Die Drachenchronik I: Drachenschatten

Hilbert von Puspereiken, anerkannter Drachenforscher, richtet eine Expedition in die Khomwüste aus, um nach Relikten aus der Hinterlassenschaft des Gottdrachen Pyrdacor zu suchen, der vor Jahrtausenden vernichtet wurde. Die Helden, die zu seiner Unterstützung die Organisation der Expedition übernommen haben, stellen schnell fest, dass sie nicht die einzigen auf der Suche sind, sondern eine unbekannte Macht Nachforschungen anstellt. Und diese scheint große und gefährliche Pläne zu haben...

von Ansgar Imme

 

 

TNBT - „The next big thing“. Unter diesem Namen firmierte jahrelang die nächste große Kampagne für das Rollenspiel „Das Schwarze Auge“, dessen erster Teil nun nach vielen Jahren der Planung endlich veröffentlicht wurde. Früh war klar, dass es um Drachen gehen sollte, Geschöpfe, die in der Welt des Schwarzen Auges bisher eher nur eine Randerscheinung waren. Und schnell gab es im kurzlebigen Internet viele Vermutungen und Hypothesen, um was genau es bei dieser Kampagne wohl gehen sollte. Um lange zeitliche Lücken zwischen den Erscheinungsdaten der einzelnen Bände zu vermeiden, hatte die Kampagnen-Redaktion um Stefan Küppers, Patrick Fritz und Daniel Simon Richter eine komplette Planung der Kampagne von Beginn an vorgenommen, und mit Abgabe eines Bandes durch die Autoren war der nächste inhaltlich schon nahezu fertig. Dazu erfolgt(e) eine enge zeitliche und inhaltliche Abstimmung zwischen den einzelnen Bandautoren, um Logik- oder Stilbrüche zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren. Dies führt lobenswerterweise dazu, dass der zweite Band schon für November angekündigt ist.

Handlungsüberblick

Der erste Band der Drachenchronik „Drachenschatten – Aus verborgenen Tiefen“ umfasst die Abenteuer „Im Sand verborgen“ von Chris Gosse, „24 Stunden in Khunchom“ von Denny Vrandecic und „Aus Hass geboren“ von Ulrich Kneiphof und Jörg Middendorf. Darüber hinaus enthält der Band weiteres Hintergrundmaterial zur Kampagne, eine Anleitung zur Einbindung von „Drakensang“-Helden sowie eine ausführliche Beschreibung der Drachenei-Akademie zu Kunchom.

Im ersten Abenteuer „Im Sand verborgen“ von Chris Gosse (bekannt vor allem durch sein Abenteuer „Der Unersättliche“ und seine Arbeit an etlichen Regelwerken und mehreren Regionalspielhilfen) werden die Helden vom Echsenforscher Hilbert von Puspereiken gebeten, seine Expedition in die Khomwüste zu organisieren und zu leiten. Nach Verhandlungen mit Novadistämmen müssen sie die Ausgrabungen besichtigen, kommen Saboteuren auf die Spur und finden schließlich eine riesige, Jahrtausende alte Schriftrolle aus dem Nachlass des Gottdrachen Pyrdacors. Auf dem Rückweg nach Khunchom gilt es, diese gegen gefährliche und unheimliche Kultisten zu verteidigen.

„24 Stunden in Khunchom“ von Denny Vrandecic führt die Helden in die gleichnamige Stadt, wo es gilt, die gefundene Schriftrolle zu entschlüsseln. Kaum in der bekannten Magierakademie Khunchoms angekommen, wo die Helden sich Hilfe erhoffen, überschlagen sich die Ereignisse, und die Helden haben nur 24 Stunden, um Khunchom vor dem Untergang zu retten. Hasrabel, Sultan von Gorien, verlangt die Herausgabe eines Drachenkarfunkels. Doch Khadil Okharim, Spektabilität und als einziger in der Lage, den Karfunkel aus der bewachten Kammer zu holen, weilt auf einem Kampfeinsatz gegen die Schwarzen Lande. Unter den Magiern entwickeln sich verschiedene Allianzen, die jede als Ersatz-Spektabilität versprechen, für oder gegen Hasrabal zu handeln. Den Helden gelingt es schließlich, Khadil Okharim zurückzubringen, doch ist zu diesem Zeitpunkt der Karfunkel von Hasrabal selbst mit Dschinnenmacht gestohlen worden. Das hat jedoch den Schlaf mächtiger Drachengeister geweckt, und es liegt an den Helden, den Karfunkel zurückzubringen, ehe die Geister Khunchom und seine Einwohner zerstören.

„Aus Hass geboren“ ist der Gegner im dritten Teil des Bandes aus der Feder der Autoren Ulrich Kneiphof, seines Zeichens Kanzler von Tobrien, und Jörg Middenhoff. Beide haben schon einige Beiträge in der Welt des Schwarzen Auges verfasst. Nach den überstandenen Strapazen in Khunchom scheitern selbst die Experten Rakorium Muntagonus und Khadil Okharim an der Entschlüsselung der Rolle. Man entschließt sich, die Helden zu Llezan von Vallusa, der Ordensgroßmeisterin der Grauen Stäbe, zu entsenden, die als Drachenkennerin auch Kontakt zu Apep, dem Kaiserdrachen hatte, sodass man gegebenenfalls dessen Gesandten Draco von Misaquell zu Hilfe ziehen könnte. Doch nicht nur, dass die Helden auf der Reise gen Vallusa von einem mysteriösen Fremden angegriffen werden, sie müssen schließlich auch mit einem leibhaftigen Kaiserdrachen in Kontakt treten

Aufmachung, Layout und Bewertung

Der Aufbau des Bandes ist im typischen „DSA“-Stil gehalten, wobei sich die Vorlesetexte in Grenzen halten. Neben einer umfangreichen Einführung zu Hintergrund und Ablauf der Kampagne (inklusive der Ereignisse vom ersten bis letzten Band als Ausblick für den Spielleiter) findet sich auch ein passender Anhang, der neben mehreren NSC-Beschreibungen und Karten zudem eine ausführliche Beschreibung der Khunchomer Magierakademie enthält. Das Cover zeigt untypisch keine Szene aus dem Abenteuer, sondern das Auge eines Drachen, in dem sich ein anderer Drache spiegelt. Trotz der großen Textmenge von rund 160 Seiten gibt es etliche Illustrationen, deren Qualität weitestgehend gut ist. Pläne zu den wichtigsten Gebäuden beziehungsweise Orten sind im Text und zusätzlich auch noch einmal im Anhang enthalten, eine Übersichtskarte zum Ausgrabungsgebiet des ersten Abenteuers fehlt allerdings, wurde aber von Fans im Internet über das Dere-Globus-Projekt nachgeliefert.

Interessanterweise ist das Auftaktabenteuer, was zunächst als reines Nachforschen und Verhandeln erscheint, der beste Teil des Buches, denn hier wird den Spielern und Helden die größte Freiheit gegeben, ohne die Spannung zu nehmen. Es gibt sehr viele Möglichkeiten und Varianten, wie die Spieler agieren können und die zu verschiedenen Folgen führen. Je nachdem ob Spieler und Spielleiter viel oder wenig Spaß und Interesse verspüren, können Passagen gekürzt oder lange ausgespielt werden, ohne dass die Spieler dies merken (müssen). Beim Showdown in den verborgenen Kavernen gibt es zwar einige wenige Logikbrüche, doch diese können den guten Gesamteindruck nur wenig trüben.

Das zweite Abenteuer des Bandes fällt gegenüber dem Auftakt deutlich ab. Einerseits wird der Zusammenhang zur Gesamtgeschichte nicht wirklich klar, man kann anscheinend gut auf diesen Part verzichten, ohne dass der Ablauf der Kampagne darunter leidet. Andererseits sind zu viele Szenen eingeflochten, wo die Spieler und Helden mehr Zuschauer als Akteure sind. Zudem müssen die Spieler fast nur reagieren, ohne selbst agieren zu können. Der bekannte Magier Hasrabal handelt schließlich sehr seltsam, und auch der auf Seiten der Helden stehende Erzmagier Rakorium lässt einiges von der Weitsicht missen, die man bei ihm erwarten würde. Zuletzt wirken viele Szenen eher gestellt, so als ob man den Spielern und Helden ein paar besondere tolle Filmszenen vorspielen wolle. Wenn die Spieler so etwas mögen, werden sie allerdings an den Szenen viel Spaß haben.

Das letzte Abenteuer dieses Teils der „Drachenchronik“ ist sehr linear aufgebaut, was natürlich dem Thema Reiseabenteuer geschuldet ist, dem Ganzen aber leider etwas schadet (ärgerlich ist zudem eine fehlende Zusammenfassung am Anfang des Teilabenteuers). Auch Reiseabenteuer können noch etwas mehr Freiheiten für Spieler lassen. Hier hat man aber den starken Eindruck, dass diese sehr an einem roten Faden entlanglaufen, ohne selbst sehr viel beeinflussen zu können. Auch hier werden die Spieler beziehungsweise Helden eher von einem Punkt zum nächsten geschickt. Richtige Freiheiten erhalten die Spieler eigentlich nur beim Eindringen in eine Burg und Befreiung eines wichtigen Gesandten. Aber auch danach handelt man sich wieder an verschiedenen Szenen lang, und beim eigentlichen Hauptkonflikt dürfen die Helden zwar den Hauptbösewicht besiegen, um dann aber nur Zuschauer zu sein, wenn ein mächtigerer Gegner erscheint, der wiederum von einem anderen vertrieben wird. Auch der „Abspann“ hinterlässt eher ein Gefühl des Zuschauens als des Handelns.

Der Anhang ist sehr ausführlich, vor allem die Beschreibung der Magierakademie Khunchoms macht Lust, dort das eine oder andere Abenteuer zu leiten.

Fazit: Der erste Band der „Drachenchronik“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Während der Auftakt trotz eines zunächst langweilig und normal erscheinenden Beginns eine gute Dynamik entwickelt und viele Freiheiten lässt, führen die beiden Folgeabenteuer die Spieler zu sehr an einem roten Faden entlang und erzeugen zu viele Szenen, die eher zuschauen als handeln lassen. Hier wird mancher Spielleiter vermutlich noch einiges an Arbeit reinstecken müssen. Zudem wirken die beiden Abenteuer etwas aufgebläht. Man hat den Eindruck, hier hätte man stark kürzen können. Es bleibt die Hoffnung, dass die Folgebände mehr offene Fäden und Freiheiten zulassen und die Kampagne ihr Potenzial noch entfaltet.


Die Drachenchronik I: Drachenschatten
Abenteuerband
Patrick Fritz, Stefan Küppers, Daniel Richter (Hrsg.)
Ulisses Spiele 2009
ISBN: 3940424315
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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