Devil's Due

Mit diesem neu erschienen Quellenbuch erweitert White Wolf das für die Zeit des Mittelalters zur Verfügung stehende Material um einen Band über Dämonen, die in der Rebellion gegen Gott gefallenen Engel, die nach Jahrtausende währendem Exil im Abgrund der Hölle von leichtsinnigen oder machthungrigen Sterblichen auf die Erde gerufen werden, und Infernalisten, sprich Dämonologen, die sich mit dem Studium der spirituellen und intellektuellen Aspekte von Dämonen befassen, Diabolisten, also praktischen Dämonenbeschwörern, und den bloßen Knechten, die über einen Pakt an einen Dämon gebunden sind.

von Michael Wilhelm

 

 

Auch wenn der Band im üblichen Format der Spielerhandbücher aus dem Hause White Wolf aufgebaut ist, legen die Autoren immer wieder Wert darauf, zu erwähnen, dass vor allem die Dämonen sich eigentlich eher als Kontrahenten der Spieler in einem der klassischen World-of-Darkness-Settings eignen. Dennoch enthält der Band alles Nötige, um einem Dämon, der es geschafft hat, dem Sog des Abgrundes zu entkommen, Gestalt zu verleihen. Und sicher ist es eine Herausforderung für jeden Spieler, den es nach mehr gelüstet, als den brodelnden, kaum in Zaum gehaltenen Zorn eines Garou oder das Unleben der vampirischen Verdammnis darzustellen. Hier hat man also alle Möglichkeiten, einer seit Anbeginn der Zeiten existierenden, ohne jede Aussicht auf Erlösung wahrhaftig verdammten und bedingungslos bösen Figur Charakter zu geben.Wobei die Autoren auch hier ein Hintertürchen offen halten und dennoch Regeln zur Begnadigung eines gefallenen Engels angeben.

Wie in den Büchern zur World of Darkness üblich, beginnen die Autoren mit einer stimmungsvollen Episode aus der finstersten Zeit des Mittelalters, sinnvollerweise erzählt aus der Sicht eines auf die Erde gelangten Verdammten. Sogleich werden verschiedene Möglichkeiten der in diesem Band erläuterten Archetypen eingeführt: der Dämon, der eines sterblichen Körper besitzt, der über einen Pakt an einen Dämon gebundene Sterbliche und der in Dämonologie spezialisierte Inquisitor. Gerade der Inquisitor wird dem Leser im Verlauf des Bandes immer wieder begegnen. Und es ist eine nette Idee, über dessen Tagebuchauszüge an den Anfängen der einzelnen Kapitel seinen anfänglichen Hass auf das Infernalische über Neugier bis hin zu Faszination sich wandeln zu sehen. Bis er dann als zukünftiger Diabolist seine abschließende Vorstellung erhält.

Das erste Kapitel, „Powers and Principalities“ befasst sich mit der Geschichte der World of Darkness bis hin zu den Dark Ages aus Sicht der Gefallenen. Besonderer Schwerpunkt liegt hier im Ablauf der Rebellion gegen Gott, und dem Zeitraum, seit Dämonen vor allem im antiken Rom in verschiedenen Kulten wichtige Rollen spielten. Der zweite Teil des Kapitels widmet sich dem Wesen und der besonderen Stellung der Dämonen in Gottes Schöpfung, die eben kein Teil der Schöpfung sind, sondern an Gottes Seite selbst an diesem Schöpfungsakt beteiligt waren. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, der auch einen deutlichen Unterschied der Dämonen zu den anderen in der World of Darkness spielbaren übernatürlichen Kreaturen ausmacht. Maßgeblich ist aber daneben eben auch ihre Eigenschaft als absolut böse und unwiderruflich verdammte Kreaturen, die nach dem Aufenthalt im Abgrund derart pervertiert und in ihr ursprüngliches Gegenteil verkehrt sind, dass sich ihre Natur vollkommen geändert hat. Sie sind Kreaturen der Sünde, und so hat jeder Dämon eine der sieben Todsünden, die maßgeblich sein Wesen und Handeln bestimmt. Ihre einst schöpferischen Fähigkeiten haben sich zu den so genannten Arcana verändert, magischen Fähigkeiten, den vampirischen Disziplinen oder Gaben der Werwölfe, vergleichbar. Auch die Möglichkeiten, dem Sog des Abgrundes zu widerstehen, werden erläutert: durch das Besetzen eines sterblichen Körpers, das Binden in einen Reliquar, einen materiellen Gegenstand, oder in einen Bereich der Erde, als immobiler aber riesiger Erdgebundener.

Das Kapitel „Slaves Enthroned“ befasst sich mit der Interaktion der Dämonen mit der sterblichen Welt, die Kulte anführen als falsche Götter, gefallene Engel oder sogar indem sie ihr wahres verdammtes Gesicht zeigen. Weiterhin wird das Verhältnis zwischen den Dämonen und ihren wichtigsten irdischen Dienern, den Knechten, dargestellt. Oftmals spielen diese als dämonische Agenten oder Anführer der dämonischen Kulte, die durch Anbetung ihren Herren magisch-schöpferische Energie zur Verfügung stellen, eine wichtige Rolle. Dieses Verhältnis wird durch Pakte, bestehend aus Verpflichtungen den Herren gegenüber und Gaben der Dämonen an ihre Diener reglementiert. Diese Gaben haben die Form der dämonischen Arcana, bringen aber die wesentlichen Nachteile von dämonischen Makeln mit sich. Dieses Kapitel beschäftigt sich auch mit Diabolisten, die hauptsächlich aus Machtgier buchstäblich die Hölle auf Erden entfesseln. Als wichtige Vertreter werden hier die Voleurs d`Enfer genannt, eine auf Dämonenbeschwörung spezialisierte Diebesgilde aus Frankreich, sowie der Circle of Red, eine Gruppe Dämonen beschörender und bindender Magi. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit einem kleinen Absatz über die Wissenschaft Dämonologie.

In „The Host of Hell“ wird ausführlich die Charaktererschaffung infernalischer Charaktere – eben Dämonen, Knechten, Diabolisten und Dämonologen – erklärt. Besonderes Augenmerk liegt hier auf den für diese Figuren spezifischen Werten „Resolve“ (magisch-schöpferische Energie) und „Torment“ (Grad der Verdammnis) sowie einem ausführlichen System an „Arcanas“ und „Taints“ (Dämonenmalen sowohl körperlicher als auch spiritueller Art). Es werden dämonische Pakte zwischen den Gefallenen und ihren Knechten erläutert, neue Fertigkeiten und Hintergründe, sowie Vor- und Nachteile vorgestellt.

Das vierte Kapitel, „Chronicles of Sin“, gibt Techniken für den Umgang mit Dämonen und infernalischen Sterblichen als Charaktere in Spielerhand, besonders aber als Figuren unter der Kontrolle des Erzählers. Es werden Tipps gegeben für den Einbau dämonischer Figuren in andere Dark-Ages-Kampagnen, mit dem besonderen Augenmerk auf zu erwartende Konflikte und Interaktionsmöglichkeiten von Werwölfen, Feen, Vampiren und Magi mit den Verdammten. Einen Abschluss bilden wie üblich kleine Biographien prominenter auf Erden weilender Dämonen sowie mit Dämonen interagierenden Sterblichen, die zum Teil schon aus der Einführungsgeschichte bekannt sind.

Im Anhang, „Other Damned Souls“, werden noch kurz die besonderen Eigenarten und Fähigkeiten der Dämonen beschwörenden Vampire vom Clan Baali sowie der Magi des Circle of Red mit zum Teil apokalyptischen Effekten erläutert.

Fazit: Alles in allem liegt hier ein empfehlenswerter Band mit einer Menge Information vor allem für den Erzähler vor. Sicher sind Dämonen und infernalische Sterbliche auch bedingt als Spielercharaktere spielbar, wahrscheinlich aber in Erzählerhand besser aufgehoben. Im Vergleich zu anderen, ähnlich anspruchsvollen Quellenbüchern aus der World of Darkness hätte ich den "For Mature Readers"-Aufdruck an prominenterer Stelle erwartet, denn vor allem in Spielerhand sollte mit dämonischer Macht und den dahinter steckenden Motivationen vorsichtig umgegangen werden. Auch Layout und Abbildungen sind von gewohnt guter Qualität. „Devil‘s Due“ kann also unbedingt empfohlen werden.


Devil's Due
Quellenbuch
Michael Goodwin, Morgan McLaughlin, Patrick O'Duffy
White Wolf 2004
ISBN: 1-58846-295-1
144 S., Softcover, englisch
Preis: $ 23,99

bei drivethrurpg.com als pdf-Datei bestellen