Der Winter erwacht

„Zwei verfeindete Reiche, mächtige Wettermagie und eine schicksalhafte Liebe“ – was für ein Teaser auf dem Buchrücken. Ein interessanter Aufmacher, dessen Umsetzung jedoch wohl vor allem Frauen gefallen wird.

von Lars Jeske

 

Wie in einem guten Märchen sind auch die Fronten bei „Der Winter erwacht“ sehr schnell klar. Es herrscht Krieg. Der böse König von Winterfels, Wynter Atrialan, will mit seinen Mannen das friedliche Sommergrund unterjochen. Schließlich gelingt es ihm durch Zauberei und anhaltenden Winter den Widerstand der Sommerländer zu brechen. Er fordert als Tribut die Hand einer der Töchter des Königs. Passende Namen dieser sind Frühling, Sommer und Herbst. – So weit, so Märchen.

In der zusammengeschriebenen Realität von C. L. Wilsons Roman „Der Winter erwacht“ (erster Teil eines Zweiteilers) kommt neben diesem märchenhaften Anteil noch etwas Seifenoper und historische Romantik hinzu. Zum einen ist der böse König des Nordens kein alter verbitterter Mann, sondern ein junger hübscher. Verbittert ist er zwar dennoch, jedoch aufgrund eines durch die Sommerländer erlittenes Unrecht. Sein jüngerer Bruder wurde dort umgebracht und dieses Verbrechen ist bist heute unbestraft und unentschuldigt. Darum fordert er Wiedergutmachung für seinen Schmerz. Somit kann man den Winterkönig als Leser nicht sonderlich intensiv oder lange hassen und als Feind brandmarken.

Auf der militärisch anderen Seite steht unter anderem die vierte, vom Vater verhasste und verheimlichte Königstochter Chamsin Coruscate. Sie ist der typisch rebellische Wirbelwind, der Trotzkopf mit der guten Seele. Jedoch befleckt sie der Makel, dass sie durch ihre Wettermagie ihre Mutter tötete und ihrem Vater seid jenem Tage ein Dorn im Auge ist. So wird sie weggesperrt und verleumdet. Es kommt, wie es kommen muss: Diese Tochter wird dem König als Trophäe untergejubelt. Aufgrund der geschürten Vorurteile können sich beide anfangs nicht leiden. Selbstverständlich kommen sie sich näher, schließlich ist das Zeugen eines Erben auch Teil der Vereinbarung, und dann entwickeln sie füreinander echte Gefühle. Ebenso selbstverständlich sind beide nicht willens, diese Gefühle zuzugeben, obwohl die Handlung quasi von vorn herein auf nichts anders hingesteuert hat. Dazu kommt noch ein bisschen Magie, und fertig ist ein schön zu lesender Frauenroman, der alle Klischees aufgreift, ohne sie zu pointieren.

Nachdem man sich in die deutsche Übersetzung und den anfänglich komischen Satzsinnbau reingelesen hat, ist die Geschichte zwar noch immer klischeebeladen, jedoch entspannte Unterhaltung ohne Überraschungen. Genau das richtige für den Urlaub. Initial fiel mir als passender medialer Vergleich „Die Eiskönigin – völlig unverfroren“ ein, da auch hier die Protagonistin nicht Herrin über ihre Kräfte ist. Chamsin als Wettermagierin braucht vor allem Sonne und Licht, um Unwetter aufziehen zu lassen und gegen ihre Feinde zu richten. Später ist dieser Roman trotz all der Märchenhaftigkeit und Romantik nicht mehr ganz so uneingeschränkt für die ganz jungen Leser geeignet. Oder kann als guter Anlass für die sexuelle Aufklärung dienen.

Während das Buch formal gut geschrieben ist, hatte ich inhaltlich mehr erwartet. Einfach nur die Klischees auszureizen und den initialen Konflikt nach dem Schema Romeo und Julia, die sich aufgrund ihrer Herkunft nicht leiden dürfen, aufzuweichen, ist dann nichts Besonderes. Die benutzte Wettermagie ist eine schöne, wenn auch nicht neue Idee, aber durch ihre Stärke und ohne, dass der Zaubernde einen Preis zahlen muss, zu unrealistisch und wirkt wie reine Effekthascherei. Ohne dies wäre das auch gut und gern ein historischer Frauenroman geworden: Eine starke Frau spielt die Hauptfigur und setzt sich trotz aller Widrigkeiten im Leben durch. Der geneigte Leser kann währenddessen mitleiden und dem Happy End entgegenfiebern.

Fazit: „Der Winter erwacht“ ist der ersten von zwei Teilen einer romantischen, ins Fantasy-Genre gelegten Liebesgeschichte – gemischt mit sexuellen Anspielungen und Ausführungen, die den Klischee folgend eher die weibliche Leserschaft ansprechen wird. Ein Buch, das sich schnell auslesen lässt und, wenn einem das Thema interessiert, einen für diese Dauer unterhält. Ich würde nicht so weit gehen, es als banal zu bezeichnen, aber ein Highlight sieht anders aus.


Der Winter erwacht
Fantasy-Roman
C. L. Wilson
Bastei Lübbe 2015
ISBN: 978-3-404-20800-5
373?S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,99

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