Die Chroniken von Narnia 5: Die Reise auf der Morgenröte

Es gibt schon Gründe, warum man zuerst ein Buch lesen sollte und dann den Film dazu sehen. Denn ansonsten rufen sich einem die bewegten Bilder bei der Lektüre ständig ins Bewusstsein und verdrängen die eigene Fantasie. So mir geschehen bei dem Buch „Die Reise auf der Morgenröte“ von C. S. Lewis, dessen BBC-TV-Adaption erst jüngst über meine Mattscheibe flimmerte. Und doch übt das Leseabenteuer seinen ganz eigenen Reiz aus.

von Bernd Perplies

 

„Die Reise auf der Morgenröte“ ist der – chronologisch – fünfte Band der Chroniken von Narnia, wurde allerdings 1952 von Lewis als drittes Abenteuer der Pevensie-Kinder in der Zauberwelt jenseits der Realität geschrieben (eine mehr oder minder direkte Fortsetzung von „Prinz Kaspian von Narnia“).

Im Zentrum der Geschichte stehen diesmal Lucy und Edmund, die ihre Schulferien bei ihrem schrecklichen Cousin Eustachius Knilch (klingt im Deutschen furchtbar, auch wenn Eustace Scrubb im Englischen wohl auch nicht besser ist) verbringen. Beim Betrachten eines Bildes, das ein wunderschönes Drachenboot zeigt, werden die Kinder plötzlich nach Narnia gezogen und mitten hinein in ein Seefahrerabenteuer, auf das sich ihr alter Freund Prinz Kaspian seit einigen Wochen begeben hat. Gemeinsam mit der tapferen Maus Riepischiep, Kapitän Drinian und der Mannschaft der „Morgenröte“ ist er auf der Suche nach den sieben Lords, die unter der Herrschaft seines Onkels Miraz (siehe „Prinz Kaspian von Narnia) aufgebrochen waren, das östliche Ende der Welt zu finden, und niemals zurückkehrten.

Während sich Lucy und Edmund sogleich für die aufregende Odyssee begeistern können, muss der altkluge und von „progressiven“ Eltern zur absoluten Fantasielosigkeit erzogene Eustachius erst einmal in die Schule des Lebens gehen, um mit den Wundern und Gefahren von Narnia umgehen zu können (und zu wollen). So bekommt die (Helden)Reise, die die Gefährten in Episoden von Insel zu Insel führt – man fühlt sich ein wenig an Odysseus erinnert –, für jeden eine besondere Bedeutung. Für Kaspian ist es eine Rettungsmission, Drinian und die Seeleute mögen nach Ruhm und vielleicht Reichtum streben, die Maus Riepischiep wird von einer Prophezeiung getrieben, die ihr die religiöse Pilgerfahrt in den fernsten Osten, hin gen Aslans Land, auferlegt hat, Eustachius lernt eine Menge über sich selbst und für Edmund und Lucy wird es der letzte Ausflug nach Narnia sein.

Die vielen Episoden der Erzählung machen diese zu erstklassigem Vorlesestoff und sorgen zudem für einige Abwechslung innerhalb der Geschichte, sind sie doch mal dramatisch, mal tragisch, mal bedrohlich und mal einfach nur lustig. Einzig die letzte Etappe in den „narnianischen Himmel“ und der Auftritt und Monolog Aslans am Schluss lassen dann doch wieder sehr arg die religiöse Allegorie durchscheinen. Es ist schon bezeichnend von Lewis, seinen Protagonisten die Rückkehr nach Narnia zu verbieten, weil sie „zu alt“ werden, und gleichzeitig darauf zu verweisen, dass Aslan auch auf Erden immer mit ihnen sein wird – er trägt hier nur einen anderen Namen und muss auf anderen Pfaden gesucht werden... Und um das zu erkennen, waren all die Reisen nach Narnia überhaupt nur gedacht.

Mit anderen Worten: Nur Kinder dürfen träumend andere Welten bereisen, sollten dabei aber bitteschön das Göttliche, das alle Schöpfung durchdringt und behütet, erkennen, um dann als Erwachsene gleichzeitig ordentlich in der Wirklichkeit verankert zu leben und zudem gute Christenmenschen zu sein. Ich will nicht sagen, dass diese Botschaft eine schlechte wäre – die meisten Märchen und Fantasy-Geschichten transportieren fragwürdigere –, doch dem heutigen Empfinden nach (zumindest meinem) vermittelt Lewis seine Wertvorstellungen auf eine Weise, die irgendwie altbacken wirkt. Das schmälert nicht die Geschichte als Ganzes, doch die Aslan-Figur als moralisches Sprachrohr des Autors und eigentlicher Kern der Narnia-Chroniken wird wohl für mich paradoxerweise immer das Haupt-Störelement innerhalb der ansonsten wundervollen Märchensaga bleiben.

Fazit: „Die Reise auf der Morgenröte“ kommt als veritables Seefahrerabenteuer daher, das die zwei jüngeren der Pevensie-Geschwister gemeinsam mit ihrem Cousin Eustachius und ihrem Freund Prinz Kaspian zum östlichen Ende der Welt führt. Sehr episodisch angelegt, unterhält es vor allem durch seine abwechslungsreichen Herausforderungen, denen sich die jungen Helden zu stellen haben. Die etwas dick aufgetragenen Religiösität am Ende mag manche etwas stören, fällt jedoch insgesamt kaum ins Gewicht. Für Kinder und Kind-Gebliebene ein schöner Ausflug in die Welt der Fantasie.


Die Reise auf der Morgenröte (Die Chroniken von Narnia – Bd. 5)
Fantasy-Roman
C. S. Lewis
Ueberreuter 2003
ISBN: 3-8000-5002-1
209 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 12,95

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