Deutschland in den 80ern

„Tales from the Loop“, basierend auf den fantastischen Bildern Simon Stalenhags, war nicht nur im schwedischen Original ein großer Erfolg. Auch hierzulande gab es ein erfolgreiches Crowdfunding für die deutsche Übersetzung. Gleich mitfinanziert wurde auch ein eigener Abenteuerband für deutsche Gefilde. Wie schlägt sich „Deutschland in den 80ern“ im Vergleich zu den anderen Abenteuerbänden?

von Jens Krohnen

Dabei geht „Deutschland in den 80ern“ naturgemäß noch einen kleinen Schritt weiter. Denn statt einen reinen Abenteuerband zu kreieren, legt Ulisses eine Mischung aus Quellen- und Kampagnenband vor. Immerhin will der Band ein komplett neues Setting erschließen – das Deutschland der 1980er Jahre. So widmen sich denn auch die ersten beiden Kapitel eben jenem besonderen Hintergrund.

Eröffnet wird der Band mit dem Kapitel „Ein gespaltenes Land“, welches sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Deutsche Demokratische Republik in den 1980ern beschreibt. Dem generellen „Tales-from-the-Loop“-Setting angemessen, wird Deutschland dabei eher aus der Sicht von Kindern in den 1980ern beschrieben: Der Kalte Krieg ist zwar bewusst und noch im vollen Gange, wird aber eher als diffuse Hintergrundbedrohung denn als den Alltag bestimmende Sorge wahrgenommen. Wichtiger ist, womit man seine Freizeit verbringen kann, was gerade im Fernsehen läuft oder welche Musik gerade „in“ ist. Gerade Spieler, welche in den 1980ern groß geworden sind, werden sich hier gleich zurechtfinden. Das folgende Kapitel stellt dann eine eigene „Loop“-Anlage für Deutschland vor. Die Autoren platzierten diese im Taunus, ganz in der Nähe von Waldems, dem Sitz von Ulisses Spiele. Entsprechend detailfreudig und gut gelungen ist die Beschreibung des Settings, welches auch gleich mit einer eigenen Mysterienlandschaft – also zahlreichen kleineren Abenteueranregern – ausgestattet wurde.

Die folgenden beiden Abschnitte enthalten moderate SPOILER und sollten nicht von Spielern gelesen werden.

Dieser Mysterienlandschaft schließen sich vier komplett ausgearbeitete Abenteuer an, welche gemeinsam zu einer Kampagne rund um den Taunus-Loop verbunden werden können. In „Neue Deutsche Welle“ werden die Kinder mit den Auswirkungen von Radiowellen-Experimenten konfrontiert. Als immer mehr junge Erwachsene zu Wutausbrüchen neigen, stellt sich die Frage, woher die plötzliche Gewaltbereitschaft kommt. Gleichzeitig bereitet der neue Radiosender Beats FM einen Wunschkonzert-Tag vor. Hängen diese Ereignisse irgendwie zusammen…? Das zweite Abenteuer, „Im Bann der Bärchis“, stellt wieder einmal Kinderspielzeug in den Mittelpunkt. Dieses Mal geht es um Werbeplüschtiere, welche von der den Loop betreibenden Königskron GmbH an Kinder verteilt werden. Dummerweise hat sich eines der im Loop durchgeführten Experimente verselbstständigt und dabei die süßen Plüsch-Bärchis korrumpiert. Diese locken die Kinder nun in Scharen aus dem Haus und einem ungewissen Schicksal entgegen. Ohne zu viel verraten zu wollen: Auch die Kinder der Spieler werden sich in die Wildnis des Taunus begeben müssen, um dieses Rätsel zu lösen.

Das dritte Abenteuer, „Der Riss im Schleier“, nimmt wieder eine wesentlich größere Dimension an. Der Testflug eines neuen Flugzeugprototyps geht furchtbar schief. Der Sichelphönix hätte dank Raumkrümmung gewaltige Strecken in unglaublich kurzer Zeit hinter sich bringen sollen – leider aber stürzt die Maschine über dem Taunus ab und verursacht einen Dimensionsriss, welcher fremdartigen Wesenheiten den Zutritt zu unserer Welt gewährt. „Der Riss im Schleier“ ist das wohl gruseligste Abenteuer in diesem Band und dürfte damit „Stranger Things“-Fans ansprechen. Das abschließende „Wenn die Sirene schweigt“ ist am schwierigsten als Einzelabenteuer einzusetzen. Denn hier tauchen Charaktere aus den vorhergehenden Abenteuern wieder auf und schlussendlich lassen sich die Ereignisse der vorhergehenden Mysterien hier noch einmal neu erklären – denn eine Künstliche Intelligenz hat plötzlich den Loop übernommen und muss nun überrumpelt werden.

Qualitativ stehen die Abenteuer in diesem Band den anderen Bänden in nichts nach. Zwar sind sie etwas geradliniger aufgebaut, als die oft verflochten aufgebauten Abenteuer aus den schwedischen Originalbänden, doch tut das der generellen Qualität keinen Abbruch. Den Autoren ist es gekonnt gelungen, das besondere „Tales from the Loop“-Feeling in die deutschen Lande mit den hier eigenen Besonderheiten zu transportieren. Die Abenteuer stellen dabei eine gute Bandbreite der oftmals bereits verwendeten Themen dar, erfinden aber auch das Rad nicht gerade neu: So gab es Szenarien um Spielzeug, Dimensionsrisse und ähnliches bereits in den anderen Bänden. Daher lohnt sich „Deutschland in den 1980ern“ am ehesten als eigene Kampagne.

Die Illustrationen, eines der Markenzeichen des „Loop“-Universums, sind wieder absolut großartig gelungen. Dabei fügt sich die Zeichenkunst von Steffen Brand, Christof Grobelski und Wang Ke, neben Simon Stalenhag für die Illustrationen verantwortlich, nahezu nahtlos in das gewohnte Bild ein. Das Layout wurde vom Grundregelwerk übernommen und ist mit seinen klar abgesetzten Textkästen, den schlichten, aber gut lesbaren Karten und den gelungen Übersichtsskizzen gut gelungen. Technisch ist damit alles einwandfrei.

Fazit: „Deutschland in den 1980ern“ ist ein gelungener Quellen- und Kampagnenband, um einmal Abenteuer abseits der bereits etablierten Settings zu erleben. Die ausgearbeiteten Abenteuer können überzeugen – einzig, wer bereits alle anderen Abenteuer kennt, wird hier wenig Neues finden und bekannte Themen abermals treffen. Alle anderen können bedenkenlos zugreifen.

Deutschland in den 1980ern
Quellen- und Kampagnenband
Thomas Michalski, Dominic Hladek u. a.
Ulisses Spiele 2021
ISBN: 978-3963315084
112 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 32,95

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