von Lars Jeske
Auf dem sehr gelungenen Cover ist leider nicht eindeutig genug vermerkt, dass es sich bei „Glut und Asche“ nicht um einen eigenständigen Roman handelt, sondern einen weiteren Teil der Reihe „Die Chronik der Unsterblichen“. Fans von Wolfgang Hohlbeins Büchern werden das erkennen, Unkundige wird dies womöglich ärgern. Selbstverständlich ist es auch möglich, das Buch zu lesen, ohne die komplette Vorgeschichte zu kennen, jedoch verschenkt man dann vieles und auch die Dramatik einiger Szenen wird einem nur schwer bewusst. Die Jahrhunderte andauernden Verwicklungen sind mitunter nicht zwangsläufig ersichtlich oder können nur skizzenhaft (erneut) umrissen werden. Wie so oft haben es auch hier kundige Leser der Reihe eindeutig besser und können sich tiefer ins Geschehen einfinden.
Für diese Leser sind die Charaktere schon lange fest umrissen und auch viele Erinnerungsfetzen an vergangene Abenteuer, die am Auge des Lesers vorbeirauschen, hinterlassen andere Eindrücke. Selbst wenn Hohlbein erneut knapp 450 Seiten zusammengeschrieben hat, bleibt wenig Raum für ausführliche Rückblicke und abschweifende Resümees über die bisherigen Abenteuer rund um Andrej Delãny und Abu Dun. Wiederholungen können natürlich nie ganz ausgelassen werden, was gut ist, ein paar Satzwiederholungen stören hier jedoch das Lesevergnügen. Die Handlungsmotivationen und auch die Gefühle der Helden kann man dabei ohne Vorwissen nicht vollends nachvollziehen, sondern muss diese eher hinnehmen, was wieder dafür spricht, sich der Romanreihe chronologisch zu widmen.
Zur Story: Hexenmeister und Pirat suchen nach den letzten Abenteuern noch immer den ihnen überlegenen Loki und sind dabei so nah dran wie noch nie in den letzten 50 Jahren. Selbst für Unsterbliche kein kurzer Zeitraum, vor allem in einer Welt, die sich immer rasanter verändert. Nahezu blind vor Rache und seinem Wahn nach gefühlter Gerechtigkeit verfallen, bringt sich Andrej heuer in dermaßen viele Schwierigkeiten, dass selbst Abu Dun ins Schwitzen kommt und gegen seinen Sahib aufbegehrt.
Wie so oft konstruiert Wolfgang Hohlbein eine eigene Geschichte vor historisch belegtem Hintergrund. In „Glut und Asche“ agieren seine Figuren in London am Vorabend des Großen Brands. 1666 verschlägt es sie auf ihrer Suche in die bedeutendsten Metropole dieser Zeit. Wie das Leben nach dem schwarzen Tod in der Stadt weitergeht wird anfänglich knapp umrissen, um sich in diese Zeit einzufinden. Schnell nimmt dann die in diesem Roman sehr kampflastige Handlung Fahrt auf, als Andrej glaubt, den Jungen Frederic in einem Straßenjungen erkannt zu haben. Nach all der Zeit kann und will er dieses nicht glauben. Oder eben doch. Von seiner inneren Unsicherheit, Zerrissenheit und Neugier angetrieben lässt er sich auf dessen überaus perfides Katz-und-Maus-Spiel ein, wodurch Andrej weit mehr polizeiliche Aufmerksamkeit auf sich zieht, als für seine verdeckte Suche nötig ist. Nachdem er endlich das von Frederic um ihn gesponnene Komplott erkennt, ist es schon fast zu spät, um aus dessen persönlichen Folgen zu entrinnen. Und dabei steht das Duell mit Loki erst noch bevor.
Vertraute Leser wird es nicht weiter wundern, dass über diese hinaus erneut Personen den Weg von Andrej und Abu Dun kreuzen, die ihnen aus früheren Abenteuern bekannt sind und bedeutenden Einfluss auf die beiden Protagonisten hatten. Dabei wird die wahllose Zufälligkeit deren Auftauchens immer unwahrscheinlicher, je weiter die Handlung voranschreitet. Selbst unerwartete Hilfe hat ihren Preis und Andrej erleidet eine persönliche Offenbahrung. Ebenso wird der innere Konflikt von Andrej immer weiter zugespitzt und ist neben der besonders packenden Newgate-Szene das Highlight dieses Werkes. Danach geht es Hieb auf Hieb. Bevor die Glut erloschen und sich die Asche als Staub legt, setzt der Autor mit dem letzten Satz des Romans noch eins drauf. Zurückgelassen stehen dann sowohl Andrej als auch der Leser auf verbrannter Erde.
Anmerkung: Soundtracks zu Filmen sind bekannt, bei Büchern ist das eher selten. Die Sonderausgabe von „Glut und Asche“ beinhaltet eine CD mit passender musikalischer Untermalung. Eine für dieses Projekt zusammengekommene Gruppe in der Szene nicht ganz Unbekannter verbreitet als „Delany“ auf 11 Songs verteilt für 55 Minuten die passende düstere Stimmung, welche in weiten Teiles des Buches vorherrscht. - Eine interessante Idee, vor allem für Hardrockfans ein obligater Mehrwert.
Fazit: Gekonnt versiert legt der Vielschreiber Wolfgang Hohlbein mit „Glut und Asche“ ein weiteres Werk der offenen Romanreihe „Die Chronik der Unsterblichen“ vor. Kenner der Reihe erleben ein paar Déjà-vu-Erlebnisse und Wiederholungen, während Erstleser hingegen zu wenige Hintergrundinformationen bekommen würden, um komplett in die Story einzutauchen. Es ist ein für mich typisches (Spät)Werk der Reihe; Andrej jammert gern und häufig, während Abu Dun witzig ist (oder es versucht), während sie so durch ein weiteres Abenteuer stolpern. Der als Dark Fantasy betitelte Roman ist dabei das wohl psychologischste Werk der Reihe.
Die Chronik der Unsterblichen 11 – Glut und Asche
Fantasy-Roman
Wolfgang Hohlbein
Egmont-Lyx 2008
ISBN: 978-3-8025-8247-9 / 978-3-8025-8248-6
447 S., Hardcover, deutsch / + Begleit-CD
Preis: EUR 19,95 / 29,95
bei amazon.de bestellen
bei amazon.de bestellen (+ Begleit-CD)
