von Bernd Perplies
Am Anfang vom Ende steht ein betrügerischer Affe und ein naiver Esel. Diesen beiden – ihre Namen Listig und Wirrkopf sprechen für sich – spielt der Zufall (oder Aslans Wille?) ein altes Löwenfell zu. Listig sieht sofort das Potenzial des Tierkleids, denn Aslan, der Gottlöwe von Narnia, wurde seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen und mit ein wenig Geschick und den Diensten des Esels ließe sich hier ein vortrefflicher falscher Gott aus dem Ärmel zaubern, dessen vortrefflicher – und vor allem in Saus und Braus lebender – Prophet er werden könne.
Gesagt, getan. Schon bald muss die gläubige Tierwelt Narnias unter der Knute des neuen Aslan und seiner Kalormenen, der düsteren Südländer, mit denen Listig einen Pakt geschlossen hat, leiden. Selbst Prinz Tirian, der ferne Nachkomme der Prinzen Kaspian und Rilian, fällt in die Hände der Schurken. In seiner Not ruft er nach den Freunden Narnias und Eustachius und Jill, die schon vor Jahrhunderten Prinz Rilian aus den Klauen der Grünen Hexe befreiten, kehren erneut in das Märchenland zurück. Mit ihrer Hilfe versucht Tirian, seine Welt zu retten und kann doch nicht verhindern, dass die Schöpfung Narnia letztlich dem Untergang geweiht ist.
Dass C. S. Lewis mit den Chroniken von Narnia nicht nur einfache Kindermärchen im Sinne hatte, sondern zudem eine zutiefst christlich-religiöse Botschaft zu transportieren versuchte, dürfte jedem, der auch nur grundlegende Bibelkenntnisse aufweist, auffallen. An sich ist daran nichts Schlechtes, doch die Toleranz, mit der man Lewis' in allegorischen Worten ausgeführten Schilderungen der Schöpfungsgeschichte, des Garten Edens oder der Leiden Jesu folgt, stößt bei mir da an die Grenzen, wo selbige jede normale Erzähldramaturgie überwältigen.
Bereits in "Das Wunder von Narnia" war die zweite Hälfte des Buches für eher atheistische Naturen kaum noch zu ertragen, weil der zauberhafte Charme der sprechenden Tierwelt von Narnia von der biblischen Wucht der Ereignisse erschlagen wurde. Jede Handlung wurde zugunsten eines strahlenden Schöpfungsaktes, in dem einzig und allein Gottlöwe Aslan noch eine Rolle spielt, ausgehebelt. Stellenweise war dies auch den in anderen der Bücher zu erkennen, etwa im Tod und der Auferstehung Aslans in "Der König von Narnia", doch meist hielt sich der religiöse Subtext so dezent im Hintergrund, dass er nach wie vor eine Lesart, aber nicht die einzig denkbare, war.
"Der letzte Kampf" leidet nun unter demselben Problem. Bezeichnenderweise wurde dieser chronologisch letzte Roman der Chroniken auch von produktionstechnischer Seite her von Lewis als letzter verfasst, und zwar 1956, direkt nach "Das Wunder von Narnia", so als wollte der Autor seiner bis dato fünfbändigen Saga einen biblischen Anfang und ein biblisches Ende geben. Erzählt die Geschichte anfangs noch in einer an eine Abenteuerhandlung erinnernden Art vom falschen Aslan und dem Einfall der Kalormenen in Narnia, kippt die Stimmung in der zweiten Hälfte zusehends, bis schließlich der echte Aslan auftritt, um eigenhändig das Ende der Welt, die er einst geschaffen hatte, einzuläuten.
Seitenlang wird der Untergang Narnias beschrieben, das sich nur als weltliche Spiegelung eines idealen Narnias, Aslans Reich, entpuppt, ein Konzept, in dem sich Platons Höhlengleichnis mit der Vorstellung vom paradiesischen Leben nach dem Tode vermischen. Die Entwertung seiner eigenen, in zumindest fünf wundervollen Büchern entworfenen Weltenschöpfung zum Schatten einer höheren Wahrheit zugunsten eines philosophisch-religiösen Finales scheint den Autor dabei nicht wirklich zu kümmern.
Fazit: "Der letzte Kampf", der – so oder so – letzte Band der Narnia-Chroniken, schildert den Untergang des Märchenlandes Narnia, sowohl durch den Affen Listig als auch den Gottlöwen Aslan selbst herbeigeführt. Man merkt dem Buch die starke Hinwendung seines Autors zur Religion deutlich an, löst sich doch am Ende jede normale Handlung zugunsten eines erst apokalyptischen und schließlich paradiesischen Finales auf, währenddessen auch noch einmal alle Helden früherer Geschichten ihren Auftritt haben. Schmerzens- und segensreich liegt die biblische Allegorie dabei auf den Seiten und wird wohl vor allem Lesern, die nicht Lucys tiefen Glauben in sich tragen, den Genuss an der Lektüre trüben. Es gibt deutlich schönere (und rundere) Episoden aus Narnia.
Der letzte Kampf (Die Chroniken von Narnia – Bd. 7)
Fantasy-Roman
C. S. Lewis
Ueberreuter 2004
ISBN: 3800050048
165 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 12,95
bei amazon.de bestellen
