Der zerbrochene Stern 6 – Die Auferstehung des Runenkaisers

Es ist also vollbracht: Die Charaktere haben alle sieben Scherben des Zerbrochenen Sterns zusammengetragen und sind damit im Besitz eines mächtigen Artefakts aus den Zeiten des untergegangenen Thassilons. Eine gute Zeit, die Scherben wieder zum Sihedron zu schmieden. Da kann ja auch eigentlich nichts schief gehen …

von Tobias Dworschak

 

Diese Rezension basiert auf dem 100-seitigen PDF des letzten Teils des Abenteuerpfades. An der Gestaltung hat sich nichts geändert; sie präsentiert sich in der gewohnt hervorragenden Qualität. Die Übersetzung liest sich diesmal überraschend holprig. Mir sind eine Reihe von Wortwiederholungen und fehlenden Worten aufgefallen. Insgesamt macht das Lesen des Abenteuers dennoch großen Spaß.

Autor des Abenteuers ist Brandon Hodge, der nicht nur mit Beiträgen zu einigen Büchern aus der „Almanach“-Reihe aufgefallen ist, sondern auch den fünften (umstrittenen) Band zum Abenteuerpfad „Die Winterkönigin“ und das Finale zur „Kadaverkrone“ beigesteuert hat. Hodge ist ein versierter Autor, gerade wenn es um hochstufige Abenteuer geht. Die Charaktere beginnen kurz vor Stufe 16 und werden sich bis mindestens Stufe 17 hocharbeiten.

„Die Auferstehung des Runenkaisers“ besteht aus zwei Teilen – und legt den Schwerpunkt ein letztes Mal auf eine thassilonische Ruine, in der ein weitläufiger Dungeon auf die Erkundung wartet. Die folgenden 7 Absätze enthalten Spoiler zu dem Abenteuer. Wer es noch erleben möchte, sollte unten weiterlesen.

Nachdem die Einzelteile der Sihedron geborgen wurden, möchte die Gesellschaft der Kundschafter diese Heldentat mit einem großen Fest feiern. Als Höhepunkt ist vorgesehen, den Stern erneut zu schmieden – immerhin kann er als Waffe zum Schutze Varisias eingesetzt werden. Diese Prämisse ist schwach. Zum einen, weil ich nach wie vor nicht vorstehe, warum irgendein Mensch bei Verstand ein uraltes Artefakt, von dem niemand weiß, warum es geschaffen wurde und wie es funktioniert, wieder herstellen sollte. Das Abenteuer schreibt aber deutlich, dass der Spielleiter seine Spieler dazu bringen soll, genau diesem Prozess zuzustimmen, weil die Geschichte sonst nicht weitergeht. Zum anderen ist das Fest unzureichend aufbereitet. Die Charaktere werden Mitglieder im Sihedronrat, der das Neuschmieden verantwortet, aber zu dem, was genau damit verbunden ist, zu den NSCs, die eine Rolle spielen können, findet sich im Abenteuer kaum etwas. Der Spielleiter muss hier auf andere Veröffentlichungen zurückgreifen und eine Menge Zeit in die Vorbereitung investieren, um ein glaubhaftes Vorspiel zu entwickeln, das den Charakteren wirklich das Gefühl gibt, wahre Helden zu sein.

Überdies ist es ein bisschen störend, wieder und wieder zu lesen, dass dieser oder jener Aspekt den Umfang des Abenteuers sprengen würde und deshalb nicht weiter ausgeführt wird.

Sei’s drum. Das Neuschmiedefest selbst bietet eine stimmige Kulisse, insbesondere, wenn der Spielleiter tatsächlich in Magnimar zu Hause ist und sich gut vorbereitet. Es beginnt schließlich das Schmieden des Sterns. Und natürlich geht etwas schief. Kaum ist das Artefakt wiederhergestellt bebt die Erde – 150 Kilometer westlich erhebt sich die versunkene Hauptstadt Thassilos aus dem Meer. Ein epischer Moment, von dem man aber in Magnimar nur dunkle Wolken am Horizont sieht. Das Auftauchen der Stadt hat weitreichende Auswirkungen – uralte, schlummernde Monster erwachen und ein Tsunami rollt auf die Küste zu. Der Bruch in der Atmosphäre von Fest zu Katastrophe kann als klassisch bezeichnet werden, passt aber immer wieder gut. Die Charaktere haben nun alle Hände voll zu tun, um sich als Helden zu beweisen und den Einwohnern beizustehen. Sei es, indem sie sich den Kreaturen stellen, die erwachen, oder sei es, indem sie die Evakuierung angesichts der herannahenden Wellen unterstützen. Sechs Begegnungen sieht das Abenteuer vor, die im Wesentlichen aus herausfordernden Kämpfen bestehen und einen Schatten auf das Kommende vorauswerfen. Begleitet wird die Katastrophe vom „Erwachen“ der Monumente in Magnimar – insgesamt ein schönes Bild mit regeltechnischen Vorteilen was die Boni der Monumente betrifft.

Nachdem die Katastrophe überstanden ist und die Stadt mit dem Aufräumen und Reparieren beginnt, trifft sich der Sihedronrat erneut. Zum einen erhalten die Charaktere natürlich noch die ihnen zugedachte Belohnung, zum anderen wird – was mir in diesem Zusammenhang etwas aus der Luft gegriffen scheint – die Befürchtung geäußert, Xin sei wieder aufgetaucht. Die Charaktere werden gebeten, doch mal nachzusehen. Ein schwacher Aufhänger und ein bisschen zu sehr railroading (aber das bin ich von dem „Zerbrochenen Stern“ ja gewöhnt).

Mit der Ankunft auf der aufgetauchten Insel beginnt der zweite Teil des Abenteuers, der sich in der Erforschung des Kristallpalastes des Runenkaisers erschöpft. Und dieser Dungeon hat mich wirklich überzeugt. Ein halb intelligenter Dungeon, der von der Gegenwart seines Herrschers beseelt ist. Visionen der Vergangenheit, die die Geschichte Xins erzählen und damit den Hintergrund Thassilons weiter beleuchten. Abolethen. Viel Magie. Was will man mehr? Dieses Finale lässt mich überlegen, ob ich den Abenteuerpfad nicht doch mal komplett spiele!

Besonders gefallen hat mir der Mechanismus, wie Xin beziehungsweise dessen Geist den Kristallpalast kontrollieren kann. Dies geschieht über Beseelungspunkte, die er ausgeben kann, um Fallen auszulösen, Türen zu verschließen oder Konstrukte zu übernehmen (die dadurch signifikant mächtiger werden). Es handelt sich um eine Ressource, mit der Xin haushalten muss, weil sie sich nur langsam wieder auflädt. Schade aber vielleicht auch erforderlich ist, dass eine Reihe von Zaubern, die so hochstufigen Charakteren zur Verfügung stehen, durch die Natur des Dungeons eingeschränkt werden (insbesondere Teleportationsmagie). Dies ist ein alter Trick, um hochstufige Dungeons spannend zu machen und als solcher vielleicht alternativlos.

Am Ende erwartet die Charaktere ein wirklich spannender Kampf gegen Xin in seinem Konstrukt, wobei auf dem Weg wieder der ein oder andere Verbündete gewonnen werden kann. Erneut sind wichtige NSCs und Schätze gesondert aufgeführt – eine bewährte Aufteilung, auch, wenn man einzelne Figuren losgelöst vom Abenteuerpfad verwenden möchte.

Neben dem Abschluss der Geschichte von Bill Ward, wartet der Band mit zwei weiteren Artikeln und dem Bestiarium auf. Wie in jedem Abschluss eines Abenteuerpfades geht ein Artikel auf die Frage ein, wie eine Kampagne fortgesetzt werden kann. Die Ideen hier sind interessant (was passiert, wenn die Charaktere versagen?), wobei der Artikel für mich selbst keinerlei Verwendung hat – ich finde Stufe 17 schon zu hoch, um noch spannende Abenteuer bestreiten zu können.

Im Gegensatz dazu bietet der zweite Artikel, der sich mit den Runenherrschern Thassilons beschäftigt, einen echten Mehrwert. Einen solchen Artikel hätte ich mir viel früher gewünscht, zum Beispiel schon in „Das Erwachen der Runenherrscher“, in dem diese legendären Gestalten bereits eine wichtige Rolle spielen. Jedem der letzten Runenherrscher ist hierbei eine ganze Seite gewidmet, die seine Geschichte erzählt und Hinweise zu den Hinterlassenschaften und besonderen Artefakten liefert. Damit hat der Spielleiter genug Material, um die Charaktere einerseits mit mehr Hintergrundwissen zu versorgen, andererseits auch thematisch passende eigene Abenteuer umzusetzen.

Im Bestiarium sind wieder vier neue Monster versammelt, die man auch in dem Abenteuer treffen kann. Und zwei fallen hier besonders angenehm auf: die lebende Rune (was für eine großartige Idee) und der mechanische Drache, der besonders gut in das Setting von Xin passt und sehenswert illustriert ist.

Abgeschlossen wird das PDF von den unbeschrifteten Karten des Dungeons, die sich sehr gut als Handout eignen. Dieser Bonus in den PDFs überzeugt mich so, dass ich es bedaure, derlei Karten nicht in den englischen Print-Ausgaben zu finden.

Fazit: Das Finale des Abenteuerpfades überzeugt. Der erste Teil, in der die Charaktere Magnimar in der Katastrophe beistehen, ist spannend geschrieben. Es gibt eine Menge zu tun und die Charaktere können sich hier als echte Helden erweisen. Richtig gut ist der Dungeon von seinen Besonderheiten und seinem Aufbau her. Ein wirklich würdiger Abschluss für den Abenteuerpfad, der außerdem eine Menge Geschichte transportiert. Unter den weiteren Artikel ist der über die Runenherrscher gelungen, auch wenn er in einem früheren Heft noch besser aufgehoben gewesen wäre.


Der zerbrochene Stern 6 – Die Auferstehung des Runenkaisers
Pathfinder Abenteuerpfad
Brandon Hodge
Ulisses Spiele 2013
ISBN: 978-3-86889-309-0
96 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 22,95

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