von Lars Jeske
Wer schnell einen ungefähren Überblick über die zeitgenössische Fantasy-Literatur haben möchte, sollte zumindest einen Blick in „Die Anderen“ von Boris B. B. B. Koch werfen. Neben den obligatorischen Seitenhieben auf den klassischen Genre-Primus „Der Herr der Ringe“ werden selbstverständlich noch andere bekannte Werke schonungslos persifliert. Auf knapp 300 Seiten ist alles vertreten, was im Zuge der Fantasy-Welle rund um die „Der Herr der Ringe“-Filme aus dem Boden sprießte und nunmehr in Deutschland Rang und Namen hat.
Die Handlung ist hauptsächlich ein Crossover von „Die Orks“ (von Stan Nicholls) sowie dem von Markus Heitz geschriebenen, mehrteiligen Werk über „Die Zwerge“. Natürlich haben die Recken leicht abgewandelte Namen und kommen jetzt nicht mehr als Vielfraße, Feuerklinge und Tungdil, sondern als Murmeltiere, Flammenschlag und Dungdill daher. Die Ähnlichkeiten sind jedoch offensichtlich genug belassen. Wo kampfeswütige Zwerge und einfältige Orks sind, da können die noblen Elfen selbstverständlich auch nicht allzu weit weg sein und werden in Anlehnung an Farodin und Nuramon aus Bernhard Hennens „Die Elfen“ als Fahrdahin und Nur’a’mann für dieses Volk ins Rennen geschickt. Anspielungen auf „Die Trolle“ fehlen natürlich auch nicht, ebenso wenig wie jede Menge andere passende und unpassende „Ideenborgungen“.
Somit ist man gut beraten, diese Werke vorher gelesen zu haben, um auch die meisten Gags und Anspielung richtig verstehen zu können und „das höhnische Lachen Klabeuterlins“ erschallen lassen zu können. Jedoch auch ohne diese Vorkenntnisse bekommt das Genre der Fantasy-Literatur eine ordentliche Breitseite ab. Kein Klischee ist zu ausgelutscht, kein Vorurteil zu platt, um nicht persifliert zu werden. Selbst über Prolog, Epilog und Danksagungen wird sich lustig gemacht, genauso wie die Fußnoten größtenteils nur dazu dienen, weitere Gags einzustreuen. Diese Ideen muss man erst einmal miteinander kombinieren können, um sie zu einer ordentlichen Geschichte stricken zu können. Und dann noch die Schnitte in ein Paralleluniversum…
Zur Story: Bei einem mysteriösen Orakel wird die Bedrohung der bekannten Welt durch „Die Anderen“ geweissagt, die es von nun an zu stoppen gilt. Dumm nur, dass keiner der Augen- und Ohrenzeugen genau weiß, um was es sich bei diesen Anderen handelt, geschweige denn sein Volk richtig informieren kann. Trotz alledem ziehen alsbald mehrere Gruppen von Abenteurern mit verschiedenen Absichten durchs Land; Hauptakteure sind dabei die Zwerge Dungdill und Inwutsch mit den liebeskranken Elfen Fahrdahin und Nur’a’mann an ihrer Seite, sowie die Sternale jagenden Murmeltiere unter der Führung von Ball. So kommt es, wie es kommen muss, dass sich im ultimativen Wettkampf alle gegen die Anderen verbünden müssen, damit die letzte Schlacht gegen diese gewonnen werden kann.
Ohne alles vorwegzunehmen, kann verraten werden, dass man auf einige der Gags und Gedanken schon selber gekommen ist oder sich allgemein auch schon an der ein oder anderen Stellen bei den Originalen ein Was-Wäre-Wenn-Szenario überlegt hat. Dennoch habe ich vorher noch kein Buch gelesen, welches derart viele Gags und weit gefächerte Ideen aufgreift. Dadurch ist sichergestellt, dass jedem Leser Humor nach seinem Geschmack dargereicht werden kann. Das Schwierige an einer Parodie ist es eben, gekonnt mit den Lesererwartungen zu spielen, ohne zu sehr ins Klischeehafte abzurutschen. Ebenso sollte ein gewisser Respekt vor den Originalwerken gewahrt werden. Zugegeben, ein schweres Unterfangen.
In „Die Anderen“ hat es der Autor größtenteils geschafft, sich selber nicht allzu ernst zu nehmen und sich somit gleich mit durch den Kakao gezogen. Ebenso gibt es den tollen Einfall, auch über das allmächtige LektoRat abzulästern. Im Umgang mit seinen Vorlagen (vor allem der beinahe exakten Kopie von acht Seiten aus „Die Zwerge“) trifft er nicht immer ganz den Ton. Wenn man diese Originale sehr verehrt, dann muss man doch so einiges an Klamauk hinnehmen, der einem vielleicht nicht immer so recht passen will. Zudem schießt einem Boris Koch seine Gags direkt ins Gesicht, Zweideutigkeiten oder subtilerer Humor bleibt größtenteils auf der Strecke. Macht nichts, trotzdem lustig.
Fazit: Im Großen und Ganzen ist „Die Anderen“ ein wirklich kurzweiliges Buch, welches aufgrund der moderaten Seitenzahl nicht langweilig wird und sogar für das mehrmalige Lesen geeignet ist. Die enthaltenen Zeichnungen lockern den Stoff noch zusätzlich auf. Ein (Geschenk)Tipp für all jene, die die Originale gelesen und Sinn für Humor haben. Und das Beste: Frauen im Krankenschwesternkluft und das Adventure Land sind bei der Geschichte auch inklusive.
Die Anderen
Fantasy-Roman
Boris B. B. B. Koch
Heyne 2007
ISBN: 3453523784
299 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 7,95
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