zeitdruck und leichte Verfolgungsängste zu sorgen. Nachdem das Abenteuer Notmark und damit den letzten Halt der Zivilisation verlassen hat und in das Gebirge geht, fallen die Optionen allerdings weitestgehend weg, und das Abenteuer verkommt leider etwas zu einer „Sightseeing-Tour“ vorbei an – durchaus spektakulären, aber zu sehr zu als einzelne Bilder gesetzten – Orten, die den Spielern wohl irgendwie gezeigt werden sollen. Die größte Enttäuschung wartet leider am Schluss. Vielleicht hatte man sich einfach zu viel erwartet, wenn es um den Allweisen, den Alten Drachen Fuldigor geht. Nahezu reines Zuschauen und Zuhören zu einem sehr langen Vorlesetext – da wäre mehr drin gewesen.

In der Zwischenepisode und dem zweiten Abenteuer geht es wie für die Helden – steil bergab (wenn man dem Rezensenten diesen Kalauer erlauben darf). Die Zwischenepisode bringt die Helden mit einer verschollenen anderen Expeditionsgruppe zusammen, der „Lichtvogel-Expedition“. Diese kurze Szene bietet nur einen kurzen Kampf mit dämonischen Schergen und ein paar weitere Hintergrundinformationen aus Hand der anderen Expeditionsteilnehmer. Vermutlich hätte man diese Episode auch weglassen können, aber so kann man ja die Helden direkt mit der Nase auf das nächste Ziel lenken und gleichzeitig die offene Frage um den Verbleib der „Lichtvogel-Expedition“ aus der Vergangenheit der „DSA“-Publikationsgeschichte schließen, die von Spielern immer wieder nachgefragt wurde.

Das zweite und letzte Abenteuer im zweiten Band, das die Spieler und Helden mit der uralten Kultur der Trolle zusammenführt, versucht auch, den Spielern viele Freiheiten zu geben, aber die Ereignisse und Begegnungen zu Beginn wirken bruchstückhaft, ziellos und zufällig, ebenso wie die Entdeckung der Trollfeste. Die Aktivitäten der Helden in der Festung sind schließlich beliebig und unwichtig, denn letztlich sind nur die späteren Aktivitäten der Gegner oder vielmehr der einer Gegnerin der Mittelpunkt und Ziel des Abenteuers. Was die Helden zudem bei einem Abstecher auf einen heiligen Berg Wichtiges erfahren sollen, erschließt sich beim Lesen nur schwer. Sie erfahren, dass eine Widersacherin, die sie vorher schon im Verdacht hatten, vermutlich wirklich dahintersteckt. Und mit Rückkehr zur Trollfeste darf es dann endlich ans Eingemachte gehen, um ein paar Nekromanten und deren Handlanger zu bezwingen, wobei auch dies nur ein Ablenken von dem Eintreffen der Widersacherin ist, der die Helden zum Abschluss dann noch bei einem Ritual zusehen können, ohne eine wirkliche Möglichkeit haben einzugreifen. Im Kino sicherlich spektakulär, am Spieltisch wieder mal eher enttäuschend.

Fazit: Wer erwartet hatte, dass der erste Band nur ein langsamer Auftakt mit qualitativen Hoch und Tiefs war und der zweite hingegen durchstarten würde, sah sich leider getäuscht. Während das erste Abenteuer noch seinen Sinn und Zweck in der Kampagne erfüllt, fragt man sich beim zweiten Abenteuer (wie in Band I auch schon), wofür dieses dient und ob man es nicht hätte auch einfach weglassen können. Dazu kommt zu viel allgemeines Füllmaterial, oft uninteressante, aneinandergereihte Szenen, die nur durch den exotischen Ort oder sonst seltene Wesen in Abenteuer auffallen und dazu leider wieder mal die Kinoszene zum Ende zum Zuschauen für die Spieler und Helden. Hier wurde richtig Potenztial verschenkt! Ob die beiden Folgebände die Kampagne und den Gesamteindruck retten können, scheint an dieser Stelle sehr fraglich.


Die Drachenchronik II: Drachenerbe
Abenteuerband
Patrick Fritz, Stefan Küppers, Daniel Richter (Hrsg.)
Ulisses Spiele 2009
ISBN: 3940424382
143 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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