von Bernd Perplies
"Prinz Kaspian von Narnia", chronologisch der vierte Band der Reihe, geschrieben 1951 hingegen als direkter Nachfolgeband zu "Der König von Narnia" führt die vier Kinder Peter, Suse, Edmund und Lucy, die bereits im ersten Band der Chroniken das magische Land hinter dem Wandschrank bereist und nach vielen Abenteuern schließlich als Könige wieder verlassen hatten, zurück in die Welt jenseits unserer Wirklichkeit. Doch sie finden alles verändert vor. Während auf der Erde nur ein Jahr vergangen ist, sind in Narnia ereignisreiche Jahrhunderte vergangen. Das goldene Zeitalter von Peter dem Prächtigen ist längst Legende, das Volk der Telmarer in Narnia eingefallen, die Tiere zum großen Teil verstummt, die Fabelwesen vertrieben.
All das erfahren die vier Kinder von dem Zwerg Trumpkin, dem sie unweit der Ruine ihres einstigen Schlosses Feeneden das Leben retten, nachdem sie auf wundesame Art und Weise von einem englischen Bahnsteig an den Strand von Narnia gezogen wurden und eine Weile in der Gegend herumgeirrt sind. Weiterhin erzählt ihnen Trumpkin von dem jungen Prinz Kaspian, der sich die alten Zeiten herbeiwünscht, allerdings von seinem Onkel Miraz, der sich unrechtmäßig zum König über Narnia hat ausrufen lassen, nachdem Kaspians Vater gestorben war, in einem fort die Flausen ausgetrieben bekommt. Als Miraz ein eigener Sohn geboren wird, ist Kaspians Leben plötzlich in Gefahr, kann doch der grausame Herrscher keinen rechtmäßigen Thronfolger gebrauchen, und so flieht der Junge.
Auf seiner Flucht trifft er die im Verborgenen lebenden Reste der einstigen freien Völker Narnias, mit denen er sich verbündet, um Miraz herauszufordern und Narnia zurückzuerobern. Doch der Feldzug läuft so schlecht, dass Kaspian schließlich verzweifelt in sein Zauberhorn bläßt, um die einstigen Könige von Narnia, eben Peter, Suse, Edmund und Lucy, um Hilfe zu rufen. Alle zusammen stellen sich Miraz Mannen erneut entgegen, derweil um sie herum das alte Land erwacht, denn mit den vier Kindern ist auch Aslan nach Narnia zurückgekehrt...
Wer bereits mehrere Geschichten von C. S. Lewis gelesen hat, wird langsam bemerken, dass es sich immer um relativ kurze Abenteuer handelt. In der BBC-Serie "Die Chroniken von Narnia", die Anfang der 1990er entstand, wird das Buch "Prinz Kaspian von Narnia" in nur zwei 23-minütigen Episoden abgehandelt. Damit wird die Handlung zwar doch etwas gerafft, allerdings nicht wirklich viel. Denn tatsächlich geht es um nicht viel mehr als einen Jungen, Kaspian, der vor seinem grausamen Onkel flieht, sich mit Tieren und Fabelwesen verbündet, in eine glücklose Schlacht zieht, die zwei Adamssöhne und Evastöchter ruft und mit ihren und Aslans Hilfe schließlich Narnia befreit.
Gut, das wäre in vielen Fantasy-Romanen genug Stoff für 500 Seiten, doch Lewis hält die Handlung in einem überschaubaren Rahmen. Es gibt keine großen Abschweifungen, keine zig Parallelhandlungen, keine Nebenquesten – einzig die poetische Erzählweise des Autoren verlängern die Kurzgeschichte auf dann doch 186 Seiten. Ich kannte die Folgen der BBC-Serie vor dem Roman und fand die Geschichte ziemlich kurz angebunden und wenig spektakulär am Ende. Das Buch hat diesen Eindruck allerdings recht ordentlich relativiert, was einmal mehr beweist, dass es nicht nur auf den Inhalt selbst ankommt, sondern auch auf die Art, wie etwas erzählt wird.
Lewis lässt sich beispielsweise gerne Zeit für seine Figuren. Und er hat ein deutliches Herz für liebenswerte, schräge Gestalten, wie den tumben Riesen Wetterfest, die tapfere Maus Riepischiep, den treuen Dachs Trüffeljäger oder auch die unglaublich knuddligen Wohlbeleibten Bären. In diesen Momenten, und selbige sind wichtiger als jedes komplizierte Handlungsgeflecht, ist "Prinz Kaspian von Narnia" ein wunderschönes Märchen, farbenfroh, freundlich und ein reines (Vor)Lesevergnügen für Kinder und Junggebliebene. Ab und an wird dieses Bild – zumindest für mich – von Aslan durchbrochen, dessen Art und Weise einfach allzu sehr von Lewis an eine Inkarnation Gottes auf Erden angelehnt wurde. Er ist so gnadenvoll und doch gleichzeitig so unerträglich absolut in seinem Herrschaftsanspruch über die gesamte Schöpfung von Narnia, das man sich als aufgeklärter Leser mitunter unbewusst ärgert – weniger über die Figur selbst als über die Glaubensvorstellungen, die durch sie auf den Autor zurückspiegeln (der übrigens lange Zeit Agnostiker war und erst von Tolkien zum Christentum bekehrt wurde – ironischerweise sind Tolkiens Werke nicht so deutlich religiös geprägt).
Fazit: "Prinz Kaspian von Narnia" ist eine nicht ganz so runde Geschichte wie "Der König von Narnia" – so irritiert etwa, dass die vier Kinder Peter, Suse, Edmund und Lucy, die hier erneut Narnia besuchen, einen Großteil der Abenteuerhandlung erzählt bekommen und im Prinzip erst zur Auflösung des Konflikts am Ende tatsächlich ins Geschehen eingreifen. Dessenungeachtet gelingt es C. S. Lewis auch in diesem Roman, die wundervolle Märchenstimmung von Narnia einzufangen. Und was der Geschichte selbst an Fleisch fehlen mag, lassen die zahlreichen, liebenswerten Nebenfiguren leicht vergessen, die uns die Reise in Reich der Fantasie versüßen.
Prinz Kaspian von Narnia (Die Chroniken von Narnia – Bd. 4)
Fantasy-Roman
C. S. Lewis
Ueberreuter 2003
ISBN: 3-8000-2088-2
192 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 12,95
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