Der weiße Berg 2: Der Fluch von Burg Dragenstein

„Der Fluch von Burg Dragenstein“ ist der zweite und letzte Teil der Kampagne „Der weiße Berg“. Wie der Name schon andeutet, müssen sich die Helden mit einem Fluch auseinandersetzen und haben am Ende den Bewohnern von Burg Dragenstein hoffentlich ihren Frieden wiedergebracht.

von Morgath

 

Im erstens Teil („Die Zuflucht“ – siehe auch die Rezension beim Ringboten) haben die Helden Zuflucht auf der verfluchten Burg Dragenstein erhalten und konnten später mit dem Wissen fliehen, wie der Fluch gebrochen werden kann, der schon seit vielen Jahrhunderten auf der Burg lastet. Hierzu muss ein bestimmtes Artefakt zur Burg zurückgebracht werden.

Überblick

Zunächst sind Nachforschungen anzustellen, wo sich das Artefakt befindet. Ist der Aufenthaltsort erst bekannt, gilt es dann das Artefakt in den Besitz zu bekommen. Doch dies ist schwerer als gedacht, denn das Artefakt befindet sich bei einem Adligen, der nicht gerade gut auf die Helden zu sprechen ist und sich lieber eine Hand abhacken würde, als den Helden das Artefakt zu geben. Doch in seinem Hochmut begeht er einen Fehler und verspricht ihnen das Artefakt zu geben, wenn sie die Aufgaben in einem alten Volkslied erfüllen. Das Lied handelt davon, was ein Ritter alles tun muss, um die Frau seiner Träume ehelichen zu dürfen. Nachfolgend ein kleiner Auszug aus dem Lied:

„Wenn ein Ritter reitet auf sechsbeinigem Ross,
wenn ein ungebornes Kind winkt vom Königsschloss,
wenn sieben tapfere Recken stehn auf einem Finger,
wenn der Stumme wird der Neuigkeit Verkünder.

Dann Rittersmann, oh Rittersmann,
erhöre ich Dein Flehn,
dann werden wir zu Erzean
in den Gänsetempel gehen.“


Die Erfüllung dieser Aufgaben galt eigentlich als unmöglich – aber eben nur eigentlich, denn wer sich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzt, wird feststellen, dass sie doch erfüllbar sind, wobei die (insgesamt sieben) Aufgaben trotzdem noch schwer bleiben. Wenn das Artefakt dann endlich in den Händen der Helden ist, müssen sie wieder zurück zur Burg Dragenstein und den Fluch brechen, wobei natürlich noch der Endgegner darauf wartet, überwunden zu werden...

Das Abenteuer

Das Abenteuer hat drei Handlungsabschnitte.

Der erste ist der kürzeste und behandelt lediglich die Nachforschungen über das Artefakt. Dabei gilt es im Wesentlichen, diverse Tempel, Bibliotheken und besondere Ortschaften aufzusuchen und Informationen zu sammeln. Insgesamt ist die Handlung wenig spektakulär, aber doch eine angenehmen Abwechslung nach den bisherigen Wildnisszenen, zumal das bewegte Schicksal eines edlen Ritters vergangener Tage aufgedeckt werden kann.

Der eigentliche Schwerpunkt und Höhepunkt des Abenteuers ist aber die Erlangung des Artefakts, was nur durch das Lösen der Rätselverse bewerkstelligt werden kann. Hier sind Kreativität und Einfallsreichtum ebenso gefragt wie Tatkraft, denn manche Lösungen verlangen einiges von den Helden ab. Und letztlich müssen auch die Schergen des Adligen in Schach gehalten werden, denn selbstverständlich versucht dieser alles, um sein Versprechen nicht einlösen zu müssen.

Das besondere Bonbon ist aber das doppelte Rätsel in dem Lied. Denn neben den rätselhaften Aufgaben, die die Helden zu lösen haben, steckt hinter den Zeilen noch ein tieferer Sinn, der zu einem uralten Geheimnis führt. Dieses Geheimnis müssen die Helden zwar nicht lösen, um ihre eigentlichen Ziele zu erreichen, aber die Erkenntnis, dass die Welt, in der sich die Helden bewegen, von einer größeren Komplexität durchdrungen ist als die Abenteuerhandlung selbst, dürfte eine große Bereicherung für jede Spielrunde sein. Und da der Autor lobenswerterweise auch dieses Geheimnis ausführlich behandelt, kann der geneigte Spielleiter diese Idee aufgreifen und daraus mit nur wenig Mehraufwand das nächste Abenteuer in Andergast kreieren.

Der dritte Abschnitt spielt dann auf und unter Burg Dragenstein, wobei vor allem die Kampfkraft der Helden im Vordergrund steht. Erfreulicherweise bestechen die Gegner aber nicht durch Masse sondern durch Ausgefallenheit. Auch hier wird noch einmal alles von den Helden abverlangt, ehe die Burg auch von dem letzten Schergen befreit ist.

Zum Abschluss gibt es noch einige allgemeinen Ausführungen zur Stadt Andergast, die nützlich und unterhaltsam zugleich sind.

Aufmachung

Die Aufmachung erscheint im vertrauten „DSA“-Stil, sodass hier nicht viele Worte zu verlieren sind. Da das Buch sich aber an unerfahrene Spielleiter wendet, finden sich mehr graue Kästen mit Spielleitertipps als sonst. Bei den Handouts ist leider gespart worden. So gibt es beispielsweise keine Handouts für die geschichtlichen Quellen, die die Helden auf der Suche nach dem Artefakt durchstöbern, obwohl hier einige handschriftlichen Dokumente in mittelalterlichen Lettern die Atmosphäre gut unterstützt hätten.

Eindruck

Insgesamt hinterlässt „Der Fluch von Burg Dragenstein“ einen sehr positiven Eindruck. Während der erste und der dritte Teil unter die Kategorie „Altbewährtes“ fallen (was aber im Hinblick auf die Zielgruppe durchaus als positiv verstanden werden soll), ist der lange Mittelteil Rollenspiel vom Feinsten. Die Spieler müssen ungewöhnliche Wege gehen, um das Unmögliche möglich zu machen, wobei pädagogisch wertvolle Eigenschaften wie Kreativität und Teamgeist gefragt sind. Für Rollenspielneulinge ist das Abenteuer genau die richtige Wahl, um sie dem Rollenspiel näherzubringen.

Die Kampagne

Abschließend noch kurz einige Worte zur gesamten Kampagne:

Die Idee hinter der Kampagne ist originell und in weiten Zügen sogar phantastisch. Die Handlung ist sehr abwechslungsreich und deckt die klassischen Abenteuerfelder Stadt, Wildnis und Dungeon gut ab. Zudem findet eine intensive Auseinandersetzung mit der Hintergrundwelt statt. Die Spieler bekommen hierbei einen guten Eindruck von der Gesellschaft und den Normen, denen sie unterliegt. Auch die Nichtspielercharaktere sind tiefgründig ausgearbeitet und repräsentieren treffend den Stand, dem sie angehören. Erfreulich ist auch, dass manche Personen im Laufe des Abenteuers öfters auftreten, weil durch den Wiedererkennungseffekt eine Verwurzelung in der Spielwelt erzeugt wird. Außerdem können die Spieler dadurch die Früchte ihres Sozialverhaltens ernten, denn manche Personen, denen die Helden zuerst uneigennützig geholfen haben, erweisen sich später als wertvolle Verbündete.

Für Einsteiger ist die Kampagne ein echter Glücksfall, da sie mit ihr nahezu alle Aspekte des Rollenspiels kennen lernen können. Mit Andergast ist zudem ein hervorragender Landstrich als Hintergrund gewählt worden, weil er sehr mittelalterlich orientiert ist, sodass sich jeder Spieler schnell in ihr zurechtfinden kann. Die Kampagne ist auch für unerfahrene Spielleiter gut als Einstieg geeignet, weil viele Tipps gegeben werden, wie die einzelnen Szenen umgesetzt werden können.

Aber auch für Veteranen hat die Kampagne einiges bieten. Die tiefe Verwurzelung in Andergast ist hervorragend gelungen und wird bei allen Andergast-Liebhabern sicherlich auf Wohlwollen stoßen. Außerdem kann auch die Handlung mit der ein oder anderen Raffinesse aufwarten. Insbesondere die Suche nach dem tieferen Sinn des Liedes ist höchst anspruchsvoll und selbst für Kenner Aventuriens eine harte Nuss.

Fazit: „Der Fluch von Burg Dragenstein“ ist das würdige Ende einer schönen Kampagne. Für unerfahrene Spieler ist die gesamte Kampagne sehr zu empfehlen. Aber auch erfahrene „DSA“-Kennern können einen Blick hineinwerfen, denn die Kampagne hebt sich in vielerlei Hinsicht positiv von anderen Abenteuern ab.


Der Fluch von Burg Dragenstein (Der weiße Berg 2)
Abenteuerband
Florian Don-Schauen
Ulisses Spiele 2008
ISBN: 978-3-940424-08-2
56 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 11,00

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